Ende eines Spaziergangs (Redebeitrag der Prozesskundgebung am 25.9.08)

Es ist Sonntag, der 13. April 2008 in Berlin-Charlottenburg. Die Sonne scheint und zwei Leute machen in der Mittagszeit einen Spaziergang in Richtung einer Eisdiele. Plötzlich, an einer Straßenecke, springen mehrere Polizeibeamte aus zwei heranrasenden Polizeiwagen heraus und greifen sich beide, stellen sie an die Hauswand, legen sie in Handschellen und erklären sie für festgenommen.

Jegliche Kommunikation zwischen den beiden wird strikt unterbunden. Auf die Frage, ob man sich ausweisen könne, konnte nur einer der Festgenommen mit "Ja" antworten, die andere Person erklärte, dass sie keine Ausweispapiere dabei hat. Nach etwa einer Stunde wurde laut Polizeiangaben nach telefonischer Rücksprache mit dem LKA Berlin eine Person wieder freigelassen und die andere mit einem herbeigerufenen Gefangenentransporter in die Gefangenensammelstelle verbracht und erkennungsdienstlich erfasst. Nach rund 5 Stunden wird sie in Handschellen von der Polizei zu ihrer Wohnung gebracht und nach Vorlage ihres Ausweises endlich freigelassen.

Was wird den beiden vorgeworfen?

Die beiden sollen Aufkleber mit dem Bild eines brennenden Jeeps und dem Zusatz "Why not" an verschiedenen Laternenmasten etc. verklebt haben. Ein "engagierter Mitbürger" soll sie dabei beobachtet und die Polizei alarmiert haben. Laut Polizei erfolgt die Festnahme aufgrund des Verdachts, zu einer Straftat aufgefordert und gegen das Pressegesetz verstoßen zu haben. Aus dem Umstand, dass die eine Person sich bei der Festnahme nicht ausweisen konnte, hat die Polizei eine Verweigerung der Namensnennung gemacht (obwohl nie nach dem Namen gefragt wurde) und ein Bußgeld in Höhe von 170,- € verfügt.

Inzwischen erhebt die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage wegen "Belohnung und Billigung von Straftaten" und "Verstoß gegen das Pressegesetz". Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden mit den Aufklebern im Kalenderjahr 2007 erfolgte Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge, die der linken Szene zuzuordnen waren, gutheißen.

Es ist nicht bekannt, ob Heinrich Böll oder sein Verleger für den Bucheinband seiner Erzählung "Ende einer Dienstfahrt" mit dem Bild eines brennenden Jeeps wegen Billigung und Belohnung von Straftaten angeklagt wurde. Bekannt ist, dass die beiden vorübergehend Festgenommenen weiterhin spazieren gehen.

Schluss mit der Kriminalisierung antimilitaristischer Aktionen!
Solidarität mit den verfolgten AntimilitaristInnen !

Ergänzung:

Prozesstermin: Montag, 1.12.2008, 13.30 Uhr, Amtsgericht Berlin, Turmstraße 91, Raum 768. Verhandelt wird gegen zwei Antimilitarist_innen, denen "Belohnung und Billigung von Straftaten" vorgeworfen wird, weil sie angeblich einen Aufkleber mit einem brennenden Bundeswehr-Jeep aufhängten. Angesichts der internationalen Kriegseinsätze der Bundeswehr ist die Zerstörung von Bundeswehrfahrzeugen eine konkrete Abrüstungsinitiative.

Weitere Hintergründe:

Veranstaltungsankündigung "Kriegsgerät interessiert uns brennend": http://einstellung.so36.net/de/864
Protokoll der 24. Abgeordnetenhaussitzung vom 14. Februar 2008 (16. Wahlperiode): http://www.parlament-berlin.de/pari/web/wdefault.nsf/vFiles/D12-00327/$File/pp16_24.pdf (siehe Seite 2113f)
PE des Einstellungsbündnisses zur Kriminalisierung der Veranstaltung: http://einstellung.so36.net/de/pm/906
Bericht über die Veranstaltung: http://einstellung.so36.net/de/ps/916

PE des Einstellungsbündnisses zum Prozess: http://einstellung.so36.net/de/pm/1189
Junge Welt zum Prozess: http://einstellung.so36.net/de/ps/1195
Neues Deutschland über den Prozess: http://einstellung.so36.net/de/ps/1198
taz über den Prozess: http://einstellung.so36.net/de/ps/1201

Zweiter Prozess(tag):

Mo. 16. Februar 2009, Amtsgericht Berlin Tiergarten, Wilsnacker Str. 4 (S-Bhf. Bellevue), Raum B 129

Es war ein kurzer Prozess. Die Abgeordnetenhausdebatte wurde verlesen (s.o.) und der Zeuge Dr. Thomas Fischer, 42 Jahre alt, Beamter, der die beiden Angeklagten bei der Polizei denunziert hatte, wurde verhört. Das Urteil lautet: Freispruch wegen unvermeidbarem Verbotsirrtum (Zu Verbotsirrtum siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Verbotsirrtum ). Prozessbericht und Infos zu weiteren Verfahren gegen Antimilitaristen: http://de.indymedia.org/2009/02/242107.shtml

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