Erfurt: Anschlag auf DHL-Packstationen und -Fahrzeuge
In der Nacht zum Samstag wurden in Erfurt DHL-Paketstationen angegriffen und beschädigt. Offenbar wurden an der Station Flyer, die die Aktion erklären sollen, zurückgelassen. Hintergrund sind demnach die Haftstrafen für drei angebliche Mitglieder der Militanten Gruppe (mg).
Am Freitag den 16. Oktober 2009 wurden Axel und Oliver zu drei Jahren und sechs Monaten und Florian zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Sie haben den Versuch unternommen Bundewehrfahrzeuge anzuzünden. Die Justiz versuchte die drei mit der mg in Verbindung zu bringen.
Die mg führte in der Zeit ihres Bestehens 27 Brandanschläge auf Einrichtungen von Staat und Kapital durch. Es wurden zum Beispiel nach der Einführung von Hartz IV Sozialämter und Arbeitsämter angegriffen. Auch Konzerne wie Lidl, wo Angestellte schikaniert und überwacht werden, waren Ziel der mg.
Ein weiteres Aktionsfeld stellte der Widerstand gegen Kriege und Repression dar. Mehrere Male gingen deshalb Bundeswehrfahrzeuge und Polizeiwagen in Flammen auf. Da die mg mit klandestinen Aktionen bewusst den abgesteckten Spielraum, in dem sich Proteste bewegen dürfen, überschritten hatte wurde sie zum Ziel für die Repressionsorgane. Auch wenn die mg in einem Text darstellten, dass Axel, Oliver und Florian nicht dieser Gruppe angehören, standen sie stellvertretend für die mg vor Gericht.
Zu beginn des Prozess stellten die Angeklagten klar: „Auf die Anklagebank gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie sind die kriminellen Vereinigungen. Sie sind anzuklagen.“
In dem Flyer, der am Ort des Geschehens zurückgelassen wurde, wird die Solidarität „mit all denen die Abrüstung praktisch betreiben, hier und überall“ gefordert. Als Erklärung wird bekannt gegeben: „Wenn nicht abgerüstet wird, tun wir es selbst!“
Damit sollte offensichtlich die militärische Logik der westlichen Staaten im weltweiten Kampf um „Sicherheit“ und Ressourcen praktisch kritisiert werden. Die Zusammenarbeit von zivilen Unternehmen und dem industriellen millitärischem Komplex hat gerade in der BRD eine besondere Brisanz.
Die Bundeswehr ist seit dem Angriff der NATO auf Jugoslawien vor zehn Jahren weltweit im Einsatz. Derzeit beteiligt sie sich am Krieg in Afghanistan und hat kürzlich in Kundus 135 Menschen durch einen Luftangriff töten lassen.
Während die Zerstörung von Kriegsgerät als kriminell gilt, wird die Bundeswehr im Staats- und Rechtsverständnis als Garant des Friedens angesehen. Für die Bundeswehr übernimmt DHL logistische Aufgaben und trägt damit zu einem funktionierenden Militärapparat bei. Dass die Firma DHL damit ein Ziel einer praktische Abrüstung wurde, muss somit nicht wundern.
Auf dem hinterlassenem Flugblatt wird festgestellt: „Kriminell ist das System und nicht der Widerstand - Freiheit für Axel, Florian und Oliver!“
Siehe auch ddp-Meldung vom 17. Oktober 2009:
Bundeswehr-Gegner beschädigen zwei DHL-Packstationen
Als Reaktion auf die Verurteilung von drei Männern in Berlin haben militante Gegner von Auslandseinsätzen der Bundeswehr in der Nacht zu Samstag zwei Erfurter Packstationen der Post-Tochter DHL beschädigt. Ein Sprecher der Polizei sprach auf ddp-Anfrage von zerstörten Glasscheiben. Farbschmierereien mit dem Wort «Entmilitarisiert» und ausliegende Flugblätter wiesen auf einen politischen Hintergrund hin. Inzwischen ermittelt die Kriminalpolizei.
Zudem liegt ein Bekennerschreiben vor, in dem sich die Verfasser des Angriffs bezichtigen. Dies sei «aus Solidarität» mit drei am Freitag zu Gefängnisstrafen verurteilten Männern geschehen. Das Kammergericht Berlin hatte die heute 37- bis 48-jährigen Angeklagten zu Haftstrafen von drei bis dreieinhalb Jahren verurteilt, weil sie im Juli 2007 versucht hatten, drei Lastwagen der Bundeswehr in Brandenburg/Havel in Brand zu setzen. Den Angeklagten wurde Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und versuchte Brandstiftung zur Last gelegt. Die Verteidigung kündigte Revision an.
Die drei hätten stellvertretend für die «Militante Gruppe» (mg) vor Gericht gestanden, auch wenn sie dieser Vereinigung nicht angehört hätten, heißt es in dem auch ddp vorliegenden Bekennerschreiben. Die Erfurter Anschlagsziele wurden damit begründet, dass DHL für die Bundeswehr logistische Aufgaben übernehme und damit zu einem «funktionierenden Militärapparat» beitrage. Die Post-Tochter werde damit «Ziel einer praktischen Abrüstung».
Das Kammergericht Berlin sprach seit Gründung der mg 2001 bis zur Festnahme der Angeklagten im Juli 2007 von mindestens 25 Anschlägen mit einem Gesamtschaden von 840 000 Euro. Im Juli dieses Jahres hatte die Gruppierung öffentlich ihre Auflösung erklärt.
Siehe auch Pressespiegel:
Erfurt: Brandanschläge auf Post-Autos und DHL-Packstationen (http://einstellung.so36.net/de/ps/1683)
Postautos in Flammen (http://einstellung.so36.net/de/ps/1682)