Rot-grüne Biedermänner und ihre Brandstifter
Ulf Poschardt wundert sich, dass bis in die SPD hinein Verständnis für die neue linksextreme Gewalt gepflegt wird, obwohl diese an den Terror der Blockwarte erinnert
Es ist ein kriechender, gleichwohl fataler Prozess, mit dem eine Säule unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung zunehmend fahrlässig der Erosion überlassen wird: das Gewaltmonopol des Staates und die Absicherung des Rechtsstaates durch die Organe der Exekutive. In den vergangenen Jahren wurde der linksradikalen Gewalt rund um den 1. Mai eine Art folkloristische Nischenexistenz zugebilligt. Daraus erwuchs nun eine Form der Destruktion, die all das angreift, was dem randalierenden Mob mit mangelhaftem theoretischem Überbau als "Provokation" erscheint. Polizeiwachen, Mercedes-Limousinen, frisch renovierte Häuser, nun das Kanzleramt, der Zoll, das BKA, die Deutsche Bank und Büros demokratischer Parteien. Die Empörung bleibt bislang aus. Stattdessen aufseiten der Linken viel Verständnis, erzwungenes Kopfschütteln und unverhohlene Sympathie bis hin auf die Kommentarseiten linksliberaler Medien der Mitte. Der teutonische Hang zum Neid relativiert sogar das nicht minder teutonische Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung.
Insbesondere in Berlin haben der Innensenat und die Polizei die Herrschaft der linken Heimatschützer resigniert hingenommen: Diese terrorisieren Anwohner, die ein wenig mehr verdienen, und verhöhnen mit ihren Attacken auf die Polizei auch jene Instanzen, die in vermeintlich umkämpften Vierteln für Rechtsstaatlichkeit sorgen wollen. Diffuse Ideen ethnischer Reinigung ("Raus mit den Porno-Schwaben") amalgamieren sich mit Gentrifizierungsphobien und einem Systemhass, dessen Gewaltbereitschaft erschreckt. Die einst internationalistische Linke verkommt zu einer Blockwart- und Sturmabteilungsgehässigkeit, die Missliebiges entwertet, denunziert, attackiert und die Unantastbarkeit des Privateigentums relativiert. Die offenen Drohungen nach der Räumung besetzter Häuser bleiben folgenlos. In Städten wie Hamburg und Berlin geht einigen Bürgern das Gefühl verloren, dass die universale Gültigkeit des Rechts als Aufgabe der Exekutive noch ernsthaft verfolgt wird. Zudem scheint kaum jemanden die Sorge umzutreiben, wo jenes Crescendo an Attacken und Vandalismus enden könnte. Auch die Geschichte der RAF begann mit Brandanschlägen. Die Mahnrufe der Polizeigewerkschaft über die neue Qualität der Gewalt werden nur zu gerne überhört.
In vielen Medien bleibt die Furcht vor Rechtsextremismus und Neonazis dominant, während die Auseinandersetzung mit jenen mentalen Wurzeln linken Nihilismus' eher lustlos bis gar nicht gewagt wird. Hinzu kommt, dass - ziemlich erwartbar - viele Mitglieder der Linkspartei, aber auch Sozialdemokraten und Grüne die Unterstützermilieus mit Solidarität oder zumindest Verständnis versehen. Wenn Juso-Chefin Franziska Drohsel bei einer Solidaritätsdemonstration für die "Militante Gruppe" (mg) mitläuft und in einem Interview mit der "taz" den autonomen Blockwarten Ideale andichtet, quetscht sich diese stets naive Spitzengenossin und Anti-Kapitalistin in den Fanblock jener, denen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wenig bedeutet. Junge Grüne erklären, dass Autos anzuzünden nicht produktiv sei und lediglich die Stahlhelmfraktion der CDU stärken würde. Ob derlei Einfühlungsvermögen in die Logik der Täter bei der Masse ihrer Wähler ankommt, ist fraglich. Der Demokratie jedenfalls schaden Rebellionsromantikerinnen à la Drohsel. Die SPD hat derlei Unsinn nicht verdient. Lässt sie Drohsel aber weiter gewähren, verrät sie ihre Geschichte der Mäßigung und Vernunft.