Brandanschlag aufs Bundeskriminalamt
Auf die Behörde in Treptow flogen Molotowcocktails – zur selben Zeit brannten Polizei- und Zollautos in Hamburg.
Linksextremisten haben in der Nacht zu Freitag zeitgleich in Hamburg und Berlin Dienststellen der Polizei attackiert. In Berlin flogen mehrere Molotowcocktails auf das Bundeskriminalamt in Treptow, in Hamburg zündeten Unbekannte mehrere Fahrzeuge des Zolls und der Polizei an. Zudem wurden in der Hansestadt Beamte durch einen Trick aus einer Polizeiwache gelockt und dann aus einem Hinterhalt mit Steinen beworfen. Die Brandstiftungen geschahen in beiden Städten zeitgleich gegen 2.40 Uhr – erst vor zehn Tagen waren in beiden Städten ebenfalls minutengenau um 2.40 Uhr zehn Fahrzeuge der Deutschen Bahn angezündet worden (siehe Chronik). Die Angriffe sind nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden abgesprochen worden, dafür spreche auch, dass die Täter in beiden Städten auf der Flucht sogenannte Krähenfüße zum Zerstechen von Reifen auf der Straße verstreut hatten, um mögliche Verfolger abzuschütteln.
„Die Angriffe auf Polizeiwachen und Dienstgebäude sind eine offene Kriegserklärung an Polizei und Rechtsstaat“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch sprach von einer bisher nicht erlebten „Gewalt gegen Menschen, die mich fassungslos macht“. Beide Landeskriminalämter arbeiten nach Polizeiangaben jetzt „intensiv“ zusammen. Bekennerschreiben hinterließen die Täter nicht. In Berlin werden jetzt die Aufzeichnungen der Videoüberwachung ausgewertet. Die Außenstelle des BKA in der Treptower Bouchéstraße, eine ehemalige Kaserne, gilt als einer der bestgesicherten Gebäudekomplexe der Stadt.
Berlins Ermittler werten die Angriffe als neue Qualität, bislang sei die Polizei außerhalb des 1. Mais nicht derartig gezielt attackiert worden. Hintergrund sei wohl, dass die Polizei als „Repressionsapparat“ getroffen werden solle – auf Deutsch: Die Szene rächt sich für Festnahmen linker Gewalttäter und die Räumung linker „Projekte“. Trotz der offensichtlichen Absprachen hat der Berliner Verfassungsschutz „keine Hinweise auf strukturelle Kontakte“. Beobachter der Szene verweisen dagegen auf den „autonomen kongress“ in Hamburg Mitte Oktober. Dort haben militante Extremisten vor allem aus Hamburg und Berlin über „verantwortungsvolle Militanz“ diskutiert. Bei dieser Gelegenheit könnten gemeinsame Aktionen vereinbart worden seien, hieß es. Die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, hatte vor wenigen Wochen auf einer Tagung über „Linke Gewalt“ berichtet, dass die Szene „aggressiver“ geworden sei.
Der Anschlag auf das BKA war nicht der einzige in der Nacht: Kriegsgegner warfen auf die Büros des CDU-Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann und seiner SPD-Kollegin Petra Merkel Farbeier und hinterließen Parolen. In einem Bekennerschreiben wird den beiden vorgeworfen, „für das Morden in Afghanistan“ verantwortlich zu sein. Eine dritte Gruppierung versuchte ihre nach eigenen Angaben zwölf nächtlichen Farbbeutelangriffe mit dem Kampf für den Klimaschutz zu rechtfertigen. Für den heutigen Sonnabend wird neue Gewalt befürchtet: Die Szene will gegen die Räumung der Brunnenstraße 183 demonstrieren.
Angriffe der linken Szene auf die Polizei, eine Chronik:
18.05.2007: Die Terrororganisation „Militante Gruppe“ zündet vor einer Spandauer Wache zwei Polizeiautos an. Die„mg“, die sich mittlerweile aufgelöst hat, begründet die Tat in einem Bekennerschreiben mit einer vorangegangenen Razzia.
24.04.2008: Wenige Tage vor dem 1. Mai wird vor dem Abschnitt 15 in der Eberswalder Straße ein Streifenwagen angezündet.
26.07.2009: In Rummelsburg brennt ein Streifenwagen neben einer Wache aus.
14.10.2009: Sympathisanten festgenommener Autobrandstifter werfen 30 Pflastersteine auf eine Polizeiwache in der Lichtenberger Rathausstraße.
30.11.2009: Vor dem Abschnitt 53 in der Puttkamerstraße in Kreuzberg werden zwei Brandsätze auf den Parkplatz geworfen, ein Streifenwagen wird beschädigt.
04.12.2009: Auf die Außenstelle des Bundeskriminalamtes in Treptow werden drei Brandsätze geschleudert, die nur geringen Schaden anrichten. Zudem werden Farbbeutel und Pflastersteine geworfen.