"Was in Deutschland brennt, ...
... kann in Afghanistan keinen Schaden mehr anrichten. "
Der Prozess am 1. Dezember 2008 gegen 2 AntimilitaristInnen vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“ (Sie sollen kleine Aufkleber mit dem Bild eines brenenden Bundeswehrjeeps und der Aufschrift "Why not?" an Laternenmasten geklebt haben) wurde heute nach kurzer Verhandlungsdauer von der Richterin Müller auf einen späteren, noch unbekanntem Termin vertagt.
Sichtlich überrascht waren die Richterin und der Staatsanwalt über die
25 ZuschauerInnen, die den Gerichtssaal bis auf den letzten Platz
füllten. Auch vor dem ZuschauerInnenbereich waren alle Plätze, die der
Presse vorbehalten waren, belegt. Die Richterin verlangte von den
Journalisten, dass jeder persönlich vorzutreten habe und ihr und dem
Staatsanwalt die Presseausweise zu zeigen habe. Als die Richterin
erklärte, dass sie die Vorgänge im Zuschauerbereich nicht interessieren
würden, solange der Ablauf des Verfahrens nicht gestört werde und sie
daher ihre Brille auch nicht aufsetzen würde, mussten viele
unweigerlich an das Bild der Justiz in Deutschland denken: Justizia mit
verbundenen Augen.
Nach dieser recht demütigenden Behandlung
der Presse begann die Gerichtsverhandlung in einer angespannten
Atmosphäre, in der die Richterin Mühe hatte, ein geregeltes Verfahren
durchzuführen. Überhaupt wirkte die Richterin insgesamt sehr
angespannt, betonte mehrmals, dass sie ja schon seit fünf Stunden ohne
Pause am Arbeiten ist.
Schon das Verlesen der Anklageschrift
durch den Staatsanwalt wurde von einem der beiden Rechtsanwälte mit dem
Hinweis unterbrochen, dass die Anklageschrift inzwischen um weitere
Behauptungen ergänzt wurde, die sich so nicht aus den bisher zur
Verfügung gestellten Akten ergeben. Daher beantragte er die Streichung
des letzten bislang nicht bekannten Punktes, dass der besagte Aufkleber
mit dem Bild eines brennenden Jeeps und den Worten „Why not“ sich
eindeutig auf einen Brandanschlagsversuch aus dem Jahre 2007 beziehen
würde. Um wohl dieses Verfahren nicht weiter zu verzögern, erklärte
jedoch die Richterin, dass sie auch die veränderte Anklage zulasse, so
dass nach beendeter Verlesung der Anklageschrift den angeklagten
AntimilitaristInnen das Wort erteilt wurde.
In einer
gemeinsamen Erklärung, verwiesen sie auf eine Veranstaltung am 23.
Februar 2008 in Berlin mit dem Titel „Kriegsgerät interessiert uns
brennend“ hin, zu der antimilitaristische AktivistInnen aus Irland,
Belgien, Holland und der BRD eingeladen waren, um über ihre Aktionen zu
berichten. Für diese Veranstaltung wurde mit dem gleichen Bild geworben
(Brennender Jeep der Bundeswehr mit dem Zusatz „Why not?“). Im Vorfeld
zu dieser Veranstaltung hätten die beiden AntimilitaristInnen aus
Zeitungsberichten und dem Internet erfahren, dass in der Sitzung des
Berliner Abgeordnetenhauses am 14. Februar 2008, auf die Anfrage des
CDU-Abgeordneten Frank Henkel Innensenator Erhardt Körting (SPD)
antwortete, die Überprüfung durch Polizei und Staatsanwaltschaft habe
ergeben, dass keine strafrechtlich relevanten Vorgänge im Zusammenhang
mit der für den 23. Februar geplanten Veranstaltung vorlägen. Soweit
ihnen bekannt, seien auch keine weiteren Ermittlungsverfahren
hinsichtlich dieser Veranstaltung eingeleitet worden. Daher wären sie
völlig überrascht, dass Polizei und Staatsanwaltschaft derart aufwendig
versuchen, das Kleben eines Aufklebers mit dem Motiv der Veranstaltung
zu kriminalisieren und damit im Gegensatz zu dem stünden, was der
Innensenator im Abgeordnetenhaus am 14. Februar 2008 erklärt hat.
Anschließend
stellten die Rechtsanwälte mehrere Anträge. Zunächst solle der
Innensenator Körting als Zeuge geladen werden, der zeigen würde, dass
hier ein Verbotsirrtum vorliegen würde. Die Angeklagten hätten im
Glauben gehandelt, dass damit eben keine Straftat begangen wurde.
Außerdem sollen verschiedene Kunstsachverständige gehört werden, die
erklären können, dass es sich bei dem Motiv des Aufklebers um eine
künstlerische Anfertigung handelt, die durch das Recht auf eine freie
Ausübung der Kunst gedeckt wird. Am Ende müsse auch geklärt werden, ob
der Aufkleber durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei.
Weder Richterin noch Staatsanwalt wussten von der Sitzung im
Abgeordnetenhaus. Zur Klärung der nächsten Schritte sei es daher
notwendig, die entsprechenden Sitzungsprotokolle einzusehen. Darüber
hinaus sei noch offen, von welchen Werbemotiven für die Veranstaltung
der Innensenator gesprochen hat.
Der Staatsanwalt blätterte
nervös in seinen Unterlagen und versuchte sich darüber zu retten, dass
es noch möglich sei, dass das Motiv des Aufklebers in einem Detail von
den verwendeten Motiven der Veranstaltung vom 23. Februar 2008
verschieden sein könnte. Er hielt es daher für erforderlich, speziell
zu untersuchen, ob auch auf den damals verwendeten Plakaten ein Y
nachträglich in das Bild des Künstlers Celestino Piatti von der
Titelseite des Buches „Ende einer Dienstfahrt“ von Heinrich Böll
eingefügt wurde. Spätestens hier zeigte sich der schlechte Verlierer.
Statt einzugestehen, dass er seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte (er
war über all dies nicht informiert), hielt er beharrlich an dem
Kriminalisierungsversuch eines antimilitaristischen Motivs fest.
Die
Richterin ließ für diesen Tag nur noch einen der insgesamt 6 geladenen
ZeugInnen zu, einen Beamten der Staatsschutzabteilung des LKA, der sich
aber auch als völlig uninformiert darüber zeigte, wie im Februar für
die Veranstaltung geworben wurde.
Nach kurzer Unterbrechung
der Verhandlung wurde von der Richterin erklärt, dass alles weitere auf
den nächsten Verhandlungstag verschoben wird, dessen Termin später
bekannt gegeben werde. Alle geladenen ZeugInnen wurden noch einmal in
den Verhandlungsraum bestellt und deren Urlaubspläne notiert. Vier
Polizeibeamte, drei von ihnen waren an der Festnahme beteiligt, zwei
Beamte des LKA und der „engagierte Mitbürger“, der die Polizei
informiert haben soll, waren natürlich „jederzeit bereit“ ein weiteres
mal als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Damit verlief der erste
Verhandlungstag, ähnlich wie in dem Buch von Heinrich Böll, „Ende einer
Dienstfahrt“ mit einer Überraschung, die das ganze Verfahren zur
Provinzposse werden ließ. Da passte es dann auch, dass der Staatsanwalt
am Ende des Verhandlungstages auf Nachfrage eines Journalisten die
Nennung seines Namens verweigerte.
Vor dem Gerichtsgebäude
bedankten sich die beiden angeklagten AntmilitaristInnen beim Publikum
für die große Unterstützung, die sie erfahren hatten. Sobald der
nächste Verhandlungstag angesetzt wird, wird wieder öffentlich zur
Teilnahme aufgerufen. Sie alle forderten ein Ende der Kriminalisierung
von Widerstand gegen Krieg und Militarisierung.