Dubiose Quelle
Klage wegen angeblicher Mitgliedschaft in »militanter gruppe« stützt sich auf anonymen Spitzelbericht des Verfassungsschutzes
Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen drei Berliner erhoben, die am 31. Juli 2007 auf dem Gelände der Rüstungsfirma MAN in Brandenburg (Havel) Brandsätze unter Bundeswehrfahrzeuge gelegt haben sollen. Oliver R., Florian L. und Axel H. wird außerdem die Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« (mg) vorgeworfen, teilte das Berliner »Bündnis für die Einstellung der Paragraph-129(a)-Verfahren « in einer am Montag verbreiteten Erklärung mit.
Die Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 stützt sich lediglich auf Indizien – weitere konkrete Tatbeteiligungen werden den dreien nicht vorgeworfen. Daß sich die Angeklagten beim Spazierengehen umgeschaut hätten, ist nach Auffassung der Bundesanwaltschaft ein Verdachtsmoment, ebenso, daß sich die »mg« nicht zu dem Brandanschlag äußerte oder einer der Angeklagten sich Einweghandschuhe gekauft habe.
Außerdem stützt sich die Anklageschrift auf die Aussage eines Spitzels des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Am 25. Februar 2008 habe die Behörde mitgeteilt, »daß nach dort vorliegenden vertraulichen, allerdings noch unbestätigten Informationen«, die drei Beschuldigten Mitglieder der »militanten gruppe« seien, heißt es in der Klageschrift. Die Quelle gelte beim Verfassungsschutz als »im allgemeinen zuverlässig berichtend und nachrichtenehrlich«. Dieser Belastungszeuge, von dem außer dem Bundesamt für Verfassungsschutz niemand wissen kann, ob es ihn überhaupt gibt, wird voraussichtlich nicht vor Gericht aussagen. Geladen ist nach Informationen des Bündnisses allerdings Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm.
Auf die Zusammenarbeit des Geheimdienstes und der Polizei sowie die Aussagen des Spitzels werde man im weiteren Verlauf des Verfahrens immer wieder aufmerksam machen, erklärte Arthur Schüler, Sprecher des Bündnisses. Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten sei »eine der Lehren aus dem Faschismus in Deutschland«, so Schüler. Deshalb werde man »die ständigen Verstöße gegen diesen Grundsatz thematisieren«.
Offenbar habe der Verfassungsschutz »den Spitzel aus dem Hut gezaubert«, weil die Anklage wegen Mitgliedschaft in der »mg« so »extrem schwach begründet und an den Haaren herbeigezogen« sei, vermutet Thomas Herzog, einer der Anwälte der Angeklagten. Auffällig ist, daß die Beschuldigten bereits mehr als ein halbes Jahr in Untersuchungshaft saßen, als das Bundesamt für Verfassungsschutz seine »Informationen« an die Bundesanwaltschaft übermittelte. Entweder hat also der Inlandsgeheimdienst der Ermittlungsbehörde monatelang Beweismaterial vorenthalten – oder seine »Quelle« brachte ihre »nachrichtenehrlichen« Berichte erst zustande, nachdem Oliver R., Florian L. und Axel H. bereits lange inhaftiert waren und in einschlägigen Blättern als »Terroristen« gehandelt wurden.
Das Bündnis betonte in seiner Erklärung, daß die Zerstörung von Bundeswehrfahrzeugen »eine konkrete Abrüstungsinitiative« sei, die dazu diene, »Kriegshandlungen – also Schlimmeres – zu verhindern«. In verschiedenen europäischen Ländern seien antimilitaristische Aktivisten mit dieser Begründung freigesprochen worden. »Deshalb fordern wir auch einen Freispruch«, erklärte Schüler.
Der Erste Strafsenat des Berliner Kammergerichts muß nun formell über die Zulassung der Anklage entscheiden. Prozeßbeginn wird voraussichtlich Herbst 2008 sein.