Bericht vom 48. Prozesstag (25.06.2009)

Zu Beginn dieses Tages thematisierte die Verteidigung die entstandenen Spannungen in Bezug auf das Wachpersonal am Eingang des Gerichtsgebäudes. Der Senat vermutete, die im Internet veröffentlichten Bilder der Mitglieder des Strafsenats und der Bundesanwaltschaft seien von BesucherInnen durch zum Beispiel mitgebrachte Fotohandys entstanden. Fotohandys die vom Wachpersonal nicht bemerkt worden waren. RA Hoffmann stellte richtig, dass es sich dabei um Bildmaterial einer kürzlich ausgestrahlten Sendung des mdr-Fernsehens handle (siehe unter http://www.youtube.com/watch?v=CvIX6e74ErA) und somit öffentliches Bildmaterial sei, das legal entstanden sei.

Die Anträge des Tages
Die Verteidigung stellte einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens, hilfsweise auf eine Unterbrechung des Verfahrens für 30 Tage. Die Verteidigung erklärte, diese Zeit zu benötigen, um sich in die mehrmals angeforderten Sachakten aus dem Ursprungsverfahren (mg1/2001), die ihr erst seit dem 18.06.09 zur Verfügung stehen (auf CD erst seit dem 23./24.06.2009), einarbeiten zu können. Es handelt sich dabei um eine Menge von 35 Leitzordnern.
In dem kurzen Gespräch zwischen der Verteidigung und dem Vorsitzenden über die Sachakten, erwähnte Hoch, dass der Senat keine Garantie für eine genaue Übereinstimmung der digitalen Aktenversion mit der Papierversion übernehmen könne (maßgeblich ist ausschließlich die Papierversion).
Der Vorsitzende stellte die Entscheidung über den Antrag zunächst zurück.

Bundesanwalt Weingarten äußerte zu dem Antrag, dass eine Unterbrechung von 30 Tagen für die Verteidigung sicherlich zweckdienlich wäre, dass eine Verhandlungspause in Form von nächster Woche jedoch genügen würde, um sich in die neu zur Verfügung gestellten Akten einzuarbeiten. Der Einwand der Verteidigung, dass die Aktenlieferung an die Verteidigung (als CD) erst mit den "Papier-Akten" der BAW auf ihre Vollständigkeit überprüft werden müsste und sie der Verteidigung auch in Papierform vorliegen müssten (aufgrund der besseren Lesbarkeit) ignorierte die BAW.

Weiterhin stellte RA Schrage zwei Beweisanträge, in denen er die Ladung zweier weiterer Zeugen aus dem Arbeitsumfeld eines der Angeklagten beantragte. Beide Zeugen sollen zu Eintragungen aus den beschlagnahmten Terminplanern eines Angeklagten befragt werden.

Im ersten Antrag beantragte der RA, einen Vorgesetzten des damaligen Arbeitgebers eines Angeklagten als Zeugen zu befragen. KOK Wagner, der am 46. Prozesstag als Zeuge aussagte gab bei seiner Befragung an, in den von ihm ausgewerteten Jahresplanern fänden sich Tage mit der Eintragung "F" (am 01.01.03 und 01.01.04), deren Hintergrund nicht geklärt werden konnte. Der Zeuge suggerierte in einem Auswertungsbericht jedoch einen Zusammenhang mit einem Brandanschlag der mg am 01.01.2003 (Finanzamt Neukölln). Der Zeuge konnte auf Nachfrage der Verteidigung nicht angeben, wie oft die Eintragung "F" sich insgesamt in den Planern finden würde. Auch ein beruflicher Zusammenhang wurde nicht überprüft. Weiterhin hieß es in dem Antrag: der zu ladende ehemalige Vorgesetzte des Angeklagten werde bestätigen, dass es sich bei den in den Jahresplanern 1999-2006 mit dem Eintrag "F" bezeichneten Tagen um "dienstfreie" Tage des Angeklagten handelt. Die beantragte Beweisaufnahme werde somit ergeben, dass die Eintragungen mit der beruflichen Tätigkeit des Angeklagten korrespondiert und die oben beschriebene Mutmaßung des Zeugen KOK Wagners daher jeder Grundlage entbehrt.

Im zweiten Beweisantrag beantragte die Verteidigung des Angeklagten eine Zeugin aus dessen beruflichen Umfeld zu laden. KOK Wagner hatte in seiner oben genannten Befragung aufgrund einiger Jahresplanereintragungen im Juni 2003 geschlussfolgert, der Angeklagte hätte Ortskenntnisse über Petershagen. Wagner stellte dies in einen möglichen Zusammenhang mit Anschlagsörtlichkeiten der mg. Laut Antrag werde die zu ladende Zeugin jedoch bestätigen, dass es sich bei diesem Eintrag um Petershagen (in 16306), Nähe Penkun und nicht um Petershagen (15345) bei Eggersdorf handelt. Sie wird bekunden im Juni 2003 beruflich mit dem Angeklagten in einer Angelegenheit in Petershagen (in 16306) zu tun gehabt zu haben.
Die Beweiserhebung werde somit ergeben, dass sich nicht nur keinerlei berufliche Bezüge des Angeklagten zu Petershagen/Eggersdorf ergeben, sondern dass die Schlussfolgerung des Zeugen KOK Wagners jeder Grundlage entbehrt. Zudem wird zumindest eine lückenhafte Ermittlungstätigkeit des BKA offenbar.
Zu beiden Anträgen äußerte sich der Vorsitzende zunächst nicht.

Nach einer kurzen Pause nahm die BAW Stellung zu den beiden Anträgen auf Zeugenladung. Die BAW lehnte die Ladung der beiden Zeugen ab, mit der Begründung, dass in beiden Fällen, die im Antrag beschriebenen, zu erwartenden Aussagen als wahr zu behandeln seien.

Überraschende Zeugenladung
Nun wurde der Zeuge Ingo Bastitsch, 44 Jahre, Biologe vom BKA, KT 31 vernommen. Er sollte zu der Thematik DNA-Spuren an den gefundenen Plastikflaschen aussagen.
Die Proben wurden laut seiner Aussage von der Schraubkappe (hier die Deckelinnenseite) sowie von dem Gewinde außen an der Flasche mit einem feuchten Wattestäbchen genommen. Somit handelt es sich um einen sogenannten DNA-Abrieb. Für den Abrieb an einer Flasche wurde jeweils ein Wattestäbchen verwendet. Er selbst allerdings hat die Proben nicht genommen, dafür hat er Assistenten, deshalb konnte er auch nicht ausschließen, dass unter Umständen auch Abriebe von dem Flaschenhals gemacht wurden. Ergebnis der Untersuchungen war, dass an zwei Flaschen Spuren eines Angeklagten gefunden wurden an allen restlichen Mischspuren, welche nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Sie haben nur die abgeschnittenen Flaschenhälse mit den Deckeln erhalten, einzeln verpackt. Ob die Deckel bei Erhalt alle aufgeschraubt waren ist unklar, zumindest ist bei manchen Dokumentationsfotos die von seiner Abteilung gemacht wurden, der Deckel nicht aufgeschraubt. Um was für eine Art von DNA-Spuren es sich handelte, also ob Speichel oder Hautschuppen, ließ sich nicht feststellen, jetzt auch nicht mehr, da das Material verbraucht ist. Auch gab es unterschiedliche Mengen, die gefunden wurden. Ob diese Spuren auch durch Kontamination entstanden sein könnten, sei eine theoretische und spekulative Frage, so der Zeuge, allerdings hielt er es für unwahrscheinlich, konnte es jedoch auch nicht ausschließen. Auch ob die Deckel zum entleeren der Flaschen geöffnet wurden, oder nicht, konnte der Zeuge nicht beantworten, da er ja lediglich die schon abgeschnittenen Hälse zugesandt bekam. Die vergessene Nullprobe, die in einem Protokoll erwähnt wird, bedeutet nur, dass die verwendeten Chemikalien eigentlich zu Beginn auf DNA untersucht werden, was in diesem Fall aber eben vergessen wurde, aber nicht bedeutend für das Ergebnis ist.
Auf die Frage, ob sie auch wie das Institut von Dr. Brinkmann zertifiziert seien, antwortete der Zeuge, dass sie nach eine DIN EN arbeiten würden, was dem ungefähr entspräche.
Der Zeuge wird unvereidigt entlassen.

Nach der Zeugenvernehmung zog sich der Senat zu einer kurzen Beratungspause zurück, um über die heutigen drei Anträge zu entscheiden.
Bezüglich des Antrages den ehemaligen Vorgesetzten eines der Angeklagten zu laden, stimmte der Senat zu. Hoch begründete dies damit, dass sich, im Gegensatz zur Einschätzung der BAW, nicht nur Entlastendes, sondern sich auch etwas "anderes" aus einem freien Tag ergeben könne.
Was die Ladung des anderen Zeugen anbelangt, behielt sich der Senat eine Entscheidung noch vor.

Den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bzw. die Unterbrechung des Verfahrens für 30 Tage lehnte der Senat ab. Eine Aussetzung bzw. längere Unterbrechung lehnte der Senat als für nicht notwendig ab, da die Verhandlung zügig laufen solle. Eine Unterbrechung sei auch kürzer möglich, da die Akten RA Hoffmann schon seit längerer Zeit zur Einsicht bei der Generalbundesanwaltschaft zur Verfügung stehen würden und die Verteidigung somit die Möglichkeit gehabt hätte diese einzusehen.
Bundesanwalt Weingarten und die Verteidigung warfen an dieser Stelle ein, dass dies nicht richtig sei und speziell diese Akten der Verteidigung nicht schon länger zur Einsicht zur Verfügung gestanden hätten. (Mehrmals während der Verhandlung hatte die Verteidigung beantragt diese Akten beizuziehen, was die BAW aber immer abgelehnt hatte.)

Weiterhin erklärte der Vorsitzende Hoch, dass eine Unterbrechung der Verhandlung in der nächsten Woche ausreichend wäre, da es keine neuen Sachverhalte in den Akten gebe und da die Verteidigung auch arbeitsteilig beim Durchgehen des Materials vorgehen könne.

Befangenheitsantrag
RA Hoffmann verlangte daraufhin eine längere Pause um einen unaufschiebbaren Antrag vorbereiten zu können. Nach einer einstündigen Mittagspause verlass Hoffmann im Namen seines Mandanten einen Befangenheitsantrag. Sein Mandant lehne die Richter des Strafsenats wegen Befangenheit ab. Der Antrag umfasste die Darstellung des Umgangs des Senats mit dem Antrag auf eine längere Verhandlungspause und den Umgang des Senats mit den der Verteidigung zur Verfügung zu stellenden Sachakten aus dem Ursprungsverfahren.
Dieses Vorgehen würde die Verteidigung in unzulässiger Art und Weise beschränken. Es entstehe der Eindruck, dass der Senat das Verfahren zu einem schnellen Ende bringen möchte und dabei der Verteidigung nicht die Möglichkeit gibt sich ausreichend in die beigezogenen Akten einzuarbeiten. Die vom Vorsitzenden als "Verwechslung" bezeichnete Behauptung, es hätte für die Verteidigung schön länger die Möglichkeit der Akteneinsicht gegeben, ließe ebenso darauf schließen, die Richter würden leichtfertig nach Gründen für die Ablehnung des Unterbrechungsantrages suchen. Auch in der Tatsache, dass die als notwendig erachteten Akten erst zum Ende der Beweisaufnahme beigezogen wurden, obwohl die Verteidigung dies schon mehrmals beantragt hatte (erstmals vor Beginn der Verhandlung), begründet sich die Befürchtung der Befangenheit.

Abschließend verkündet die BAW schriftlich zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Der Vorsitzende vertagt die Entscheidung über den Antrag ohne Zeitangaben.

Am Ende legt der Senat die nächsten Prozesstermine wie folgt fest:

nächste Termine: 08. Juli um 9:00 Uhr
                             09. Juli: fällt aus, da kein Sachverständiger anwesend sein kann
                             15. Juli um 9:00 Uhr

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