Bericht vom 16. Prozesstag (18.12.08)

Internationale Prozessbeobachter
Als internationale Prozessbeobachter waren heute wieder die Rechtsanwälte Harry Ladis (Griechenland) und Marcel Bosonet (Schweiz) anwesend.

Der 16. Prozesstag begann mit der Fortsetzung der Zeugenvernehmung vom 6., 8., und 13. Verhandlungstag von KHKin Ulrike Alles, Ermittlungsführerin beim BKA (Meckenheim). Die Zeugin beantwortete eine in der letzten Verhandlung offen gebliebene Frage, ob es ein Ermittlungsverfahren gegen eine weitere Person gibt, mit ja.

Direkte Kontakte
Verteidiger Hoffmann befragte Frau Alles welche Verknüpfungen es zwischen den einzelnen mg-Komplexen gegeben habe. KHKin Alles sagte, es seien direkte Kontakte von Personen festgestellt worden unter anderem aus Telefonbüchern oder Telefonüberwachungen. Auf Nachfrage, welche Kontakte die Beschuldigten genau hatten, konnte sie keine Angaben machen. Bei der Frage welche Kontakte die Beschuldigten zu politischen Gruppen hatten, mutmaßte sie, es sei davon auszugehen, dass Kontakte zu anderen Gruppen bestanden haben z.B. zu Libertad, mücadele. Welche Kontakte dies aber im Einzelnen gewesen sind, oder ob gar keine Kontakte bestanden, konnte sie nicht sagen. Zu der Frage, ob untersucht worden sei, dass bei einigen Gruppen schon aufgrund ihres politischen Selbstverständnisses eine Zusammenarbeit erschwert wäre, sagte KHKin Alles, dies sei nicht untersucht worden, da es nichts mit dem Tatvorwurf zu tun habe.

Mini-Handbuch für Militante
Dann wurde die Zeugin zum so genannten „Mini-Handbuch für Militante“ befragt. Es wurde bei den Durchsuchungen Texte gefunden, die das Inhaltsverzeichnis und Kapitel 1 daraus sein sollen. Frau Alles sollte darüber Auskunft geben, ob das Handbuch schon vor der Beschlagnahme im Umlauf war. Sie sagte, dass sie dazu nichts sagen könne. Das Handbuch sei mehrfach Thema bei den Besprechungen des BKA gewesen, dort wurde auch besprochen, dass zwei in der Interim veröffentlichte Texte eine Veröffentlichung des Mini-Handbuches nur suggerieren sollten. Denn eine Auswertung habe ergeben, dass das Handbuch nicht veröffentlicht wurde. Zudem sei es nach den Einschätzungen ihrer Kollegen untypisch, dass nur einzelne Texte in der Szene kursieren würden. Warum dies untypisch sei, konnte sie aber nicht beantworten. Auf die Frage, ob denn das BKA davon ausgehe, alle Texte zu bekommen, die in der Szene kursieren, sagte sie, dazu habe sie keine Erkenntnisse. Auch ob, die Landesverfassungsämter Erkenntnisse dazu haben, konnte sie nicht beantworten. Dafür sei die Auswertungseinheit des BKA zuständig. Auf nochmalige Frage, ob sie Erkenntnisse dazu hat, ob nicht Teile des Mini-Handbuches in einer kleineren Öffentlichkeit kursierten oder ob Papiere der mg vor der Veröffentlichung in anderen Kreisen diskutiert wurden, sagte die Zeugin sie habe dazu keine Erkenntnisse. Sie konnte sich noch daran erinnern, dass nach Einschätzung ihrer Auswerter Texte im Entwurfsstadium diskutiert werden, aber an Einzelheiten könne sie sich nicht erinnern. Zur Frage, ob weitere Teile des Handbuches bei anderen Personen gefunden worden sind, sagte Frau Alles sie habe es nicht in Erinnerung, könne es aber nicht ausschließen. Im weiteren sagte sie, die bei einem anderem Beschuldigten sichergestellte radikal Nr.158 mit dem Betrag „Nobelkarossentod“ sei dem gefundenen Inhaltsverzeichnis gemäß als Baustein für das Mini-Handbuch anzusehen.

Observationsaufträge
Rechtsanwalt Franke befragte Frau Alles dann zu den von ihr gestellten Observationsaufträgen vom 20.06.07, 21.06.07, 31.07.07. Die Aufträge sind laut Frau Alles reine polizeiliche Auftragserteilungen und liegen deshalb nicht den Akten bei. Fraglich war, ob diese Aufträge mit Lichtbildern versehen waren. Dazu wollte die Zeugin zuerst nicht aussagen, da sie dazu keine Aussagegenehmigung habe. Auf den Einwurf der Verteidiger, dass sich aber die Observationsbeamten in ihren Aussagen auf den diesen Auftrag beziehen, lenkte KHKin Alles ein und telefonierte mit ihrem Vorgesetzten um sich den Auftrag faxen zu lassen. Dies nahm einige Zeit in Anspruch, da zunächst unklar war, gegen welche Person der Observationsauftrag ausgestellt war. Als das Fax kurz vor Ende der Verhandlung eintraf, erhielten die Verteidiger den fünf-seitigen Auftrag mit schwarzweiß Kopie eines Lichtbildes. Interessant dabei war, dass der Auftrag am 16.05.07 ausgestellt war. Die Observierung aber am erst einen Monat später am 20.06.07 stattfand. Auch dazu konnte Frau Alles keine Angaben machen.

Observierung am 30.07.07
Die Zeugin stand bei der Observierung am 30.07.07 mit KOK Weiß vom LKA Berlin in telefonischem Kontakt. Frau Alles hatte die Einschätzung, dass es an diesem Tag zumindest ein Treffen geben sollte, da ja aus der Telefonüberwachung hervorging, dass ein Auto für diesen Tag wichtig sei. Ihre Einschätzung der Lage habe sich verändert, als es „anschlagsrelevante Zeit“ war und die Möglichkeit im Raum stand, dass es zu einem Anschlag kommen könnte. Es sei für die Observationskräfte aber nicht klar gewesen, dass es zu einem Anschlag kommen würde, denn sonst wäre es sinnvoll gewesen, die Beschuldigten vor der Tatausführung festzunehmen. Auf die Frage, wie das BKA auf den Renault Clio gekommen sei, sagte die Zeugin, durch Anfrage bei der Firma Sixt.

Nachlieferungen weiterer Akten
Rechtsanwalt Herzog fragte die Zeugin wie viele Nachlieferungen noch zu erwarten sind. Dazu sagte sie, es werden immer noch weitere Asservate ausgewertet. Ob es dann noch Nachlieferungen gibt, könne sie aber nicht sagen, da es sich um laufende Ermittlungen handelt.

Kreuztreffer
Rechtsanwalt Lindemann befragte Frau Alles zur Auswertung von Handydaten und Funkzellen. Insbesondere wie viele Kreuztreffer es bei den Anschlagszeiten der mg gegeben habe. Frau Alles sagte, so global könne sie dazu nichts sagen. Angaben zu möglichen Kreuztreffern fehlen nach Angaben der Verteidiger in den Akten. Auf Nachfrage sagte die Zeugin, die Ermittlungen zu Telefonnummern sei noch nicht abgeschlossen. Im Laufe der Vernehmung sagte sie weiter, dass sie sich nicht erinnert, wie viele Kreuztreffer es bei der Funkzelle des Tatortes gegeben hat. Wenn es aber welche gegeben hätte, müssten diese in die Akte hinein.

Auch die Staatsanwaltschaft stellte heute Fragen an ihre Zeugin. Staatsanwältin Greger fragte, wo der genaue Festnahmeort in Brandenburg war. Dies konnte die Zeugin beantworten. Weiter wurde Frau Alles gefragt, ob sie wüsste, wie hoch der Wert der Lkws sei. Dazu konnte sie nichts sagen, da es keinen Vermerk in den Akten gab. Auf die Frage der Staatsanwältin, ob es zu dem Brandanschlag ein Selbstbezichtigungsschreiben gegeben habe, sagte Frau Alles nein es habe keines gegeben.
Die Zeugin KHKin Alles wurde unvereidigt entlassen.

Grußwort
Der Vorsitzende Richter Hoch ordnete dann durch Gerichtsbeschluss an, dass das „Grußwort von Ex-Gefangenen im mg-Verfahren zum Aktionstag“ verlesen wurde. („Grußwort“ siehe Einstellungsseite) Richter Finkel verlas das Grußwort. Den Beifall der Zuschauer nach der Verlesung kommentierte der Vorsitzende mit „wenn es so weitergeht verhänge ich Ordnungshaft“. Zur Nachfrage von Richter Hoch, ob das Schreiben authentisch sei, gab es keine Stellungnahme der Verteidiger.

Fortsetzung der Verhandlung im nächsten Jahr: Mittwoch 07.01.09 um 9 Uhr mit der Zeugenvernehmung von KHK Gerhardt, LKA Berlin.

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