Wer die Macht hat, hat das Recht: BGH verwirft Revision; Urteil rechtskräftig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil gegen Axel, Florian und Oliver bestätigt. Rechtsbehelfe gegen diese Entscheidung wurden abgelehnt. Die drei im Oktober 2009 zu drei und dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Antimilitaristen haben ihre Ladung zum Haftantritt nach Berlin-Hakenfelde erhalten. Seit Juli sitzen sie in verschiedenen Standorten der JVA des Offenen Vollzuges Berlin. Bei Axel, Florian und Oliver wurde der Freigänger-Status gewährt, d.h. sie können täglich für mehrere Stunden die JVA verlassen, u.a. um ihrer Lohnarbeit bzw. Ausbildung nachzugehen. Auch Urlaubstage am Wochenende gibt es. Im Dezember 2012 hat das Kammergericht die Entlassung auf Bewährung nach Halbstrafe für zunächst einen der drei angeordnet. Im März wurde nach Zweidrittel der Haftzeit ein weitererer auf Bewährung entlassen.

Presseerklärung

Wer die Macht hat, hat das Recht:
BGH bestätigt Urteil gegen Kriegsgegner im militante-gruppe-Prozess

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung von drei Berliner Antimilitaristen bestätigt. Das Urteil des Berliner Kammergerichts vom Oktober 2009 gegen Axel H., Florian L. und Oliver R. wegen versuchter Brandstiftung an Bundeswehr-LKW und Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) in Höhe von 3 und 3,5 Jahren ist damit rechtskräftig.

„Wer die Macht hat, hat das Recht“, kommentiert Arthur Schüler vom Solidaritätsbündnis für die Einstellung der §129-Verfahren den BGH-Beschluss. Er ist von dem Ergebnis nicht überrascht: „Wir haben mit dieser Entscheidung gerechnet. In den vergangenen 20 Jahren wurde kein politisches Urteil des Berliner Kammergerichts vom BGH aufgehoben.“

Die Verurteilung erfolgte nach §129 StGB, der die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung unter Strafe stellt. Der Paragraf gehört wie die §§129a und 129b zum politischen Strafrecht der BRD und ermöglicht eine Verurteilung auch ohne konkrete Tatbeteiligung. Menschenrechtsorganisationen und Politiker aus SPD (Jusos), Grüne (Hans-Christian Ströbele) und Linke (Ulla Jelpke) fordern deshalb die Abschaffung dieser Paragrafen. Die Rechtsanwälte der Angeklagten hatten den Indizien-Prozess wiederholt als unfair charakterisiert und deshalb auf ihre Plädoyers verzichtet.

Oliver R., einer der drei Betroffenen, äußert sich anlässlich der BGH-Entscheidung: „Widerstand, der sich gegen die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft sowie das Militär richtet, um eine Situation der Besatzung, die Ermordung von Zivilisten und Zivilistinnen und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen zu unterbinden, bleibt nach wie vor legitim.“

Arthur Schüler kritisiert die deutsche Rechtsprechung als doppelzüngig: „Während durch ein Bombardement auf Tankwagen in Kundus im September 2009 etwa 140 Menschen starben – und die Verfahren gegen den verantwortlichen Bundeswehr-Oberst Georg Klein eingestellt wurden –, müssen Kriegsgegner mehrjährige Haftstrafen absitzen, die durch eine konkrete Abrüstungsinitiative Kriegsgerät unschädlich machen wollten.“

Mit der BGH-Entscheidung vom 3. Mai, die den Betroffenen dieser Tage zugestellt wurde, hat der 3. Strafsenat des Karlsruher Gerichts die Revision der Angeklagten gegen das Urteil abgelehnt (Aktenzeichen: 3 StR 277/10). In dem zehn-seitigen Beschluss rügt der BGH sowohl den Staatsschutzsenat des Kammergerichts wegen Verletzung seiner Aufklärungspflicht, als auch die Bundesanwaltschaft (BAW) wegen eines Organisationsverschuldens: Das oberste Berliner Strafgericht hätte, laut BGH, die Bundesanwältin Vanoni als Zeugin laden müssen, um aufzuklären, warum sie ohne richterlichen Beschluss Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten angeordnet hat. Die Anwälte werden Rechtsbehelfe gegen den BGH-Beschluss einlegen. (Anhörungsrüge, Gegenvorstellung oder Verfassungsbeschwerde haben aber keine aufschiebende Wirkung.)

Weitere Informationen:
Das Solidaritätsbündnis hat ein Buch über die §129-Ermittlungen und den Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe veröffentlicht (Titel: „Das zarte Pflänzchen der Solidarität gegossen“, ISBN 978-3-942885-00-3).

Kommentar des Einstellungsbündnisses

"Wir können sie nicht zwingen die Wahrheit zu sagen. Wir können sie nur dazu zwingen, immer unverschämter zu lügen" (Ulrike Meinhof)

Über 1,5 Jahre benötigte der Bundesgerichtshof (BGH), um in der Revision das Urteil wegen versuchter Brandstiftung an Bundeswehr-LKW und angeblicher Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) gegen Axel, Florian und Oliver zu bestätigen. Damit ist das Urteil des einjährigen Staatsschutzprozesses mit Haftstrafen in Höhe von 3 bzw. 3,5 Jahren rechtskräftig.

Der Prozentsatz von erfolgreichen Revisionen liegt bei unter 5%. Der BGH lehnt Revisionen in den meisten Fällen als unbegründet ab. Der Verwerfungsbeschluss ist dann etwa drei Sätze lang. In unserem Fall musste der BGH seine Entscheidung auf immerhin zehn Seiten rechtfertigen, was die Problematik des Kammergerichtsurteils deutlich macht. Auf den Großteil der Revisionbegründung geht der BGH nicht ein und stuft sie als "unbegründet im Sinne des §349 Abs. 2 StPO" ein.

Anstelle des üblichen Satzes "Die Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen" kamen also zehn Seiten juristisch verklausulierte Arroganz. Wir wissen diese Revisionsentscheidung zu "würdigen", nicht wegen ihres Inhalts, sondern wegen ihres Umfangs:

Zehn Seiten waren notwendig, weil die Bundesanwaltschaft (BAW) sich bereits am Tag der Verhaftung darüber im Klaren war, dass die mittlerweile degradierte Bundesanwältin Vanoni bei der Anordnung der Hausdurch­suchungen ohne richterlichen Beschluss den für die Revision entscheidenden Fehler gemacht hatte.

Zehn Seiten waren notwendig, weil das Berliner Kammergericht neben den vielen auf der Webseite des Einstellungsbündnisses dokumentierten Verstößen und Unterlassungen im Prozess insbesondere der vom BGH bemängelten Aufklärungs­pflicht nicht nachkam. Trotz Rügen der Verteidigung weigerte es sich, Bundesanwältin Vanoni als Zeugin zu laden, um aufzuklären, warum sie ohne richterlichen Beschluss Haus­durch­suchungen bei den Beschuldigten angeordnet hat.

Zehn Seiten waren notwendig, weil dem BGH am Schluss seiner nachholenden Befragungen der Staatsanwältin Vanoni und der Bundesstaatsanwälte Griesbaum und Beck auffiel, dass aufgrund der für ihn unbefriedi­gend gebliebenen widersprüchlichen Aussagen eine einfache, schlüssige und wasserdichte Argumentations­kette nicht ohne weiteres möglich war.

Das Papier rügt das Kammergericht wegen Verletzung seiner Aufklärungspflicht, als auch die BAW wegen eines Organisations­verschuldens. Die VerteidigerInnen versucht der BGH als unfähig hinzustellen. Diesen Versuch, die aufwändige und anstrengende Arbeit der Verteidigung von fast vier Jahren zu diskreditieren, weist das Einstellungsbündnis zurück. Um einen öffentlichkeitswirksamen Abschluss und um eine Argumenta­tion, die einer Verfassungsbeschwerde stand hält bemüht, kleidet der BGH seinen unbedingten Verurteilungswillen in den süffisanten Wink, mit mehr juristischem Sachverstand wäre eine erfolgreiche Revision möglich gewesen. Tatsächlich geht es ihm lediglich um eine plausible Erklärung für ein von vorn herein feststehendes Urteil. Dass der BGH zu diesem Zweck die allgemein übliche Behördenpraxis verbiegt, ist ohne juristisches Fachwissen und Detailwissen zum Verfahrensablauf auf den ersten Blick nicht erkennbar.

Im Schriftverkehr des BGH mit der Bundesanwaltschaft (BAW), gestand die BAW im Frühjahr 2011 ein, dass die Hausdurchsuchungen bei den drei in der Nacht zum 31. Juli 2007 Festgenommenen ohne richterlichen Beschluss erfolgten und damit rechtswidrig waren. Dennoch wurden die bei den Durchsuchungen aufgefundenen Indizien prozessual verwendet. Zu einem Beweisverwertungsverbot äußert sich der BGH nicht.

Vergangene BGH-Entscheidungen von 2007 zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen Andrej Holm und zur Abstufung des Verfahrens auf §129 (ohne a) (Beschluss vom 28. November 2007, Aktenzeichen StB 43/07) sowie der Beschluss von 2010, der die mehrjährige Überwachung von drei Berliner Linken für unrechtmäßig erklärte (11. März 2010, Aktenzeichen 3 StB 16/09), erweckten den Eindruck, dass der BGH ein Korrektiv einer "über das Ziel hinausschießenden" Bundesanwaltschaft sei. Mit dem aktuellen Revisionsbeschluss jedoch zeigt sich, dass auch der 3. Strafsenat des BGH Teil des Spiels und nicht Schiedsrichter ist.

Der BGH hat den Beschluss (Link) heute veröffentlicht. (Zuletzt hat der BGH mit Beschluss vom 20.2.1990 ein politisches Urteil des Kammergerichts aufgehoben - im einem radikal-Verfahren: 3 StR 278/89. Dieser Beschluss ist in BGHSt 35, 363 oder in NJW 90, 2828 nachzulesen.)

Wie weiter?
Bis zur Übermittlung des Termins zum Haftantritt läuft nun der Countdown. Axel, Florian und Oliver müssen voraussichtlicht noch im Juli in den Knast. An diesem Ergebnis wird sich wahrscheinlich nichts ändern, aber ...

... Axel, Florian und Oliver werden weiterhin von vielfältigen antimilitaristischen Protesten und Aktionen gegen den Krieg hören, die ihnen Kraft geben.

... sie sind auch im Knast nicht vergessen und werden unsere Solidarität und Unterstützung bekommen.

Liebe und Kraft – Freiheit für alle politischen Gefangenen – Für mehr Abrüstungsinitiativen weltweit.

Einstellungsbündnis, Berlin, 27.6.2011

Das Einstellungsbündnis bittet weiterhin um Geldspenden für anstehende Rechtsmittel und Haft auf eines der beiden folgenden Konten:

Thomas Herzog, Postbank Essen, Konto-Nr.: 577 701 432, BLZ: 360 100 43, Verwendungszweck: Sonderkonto, IBAN: DE46 3601 0043 0577 7014 32, BIC: PBNKDEFF

Rote Hilfe e.V., GLS-Bank, Konto-Nr.: 4007 238 317, BLZ: 430 609 67, Verwendungszweck: Repression 31.7.2007, IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17, BIC: GENODEM1GLS

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