Revision gegen Urteil im mg-Prozess
Rechtsanwalt moniert Verfahrensfehler und unschlüssige Argumente des Kammergerichts
Im Oktober 2009 wurden die drei Berliner Antimilitaristen Axel H., Florian L. und Oliver R. vom Berliner Kammergericht wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung namens militante gruppe (mg) und versuchter Brandstiftung an Bundeswehrfahrzeugen zu Haftstrafen von drei und dreieinhalb Jahren verurteilt. Die Verteidigung hat Revision eingelegt – das einzig mögliche Rechtsmittel gegen das Urteil – und dieser Tage die schriftliche Begründung nachgereicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird darüber in den kommenden Monaten entscheiden. Verwirft er die Revision, wird das Urteil rechtskräftig und die Verurteilten müssen ihre Haftstrafe antreten. Interview mit dem Kieler Rechtsanwalt ALEXANDER HOFFMANN, der einen der drei Angeklagten verteidigt.
Nach Zustellung des schriftlichen Urteils konnten Sie Ihre Revision begründen. Was rügen Sie?
Im grundlegenden Teil der Revision rügt man formale Verfahrensfehler. Uns wurden beispielsweise nicht alle Akten vorgelegt – darunter Akten, aus denen sich die Schadenshöhe der den militanten Gruppen vorgeworfenen Anschlägen ergibt. In der Strafzumessung wurde mit der Schadenshöhe argumentiert. Erst im Nachhinein haben wir erfahren, dass der tatsächlich eingetretene Schaden weit unter der Hälfte der Summen lag, die im Prozess angegeben wurden und die dem Urteil zugrunde liegen.
Wir rügen aber auch andere formale Dinge: zum Beispiel die Tatsache, dass zu Prozessbeginn die Zeugen so nahe am Richtertisch saßen, dass die Verteidigung die Zeugen nur von hinten sehen konnte. Solche rein formalen Rügen reichen im Normalfall oft schon aus, um eine Wiederholung der Beweisaufnahme zu erzwingen, um also das Urteil aufzuheben und eine Neuverhandlung zu erwirken.
Daneben haben wir auch sogenannte materielle Rügen erhoben. Diese Sachrügen kritisieren beispielsweise eine unlogische Argumentationen des Gerichts oder eine falsche Anwendung des Gesetzes. Ein Beispiel: Das Gericht hat sich sehr schwer getan, aufgrund der vorliegenden Indizien schlüssig zu begründen, warum die drei Angeklagten Mitglied einer kriminellen Vereinigung waren, ebenso warum diese kriminelle Vereinigung die militanten Gruppen sind. Ein anderes Beispiel: Bei der Strafzumessung hat das Gericht bestimmte Ausführungen gemacht, wie es zu der Strafhöhe kommt, die aus unserer Sicht nicht dem Gesetz entsprechen.
Akten wurden nicht nur zurückgehalten, das Bundeskriminalamt (BKA) hat sogar Akten manipuliert. Das BKA wollte verschweigen, dass es sich mit Textbeiträgen an einer Militanzdebatte beteiligt hat, um die militante gruppe zu einer Antwort zu provozieren. Ist das auch Teil Ihrer Revision?
Nein. Problematisch war hierbei, dass die nachgewiesenen Manipulationen im Grunde genommen nicht rechtswidrig waren. Rechtswidrig war nur, dass uns und dem Gericht verschwiegen worden ist, dass das BKA solche Texte geschrieben hat. Wir konnten allerdings nicht nachweisen, dass BKA-Mitarbeiter absichtlich versuchten, den Prozess zu beeinflussen. Es war und ist ein Skandal, aber für eine erfolgversprechende Rüge reicht dies nicht.
Welche Chancen sehen Sie für Ihre Revision?
Ich sehe keine besonders großen Chancen aus zweierlei Gründen: Die Verhandlung vor dem ersten Strafsenat des Kammergerichts mit seinen fünf Richtern wurde mit einem großen Aufwand betrieben. Deshalb war das Gericht in der Lage, die Beweisaufnahme so zu führen, dass möglichst keine Fehler passieren.
Zum anderen ist der Staatsschutzsenat des Kammergerichts ein politisches Gericht – das höchste in Berlin-Brandenburg. Seine politischen Prozesse erhalten immer eine besondere Aufmerksamkeit und werden auch vom BGH unter einem besonderen Blickwinkel betrachtet. Nach meiner Kenntnis ist bislang noch kein Urteil des Staatsschutzsenates des Kammergerichts in einer politischen Angelegenheit vom BGH aufgehoben worden.