Das Ende der Militanz

Die »militante gruppe« (mg) erklärte in einer Autonomen-Postille ihre Selbstauflösung

Durch ein kontinuierliches Auftreten und regelmäßige Textbeiträge hat sie sich einen Namen gemacht und die Ermittlungsbehörden auf den Plan gerufen. Acht Jahre nach ihrer ersten Aktion löst sich die »militante gruppe« (mg) nun auf.

Zu insgesamt 27 Farbbeutel- und Brandanschlägen hat sich die Gruppe bekannt, unter anderem auf Sozialämter, Pilotprojekte des Arbeitsamtes und auf Fahrzeuge der für die staatliche Abschiebepolitik verantwortlichen Bundespolizei. Zuletzt traf es Anfang 2009 das Jobcenter in Berlin-Charlottenburg, das Sozialgericht in Potsdam und drei Bundeswehrfahrzeuge im sachsen-anhaltischen Burg. Dabei entstand jeweils nur geringer Sachschaden. Jeder Tat folgte eine schriftliche Erklärung. Die Anschläge waren politisch begründet. Sie waren ein Teil der von der mg maßgeblich initiierten Militanzdebatte über Inhalt und Formen linker Politik. An diesem Austausch in den Szenezeitschriften »Interim« und »radikal« beteiligten sich unterschiedliche Gruppen und Autoren.

Die Aktionen anlässlich von Hartz IV, der Unterdrückung gewerkschaftlicher Organisierung oder des Irakkriegs stießen in der radikalen Linken auf Sympathie. Aktivisten der sozialen Bewegungen kritisierten allerdings die oft umfangreichen Erklärungen der »militanten gruppe« und deren Vorstellungen zum Aufbau einer Parteistruktur. Nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm meldete sich die mg zunächst nicht mehr zu Wort. Interne Auseinandersetzungen zwangen die mg nach eigener Auskunft in einen »Reflexions- und Umgruppierungsprozesses«, an dessen Ende nun die Auflösung steht. Unter anderem stritt man um die Frage, wie viele Informationen man über sich selbst preisgeben sollte, wenn man damit andere gefährdet.

Die Auflösung wird nicht näher begründet, außer dass die Autoren erklären, in anderer Form und durch eine »tendenzielle Öffnung des Projektes« auf höherer Stufe weitermachen zu wollen. Die Auflösungserklärung erschien Anfang Juli in einer neuen Ausgabe der konspirativ hergestellten und vertriebenen Zeitschrift »radikal«, die seit über 30 Jahren unregelmäßig erscheint und in den 1980er Jahren ein bedeutendes Organ der Autonomen in der Bundesrepublik war. Zwei Drittel der neuen »radikal«-Ausgabe füllt die »militante gruppe« mit ihren Beiträgen. In dem für die mg typischen, selbstbewussten und teils süffisanten Stil stellt die Gruppe hämisch in Bezug auf die Generalbundesanwälte und den BKA-Präsidenten fest, dass mit den Verhaftungen von Andrej Holm, Axel H., Florian L. und Oliver R. im Sommer 2007 die mg »weder personell getroffen und schon gar nicht zerschlagen wurde. Die SchwadroneurInnen der Harms-Griesbaum-Bande (HGB) und des Ziercke-Stadls müssen halt nachsitzen und sich noch mehr anstrengen, um uns zu lokalisieren.«

Für die Ermittlungsbehörden blieb die mg bis zuletzt ein Phantom. Gegen insgesamt zwölf Personen leitete die Bundesanwaltschaft Verfahren nach Paragraph 129a StGB ein. Die darauf folgende, bis zu sieben Jahre dauernde Totalüberwachung brachte jedoch keine Anhaltspunkte, dass die Beschuldigten in irgendeiner Form mit der »militanten gruppe« in Verbindung stehen. Deshalb musste die Bundesanwaltschaft (BAW) die Verfahren gegen bislang acht Personen einstellen.

Im laufenden Gerichtsprozess gegen die drei Berliner Axel H., Florian L. und Oliver R. konnte bisher kein eindeutiger Beweis für die Mitgliedschaft der Angeklagten in der »militanten gruppe« erbracht werden. Die Auflösungserklärung der mg spricht sogar für eine gegenteilige Annahme. Derzeit scheinen die Indizien für eine Verurteilung nach Paragraph 129 wegen Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« nicht auszureichen.

Das vorläufig letzte Wort in dieser Sache spricht jedoch voraussichtlich im September in seiner Urteilsverkündung der fünfköpfige Staatsschutzsenat des Kammergerichts, der in vergangenen politischen Prozessen stets überdeutlich seinen Verurteilungswillen unter Beweis stellte.

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