»mg«-Verfahren mit Unterhaltungswert

Aussage von BKA-Beamtin kann Berliner Kriegsgegner kaum belasten: Observationslücken und Gefrierbeutel, die man eben »kauft, wenn man Brandsätze bauen will«
Von Frank Brunner

Wenn Axel H., Florian L. und Oliver R. das Haus verließen, war das Bundeskriminalamt (BKA) immer dabei. Seit Mai 2007 verfolgten Observationsteams nahezu jeden Schritt der drei Kriegsgegner, denen die Bundesanwaltschaft (BAW) vorwirft, als Mitglieder der »militanten Gruppe« (mg) insgesamt 25 Brandanschläge gegen öffentliche Einrichtungen verübt zu haben. Monatelang überwachten die Staatsschützer Telefongespräche, kontrollierten den E-Mail-Verkehr, belauschten Gespräche in Restaurants und filmten den Eingang zum Haus eines der Verdächtigen. Am 31. Juli letzten Jahres verhafteten Polizeibeamte schließlich die drei Berliner, nachdem sie versucht hätten, so die BAW, in Brandenburg an der Havel drei Fahrzeuge der Bundeswehr auf einem Gelände der Firma MAN in Brand zu setzen.

Gemessen am Ermittlungsaufwand ist die Beweislage bislang eher dürftig. Auch die am Donnerstag, dem mittlerweile sechsten Verhandlungstag am Kammergericht Berlin-Moabit, befragte BKA-Beamtin Ulrike Alles konnte nur wenig zur Aufklärung beitragen. Dabei koordiniert die Staatsschützerin bis heute die Ermittlungen. Nach ihren Aussagen agierte das BKA teilweise erstaunlich dilettantisch: Auf die Spur der Angeklagten, so Alles, sei das BKA während der Überwachung des Berliner Soziologen Andrej Holm gekommen, gegen den ebenfalls wegen Mitgliedschaft in der »mg« ermittelt wird. Holm hatte sich am 22. Februar 2007 mit einem der Angeklagten getroffen. »Beide haben sich sehr auffällig verhalten«, so die BKA-Beamtin. Trotzdem wurde Holms Gesprächspartner erst zwei Monate später als L. identifiziert. Von da an wurde sein Hauseingang mit einer Videokamera observiert. Unerklärlich bleibt, warum der Hintereingang zum Gebäude nicht überwacht wurde.

Auf den Angeklagten R. wurde das BKA dann Anfang Mai 2007 aufmerksam, als dieser sich mit L. in einem Park traf. Angeblich ebenfalls »konspirativ«. Die zwei wohnten in derselben Straße und hätten sich auch zu Hause verabreden können, so die Beamtin. Verdächtig sei auch das auffällige Umschauen der beiden gewesen, erläuterte Alles. Im Observationsbericht ist davon nichts zu lesen, was Strafverteidiger Sven Lindemann kaum nachvollziehen kann: »Mir ist unerklärlich, warum über ein so wichtiges Detail, das sogar im Haftbefehl erwähnt wird, kein Vermerk existiert.«

Die nächste Panne folgt, in der Nacht zum 31. Juli 2007. Gegen halb zwölf setzten sich Axel H., Florian L. und Oliver R. in einen gemieteten Opel Astra und fuhren Richtung Brandenburg/Havel. Mehrere Beamte folgten ihnen. Irgendwann verloren die BKA-Spezialisten die Verdächtigen allerdings aus den Augen. »Ich kann nicht ausschließen, daß während dieser Observationslücke die Insassen gewechselt haben«, muß Ermittlungsleiterin Alles zugeben. Offen blieb auch, warum die Beamten nicht unmittelbar am angeblichen Tatort, sondern erst während der Rückfahrt zugriffen.

Was bislang bleibt, sind Indizien. Etwa zwölf Seiten aus einem »Handbuch für Militante«, das bei einem der Angeklagten sichergestellt wurde, oder die Quittung eines Drogeriemarktes, die belegt, daß Haushaltshandschuhe und Gefrierbeutel gekauft wurden. »Das sind Sachen, die man sich kauft, wenn man Brandsätze bauen will«, so die BKA-Zeugin. Zudem stützt sich die Anklage auf zwei Personenzeugnisse des Verfassungsschutzes. Aus »vertraulichen und unbestätigten Informationen« gehe hervor, daß die Angeklagten der »militanten gruppe« angehören, heißt es darin unter anderem. »Mit solchen Aussagen, deren Beweiswert gegen null tendiert, sollen die Mandanten nur stigmatisiert werden«, kritisierten die Strafverteidiger. Der Vorsitzende Richter Josef Hoch wirkt bei solchen Einwänden genervt. Bereits einen Tag zuvor, dem fünften Verhandlungstag, hatte Hoch zwei Zuschauerinnen an seinen Tisch zitiert und ihnen 1 000 Euro Ordnungsgeld oder eine Woche Ordnungshaft angedroht. »Ich werfe ihnen vor, gelacht zu haben und das ist verboten«, so der Richter. Am 29.Oktober wird der Prozeß fortgesetzt.

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