Sieben Jahre permanent überwacht
Von Sven Gerner
Nach jahrelangen Ermittlungen wurde dieser Tage ein im Jahr 2001 eingeleitetes Verfahren nach Paragraf 129a StGB (Gründung und Mitgliedschaft in der »militanten gruppe«) gegen drei politische Aktivisten aus Berlin eingestellt. Bis die Bundesanwaltschaft zu dem Schluss kam, dass keine »überführungsgeeigneten Beweismittel« vorliegen, musste sie sieben Jahre lang ermitteln. Die drei betroffenen Berliner beschreiben diese Ermittlungen in einer Stellungnahme: »Unsere Wohnungen und Arbeitsstellen wurden Tag und Nacht gefilmt, unsere Telefone abgehört, unsere Autos verwanzt und mit Peilsendern versehen. Alle Banktransaktionen wurden kontrolliert. Wir wurden auf Schritt und Tritt von Zivilpolizisten verfolgt. Schließlich wurden unsere Computer, Tagebücher, Fingerabdrücke und DNA analysiert.« Im Mai 2007, während der Polizeirazzia vor dem G8-Gipfel, waren auch ihre Wohnungen und Arbeitsstellen durchsucht und zahlreiche persönliche Unterlagen beschlagnahmt worden. So ist den staatlichen Stellen inzwischen das gesamte Privatleben der drei bekannt.
Tatsächlich engagieren sich die drei Männer im Alter von 36, 49 und 60 Jahren in der Initiative Libertad! und setzen sich für die Freiheit von politischen Gefangenen ein. Den von Libertad! initiierten »Tag der politischen Gefangenen« am 18. März hat auch die »militante gruppe« wiederholt in ihren inhaltlichen Beiträgen und Aktionen aufgegriffen.
Verfassungsschützer im Gericht
Begonnen hat das Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a im Juli 2001. Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte damals der Bundesanwaltschaft mit, dass die drei Personen die Gründer der »militanten gruppe« seien und forderte die Behörde auf, die strafrechtliche Verfolgung einzuleiten. Auch danach griff der Verfassungsschutz wiederholt in das Verfahren ein, berichtet Jonas F., einer der drei Betroffenen. Da eine Verbindung zur »militanten gruppe« nicht nachweisbar war, wurde das Verfahren Ende September eingestellt.
Mit einer Einstellung enden rund 95 Prozent aller Verfahren, die nach Paragraf 129a eröffnet werden. Die groß betriebene Verfolgung der politischen Aktivisten zeitigt also kaum strafrechtlich relevante Ergebnisse. Letztlich dienen die Verfahren hauptsächlich der Durchleuchtung und Einschüchterung der linken Szene.
Die drei ehemals beschuldigten Berliner kündigten an, juristisch gegen die jahrelangen Überwachungsmaßnahmen vorzugehen. Sie verweisen auch auf den derzeit laufenden Prozess gegen Axel H., Florian L. und Oliver R. vor dem Berliner Kammergericht. Diesen drei Angeklagten wird ebenfalls die Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« vorgeworfen. Die Anklage stützt sich auch hier wieder auf fragwürdige Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Die enge Kooperation zwischen BKA, Verfassungsschutz und dem Geheimdienst der Bundeswehr, MAD, wie sie in den Ermittlungsverfahren bekannt geworden ist, widerspricht nach Auffassung der verteidigenden Rechtsanwälte dem grundgesetzlich verankerten Trennungsgebot. Die Bundesanwaltschaft weist diesen Vorwurf zurück, gesteht aber einen Informationsaustausch mit dem Verfassungsschutz ein. Dieser sei, so Bundesanwalt Herbert Diemer, »nichts Geheimes«. Dennoch ist Diemer nicht bereit, dem Wunsch der Verteidiger zu folgen und die verfahrensrelevanten Inhalte dieses Austauschs transparent zu machen.