Aussageverweigerung: Solidarisches Verhalten und Selbstschutz. Der Weg einer Zeugin zur Beschuldigten ist kurz & unübersichtlich

Als das Bundeskriminalamt (BKA) am 31. Juli 2007 die Wohnung eines mg-Beschuldigten durchsuchte, fanden die BeamtInnen dort ein Prepaid-Mobiltelefon. Innerhalb weniger Tage dürften sie herausgefunden haben, von wem dieses Gerät gekauft wurde. Im Herbst 2007 erhielt die ermittelte »Besitzerin« eine Zeugenvorladung. Relevante Aussagen bekam das BKA damals nicht. Seit Herbst 2008 ist bekannt, dass gegen die Handy-Käuferin ein Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung der kriminellen Vereinigung „militante gruppe“ eingeleitet wurde.

Es gibt keine Statistik darüber, wie viele Leute in Deutschland jemals ein Prepaid-Handy gekauft haben und es dann weitergeben, wenn sie es nicht mehr brauchen. Dass dies strafbar ist, wurde bislang noch nicht bekannt. Wenn aber ein solches Handy als Bestandteil und Beweismittel in einem §129-Verfahren auftaucht, beginnt es in den Hirnen von BKA-ErmittlerInnen zu rotieren.

Gefangen im Ermittlungsraster

Wann haben nun diese Rotationen begonnen, welche Thesen wurde dabei gesponnen und mündeten in welche Aktivitäten? Zusammen mit der Handykäuferin wurden im Herbst 2007 über 20 Personen auf die Zeugenliste des BKA gesetzt und vorgeladen. Neue Erkenntnisse aus diesen Befragungen gab es wohl nicht. Überwiegend verweigerten die ZeugInnen die Aussage. Es dürften allerdings im Vorfeld von allen ZeugInnen ausführliche Profile angelegt worden sein, die mit Datenabfragen bei Geldinstituten, Versicherungen, Krankenkassen und sonstigen Überprüfungen im persönlichen Umfeld unterfüttert wurden. Was also lief an Ermittlungen nach den Zeugenvorladungen? Mit Sicherheit einiges, was genau aber bleibt Spekulation.

Wenn sich die Einleitung des §129-Verfahrens gegen die Prepaid-Käuferin wegen Unterstützung im Wesentlichen auf die Ermittlungserkenntnisse vor der Zeugenvorladung stützt, dann stellt sich die Frage, was hinter der verschärften Gangart gegen die seit Herbst 2008 offiziell Beschuldigte steht. Die bislang zugänglichen Informationen legen nahe, dass bereits die Zeugenvorladung im Herbst 2007 ein geplantes taktisches Manöver war. Es hatte das Ziel, der bereits als Unterstützerin Verdächtigten ihr in diesem Falle zustehende Recht auf Aussageverweigerung bewusst vorzuenthalten. Einer Person, die ihren Status vom Zeugen zum Beschuldigten wechselt, steht ein Aussageverweigerungsrecht zu. Keinesfalls ist eine Zeugenvorladung von Personen, gegen die ohne ihr Wissen als Beschuldigte ermittelt wird, als taktische Ermittlungsmethode zu bagatellisieren. Sie ist vielmehr als arglistige Täuschung zu benennen, die ein bestehendes Aussageverweigerungsrecht unterläuft.

Kein Einzelfall, sondern Methode

Die späte und nur beiläufig öffentlich gewordene Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung könnte aber auch ein kruder Testballon gewesen sein, mit dem Axel, Florian und Oliver und ihr Umfeld verunsichert werden sollten, um angesichts der mageren Ermittlungsergebnisse den Druck zu erhöhen. Der §129 ist seit Jahrzehnten als Mittel unkontrollierbarer und ausufernder Überwachung politischer und sozialer Zusammenhänge in der Kritik. Diese Funktion hat er auch im aktuellen Verfahren praktisch unter Beweis gestellt.

Mit Blick in die Vergangenheit lässt sich sagen, dass diese Vorgehensweise keinen Einzelfall darstellt. Ohne eigenes Wissen und schneller als gedacht wird eine Zeugin zur Beschuldigten, Übergänge scheinen fließend und die Willkür dieser Methoden macht klar: »Es gibt keine harmlosen Aussagen!«

Das aktuelle, aber in keiner Weise ungewöhnliche Beispiel gängiger Ermittlungspraxis verdeutlicht Sinn und Notwendigkeit konsequenter Aussageverweigerung. Die Aufforderung zur Aussageverweigerung begründet sich nicht lediglich als abstrakte politisch-ideologische Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden, Aussageverweigerung ist jenseits davon legitimer Selbstschutz und Schutz für andere.

Für die Einstellung aller noch laufenden mg-Verfahren!
Weg mit den §§129(a,b)!
Solidarität statt Paranoia!

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