Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Weitere §129(a)-Ermittlungen eingestellt
Im September 2006 eröffnete die Bundesanwaltschaft (BAW) gegen mich und drei Freunde ein §129a-Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg). Der Anfangsverdacht speiste sich aus unserer Einbindung in linke Szenestrukturen und wurde mit angeblichen Textübereinstimmungen namentlicher Publikationen mit Erklärungen der mg begründet. Der Paragraf 129(a) eröffnete den Ermittlungsbehörden einen umfassenden Zugriff auf verdeckte Ermittlungsmethoden: Abgehörte Telefone, mitgelesene E-Mails, langfristige Observationen und kleine Lauschangriffe gehören dabei ebenso zum Standard wie Videoüberwachungen an Wohn- und Arbeitsadressen und GPS-Peilsender an Privatfahrzeugen. Im Zuge dieser Überwachungsmaßnahmen wurden – so jedenfalls die Aktenlage – die Ermittlungen auf Florian, Oliver und Axel ausgeweitet, deren Prozess zurzeit vor dem Berliner Kammergericht verhandelt wird.
Nach Dutzenden Überwachungsbeschlüssen und 33 Monaten Ausforschung ihres Alltags wurden im Juni dieses Jahres die Verfahren gegen drei der Ursprungsbeschuldigten sang- und klanglos eingestellt. In den Einstellungsbescheiden gesteht die BAW ein, dass trotz der umfangreichen Überwachungsmaßnahmen und der Hausdurchsuchungen keine „ausreichenden Beweismittel (erbracht wurden), die die Einbindung der Beschuldigten ... in die ›militante gruppe (mg)‹ oder ihre Beteiligung an deren Anschlägen belegen würden“. Weitere Erfolg versprechende Ermittlungsansätze seien nicht ersichtlich. Soweit so gut, die fehlenden Worte der Reue oder Entschuldigung für die fast dreijährige Aussetzung von Privatsphäre und Bürgerrechten sind zu verkraften – und wenig überraschend.
Amtshilfe von Bundesnachrichtendienst
Die Ermittlungen gegen mich selbst werden noch aufrecht erhalten, welche „weitergehenden Ermittlungsansätze“ die Bundesanwälte hier sehen, konnten sie auch meiner Anwältin gegenüber nicht begründen: „Eine Anklage“, so die zuständige Staatsanwältin Greger am Telefon, „stehe nicht im Raum.“ Nach der breiten Unterstützung und öffentlichen Aufmerksamkeit rund um meine Verhaftung hält sich die BAW offensichtlich mit einem endgültigen Eingeständnis ihres Misserfolges zurück und versucht intensiv, noch irgendeinen Hinweis gegen mich zu finden. So hat die BAW z. B. großen Aufwand für die technische Aufbesserung unzureichender Tonaufnahmen eines kleinen Lauschangriffs betrieben. Nachdem zunächst die Amtshilfe durch den Bundesnachrichtendienst (BND) keinen Erfolg brachte, durfte sich das Max-Planck-Institut an der Tonaufbesserung versuchen. Ähnlich erfolglos blieb ein anderer Versuch, zivile Institutionen in die Ermittlungsarbeit einzubeziehen: Ein vom BKA beauftragter Informatikprofessor der Universität Köln scheiterte an der Entschlüsselung von verschlüsselten Dateien auf meinem Rechner.
Der bürokratisch formulierte Einstellungsbescheid jedoch ist nicht nur Genugtuung für die drei nun Nicht-mehr-Beschuldigten, sondern entlarvt die früheren Ermittlungsbegründungen als Konstrukte der Anklagebehörde. Der gegen die vier Ursprungsbeschuldigten gerichtete Verdacht der Mitgliedschaft in der mg sollte die Beweislücken bei den drei Angeklagten füllen. Wenn schon keine direkten Indizien für die Mitgliedschaft vorgebracht werden konnten, so sollte wenigstens der Kontakt zu den „anderweitig Beschuldigten“ belastend wirken. Auf diese Argumentation können sich die Bundesanwälte nun nicht mehr stützen.
8/13: Keine schlechte Erfolgquote
In meinem Fall kommt es durch die Einstellung der drei Verfahren zu einer Umkehrung der Beweiskette: Galt ich zunächst als Beweismittel für die angebliche Einbindung von Florian in eine terroristische bzw. kriminelle Vereinigung, wird nun der Kontakt zu Florian für die BAW zum letzten Argument, um das Verfahren gegen mich aufrecht zu erhalten. Der bisherige Zirkelschluss der BAW (verdächtigt zu werden, weil man Kontakt zu Verdächtigten hat, die Kontakt zu Verdächtigten haben) ist nun unterbrochen.
Überhaupt gehen der BAW langsam die Verdächtigen in Sachen mg aus: Von den noch 13 öffentlich bekannten Ermittlungsverfahren im vergangenen Jahr mussten mittlerweile acht eingestellt werden. Für die zentrale Forderung des Einstellungsbündnisses „Einstellung aller §129(a)-Verfahren sofort!“ keine schlechte Quote – zumal die bisher erfolgten Einstellungen auch für die noch laufenden Verfahren und den Prozess nicht ohne Auswirkungen bleiben sollten – auch wenn die BAW dies sicher anders sieht.