Beweisantrag: Aufgefundenes Mini-Handbuch ist mehrfach kopiert
Der nachfolgende Beweisantrag ist der einzige der zwölf Anträge vom 23. Septembers 2009, den das Gericht nicht ablehnte.
In der Strafsache gegen Florian L. u.a. wird beantragt, ein Gutachten durch einen Sachverständigen für Druck- und Kopiertechnik einzuholen, zum Beweis, der Tatsache, dass es sich bei dem in der Wohnung des Herrn L. sichergestellten Minihandbuch (Asservat Nr. 5.2.4.7.1.1.), bestehend aus 12 Seiten und einer Übersicht zu Anschlagserklärungen etc. bis zum 10. Januar 2005, nicht um eine erste Kopie eines Originalausdrucks handelt, sondern um mehrfach kopierte Ausdrucke, also Reproduktionen von Reproduktionen, handelt.
Ein solches Gutachten wird ergeben, dass zwar nicht erkennbar ist, wie viele Kopiervorgänge des Originalausdruckes vorgenommen wurden, dass jedenfalls aber technisch nachweisbar ist, dass bereits mehrere Kopiervorgänge des Originalausdruckes erfolgt sind. Das Gutachten wird ergeben, dass eine solche Feststellung auch möglich ist, wenn wie hier der Originalausdruck nicht als Vergleichsobjekt zur Verfügung steht.
Je häufiger kopiert wird, desto klarer sind die feststellbaren Veränderungen, Unschärfen und Größenveränderungen. Bei jedem Kopiervorgang gibt es Veränderungen am äußeren Rand der einzelnen Buchstaben oder Linien, die Konturen werden unscharf. Der Rand franst immer mehr aus, vergleichbar mit Quetschungen wie sie im Offsetdruck unter anderem durch zu starken Farbauftrag entstünden.
Nach Analyse des im Antrag genannten Asservates wird der Sachverständige in seinem Gutachten zu dem Schluss kommen, dass die Druckqualität des Asservates, auch wenn dies mit dem bloßen Auge nicht unbedingt erkennbar sei, sehr schlecht sei. Selbst wenn das Original auf einem schlechten Laserdrucker erstellt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Qualitätsverlust bei dem Asservat und die Ausfransung am Rand der einzelnen Buchstaben und Linien so stark sei, dass es sich nicht um die erste Kopie eines Originalausdruckes handele.
Das hier in Rede stehende Asservat wurde ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Behördengutachtens des BKA – Diplom Physiker Härtlein - vom 8.8.2008 auf den Untersuchungsantrag von ST 14 vom 10.3.2008 mittels eines elektrofotografischen Kopiergerätes erstellt.
Bei Kopiervorgängen mittels elektrofotografischer Kopiergeräte wird mittels einer kombinierten Wärme- und Druckbehandlung Trockentoner auf dem Bedruckstoff fixiert. Hierzu wird zunächst das Original mit Licht aus einer Röhre angestrahlt. Dieses Licht wird von den hellen Flächen reflektiert und auf ein lichtempfindliches Array geleitet welches weiß und schwarz anhand der Reflektion misst und in Bitinformationen umwandelt. Je nach Auflösung wird das Original in schwarze und weiße Punkte umgewandelt, bei einer Auflösung von 300 dpi in mögliche 300 Punkte auf der Fläche eines Quadratinch. Dadurch entstehen Abbildungen, die – je höher die Auflösung ist – beispielsweise Linien zeigen, in Wirklichkeit – jedenfalls an den Rändern nur aus einzelnen Punkten bestehen und damit „Ecken“ aufweisen. Diese Bitabbildung wird über einen Laser auf die Drucktrommel übertragen, indem diese so aufgeladen wird, dass die Stellen, die schwarz werden sollen, Toner anziehen, der dann unter Wärmezufuhr auf Papier gedrückt wird. Hierdurch entsteht ein schwarz-weiß Bild auf Papier, das aus vielen schwarzen Einzelpunkten besteht.
Bei der erneuten Kopien wird die Auflösung in Schwarzpunkte (Dots) neu vorgenommen. Hierdurch entstehen veränderte Ränder, die bereits bestehenden Abstände zwischen den einzelnen Punkten werden unregelmäßig aufgenommen und wieder aufgedruckt, so dass mit jeder weiteren Kopie die Außenpunkte und Abbruchkanten immer stärker gepunktet erscheinen, also unscharf.
Darüber hinaus verändert sich bei jeder weiteren Kopie das Größenverhältnis. Eine absolute 1:1 Abbildung erfolgt bei handelsüblichen Kopierern aus technischen Gründen nicht, statt dessen erfolgen geringfügige Verkleinerungen. Nach mehrfachen Kopiervorgängen sind beispielsweise in aller Regel die ursprünglichen Buchstabengrößen und Zeilenabstände so verändert, dass die normalen Maße nicht mehr vorhanden sind. Anstatt einer 10 Punkt großen Schrift ist die Schriftgröße dann beispielsweise irgendwo zwischen 10 und 9 Punkt. Diese Veränderungen sind nachweisbar und mit handelsüblichen Druckern nicht zu erzeugen.
Begründung:
Nach der Anklageschrift zwingt das Auffinden dieses Asservates in der Wohnung des Herrn L. zu der Annahme, dass es sich bei Herrn L. und Herrn R. (wegen dort aufgefundener Spuren des Herrn R.) um „Insider“, also um Mitglieder der „militante(n) gruppe (mg)“ handelt, die auch bei der Abfassung der Schrift mitgewirkt haben.
Dieser Schluss ist allerdings fern liegend, wenn es sich um ein mehrfach kopiertes Papier handelt. Der Beweisantrag kann auch nicht als bereits erledigt angesehen werden, weil das Gutachten des BKA vom 06.08.2009 in der Hauptverhandlung verlesen wurde. In diesem Gutachten wurde nicht untersucht, ob eine Mehrfachkopie vorliegt. Auch zu der Frage, ob eine solche Feststellung möglich ist verhält sich das Gutachten nicht, der Gutachtenauftrag umfasste diese Fragestellung nicht.
Der Antrag hat sich auch nicht durch das Gutachten des BKA vom 08. August 2008 erledigt, da die beantragte Untersuchung nicht vorgenommen wurde. Diese Untersuchung ist auch nicht durch die vorherige Behandlung des Asservats zur Feststellung von daktyloskopischen Spuren unmöglich. Wie das Gutachten feststellt kann lediglich eine Materialuntersuchung mittels Infrarotspektroskopie nicht mehr durchgeführt werden. Diese Untersuchung dient aber nicht der Feststellung der Beweisbehauptung, sondern lediglich der Feststellung welcher spezifische Toner Verwendung fand. Zwar wurden verschiedene mikroskopische Untersuchungen durchgeführt, eine Mitteilung über die Druckqualität fehlt völlig.
Sven Lindemann, Thomas Herzog, Stephan Schrage
Undine Weyers, Olaf Franke, Axel Hoffmann