Bericht vom 43. Prozesstag (09.06.2009)
Neue Akten
Es werden nun doch Teile der Akten aus dem Ursprungsverfahren hinzugezogen, die zur Zeit bei dem Bundesgerichtshof liegen. Sie sollen kopiert und dann an die Anwälte gegeben werden.
Die Verteidigung beantragt eine Unterbrechung der Verhandlung, bis sie die Akten erhalten und durchgearbeitet haben. Die BAW beantragt dies als unbegründet zurückzuweisen, da alle relevanten Akten zur Verfügung stünden. Richter Hoch lehnt den Antrag ab. Dagegen beantragt RA Hoffmann einen Gerichtsbeschluss. Nach siebenminütiger Beratung wird die Anordnung des Vorsitzenden Richters Joseph Hoch bestätigt.
RA Lindemann fragt, warum sie diese Akten erst jetzt erhalten. Die Antwort des Richters Hoch lautete, weil es jetzt so entschieden wurde. Daraufhin fragte RA Lindemann nach welchen Kriterien sie jetzt diese Akten ausgesucht wurden, woraufhin Hoch antwortete, auch das wurde jetzt eben so entschieden.
RA Hoffmann sagte, dass er nicht, wie angekündigt eine Erklärung zur Vernehmung des Zeugen Kröger abgebe, da dieser noch zu wenige Fakten geliefert habe und alle Aussagen Krögers spekulativ seien.
Pause bis 10:00 Uhr.
Zeugenvernehmung
Nach der Pause wurde der Zeuge Damm weiter vernommen. Zu Anfang hatte der Richter Hoch noch ein paar Nachfragen an ihn.
So ging es um einen Anschlag auf eine Berliner Lidl-Filiale im Januar 2005 und die Reaktion darauf.
Zu einem Anschlag auf ein Berliner Finanzamt fragte er, wie das Bundeskriminalamt (BKA) darauf kam, dass dieser Anschlag "wie erwartet" von der mg dementiert wurde. Der Zeuge antwortete, dass nicht die typischen Umstände eines mg-Anschlags vorlagen, so wurde am Tatort eine gesprühte Parole mg gefunden, was unüblich sei.
Nun wurde die Befragung des Zeugen durch die Verteidigung fortgesetzt.
Es ging um eine schon öfter erwähnte Geburtstagsfeier in Österreich. Diese soll angeblich in Wirklichkeit ein radikal-Treffen gewesen sein, so das BKA. Die Verteidigung fragte, wo der Ursprungsvermerk in den Akten für dieses Treffen sei. Die BAW beanstandete diese Frage. Daraufhin fragte die Verteidigung ob denn etwa das BKA Ermittlungen ohne Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Damm sagte daraufhin nein, aber sie ermitteln doch auch allgemein.
Die nächste Frage, ob G. und T. an der Feier teilgenommen hätten, wurde wieder von der BAW beanstandet. Richter Hoch weist die Frage zurück. Dagegen beantragt RA Lindemann einen Gerichtsbeschluss. Der Senat bestätigt die Anordnung des Vorsitzenden. Daraufhin fragt die Verteidigung, wer denn an der Geburtstagsfeier teilgenommen hätte. Auch diese Frage wurde von der BAW beanstandet und von dem Vorsitzenden Richter Hoch zurückgewiesen. Dagegen beantragte der Verteidiger wiederum einen Gerichtsbeschluss.
Nach einer halbstündigen Pause, wurde die Bestätigung der Zurückweisung der Frage verkündet.
1999 bei der Durchsuchung einer Taxigenossenschaft in Kreuzberg wurden Fingerabdrücke des B. auf einem Papier gefunden, welches der radikal zugeordnet wurde. Außerdem hatte der noch Kontakt zu seinem Arbeitskollegen M. Bei M. wurden 2005 bei einer Durchsuchung einer Gartenlaube viele Exemplare einer Ausgabe der radikal gefunden. 2003 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen B. wegen Mitgliedschaft in der mg eingeleitet. Es wurde auch vermutet, dass es Überschneidungen zwischen radikal und mg gäbe.
Im Anschluss ging es um die Handakten des BKA.
Bei der Befragung zu den Unterschieden zwischen Handakte des BKA und Sachakte, gab der Zeuge an, dass diese nur dahingehend unterschiedlich seien, dass zum einen die schon berüchtigten 2 Vermerke in der Handakte enthalten wären und zum anderen aber nur Ermittlungen und deren Ergebnisse, die nicht weitergeführt hätten. So z.B. die Anfrage an die Landeszentralbibliothek, wer denn bestimmte Bücher ausgeliehen hätte, die in diesem Fall aber so von der ZLB nicht beantwortet wurde. Außerdem gibt es noch Verschlussakten. Diese enthalten Informationen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Wenn Informationen aus diesen in die Sachakte eingehen, wird dies gekennzeichnet. Dass Informationen aus den Verschlussakten in die Sachakten eingeflossen sind, die nicht gekennzeichnet sind, kann er nicht ausschließen. Des weiteren kann der Zeuge nicht ausschließen, dass noch mehr Informationen in der Handakte sind, welche nicht Teil der Sachakte sind,obwohl er alle ca. 15 Leitzordner durchgesehen hat. Die Begründung, warum der zweite Vermerk zur Urheberschaft eines Beitrages zur Militanzdebatte des BKA nicht inzwischen auch in der Sachakte ist, war, dass die BAW dies nicht angefordert hätte. Was von den Handakten in die Sachakte kommt, wird mit dem Generalbundesanwalt abgestimmt.
Was in den Verschlussakten steht, darf er nicht sagen, woran ihn auch Hoch auch noch mal erinnerte, aufgrund seiner Fürsorgepflicht, der Zeuge könne sich sogar strafbar machen ,wenn er den Inhalt verriete.
Es gab Texte bei denen offen blieb, ob sie von der mg seien oder nicht, bzw. gab es widersprüchliche Analysen dazu von Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und BKA.
Bestandteil eines Verfahrens sind Strukturverfahren, Personenverfahren und Anschlagsverfahren
2006 wurden die operativen Maßnahmen gegen drei Beschuldigte eingestellt, der Anfangsverdacht konnte laut Zeuge nicht völlig von der Hand gewiesen werden.
Nach einer Veröffentlichung im Focus 2003, in welcher angeblich laut einer Quelle aus dem BKA drei Beschuldigte genannt wurden, gab es eine Gegendarstellung. Diese wurde durch die Aktionszelle Pierre Overney kritisiert. Daraus schloss das BKA, dass eine Mitgliedschaft in der mg trotzdem nicht auszuschließen sei. Allerdings musste der Zeuge einräumen, dass sowohl die These der Mitgliedschaft in der mg als auch die Gegenthese, spekulativ seien.
Nach der Mittagspause wurde der Zeuge von der RAin Weyers noch mal zum Fund in der Gartenlaube befragt. Nach dem Fund in der Gartenlaube wurde auch die Wohnung des Beschuldigten durchsucht, wobei angeblich ein Text gefunden wurde, den das BfV der mg zuordnet.
Nun wollte die RAin wissen, wie es zur Zusammenstellung der Lichtbildmappe kam. Die BAW beanstandete diese Frage. Der Zeuge wusste laut Aussage nicht, wie einzelne Bilder von später Beschuldigten in die Lichtbildmappe gelangt waren. Des weiteren sagte er aus, dass der Name eines weiteren später Beschuldigten ihm zum ersten Mal in Dokumenten auf dem PC aus der Wohnung des Durchsuchten vorgekommen ist.
Der Zeuge sollte nun entlassen werden. RA Hoffmann widersprach dem. Das Gericht entlässt ihn nach Beratung trotzdem mit Dank, aber unvereidigt.
Am nächsten Prozesstag soll ein Zeuge vom BfV unter dem Decknamen Guido Eggebrecht vernommen werden. Hoffmann beantragt ,dass die Aussagegenehmigung erweitert wird, um die Befragung des Zeugen besser zu ermöglichen. Gegebenenfalls sei eine Sperrerklärung zu erwirken.
14:20 Uhr, Richter Hoch unterbricht die Verhandlung bis morgen früh um 09:00 Uhr.