Bericht vom zwölften Prozesstag (13.11.2008)
Zum zwölften Prozesstag waren ursprünglich zwei ZeugInnen geladen. Da es jedoch ein sehr lebhafter Tag werden sollte, konnte nur der KOK Heim vom BKA, ST 14 vernommen werden, die Zeugin EKHKin Baumert, BKA, ST 14 wurde wieder ausgeladen.
Die Verteidigung befragte den Zeugen nicht weiter zu dem Komplex der Vorbereitung des Zeugen auf die Verhandlung, sondern begann ihn zu von ihm verfassten Vermerken und Auswertungen von Telefongesprächen zu befragen. An die Vermerke konnte er sich nur "dunkel" erinnern. Die Vermerke zur von ihm betreuten Observation wurden unmittelbar nach dem telefonischen Kontakt mit den Observationskräften verfasst, ohne den schriftlichen Bericht abzuwarten. Des Weiteren konnte er sich erinnern, dass die vorgelegten Fotos zur Identifizierung des Angeklagten aus seinem Antrag zum Personalausweis stammten.
Der Vorsitzende Richter Hoch rügte einen Vorhalt des Verteidigers Lindemann als unzulässig, woraufhin er aufgrund des sich entspannenden Disputes eine Beruhigungspause von fünf Minuten anordnete.
Nach der Pause ging es um die Auswertung von Überwachungsvideos, welche dem BKA vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zur Verfügung gestellt wurden. Unklar blieb, ob sie auf Anforderung des BKA überstellt wurden, oder ob das BfV die Bänder selbsttätig zur Verfügung gestellt hat. Allerdings konnte er keine genauen Angaben zu der Menge der vorhandenen oder von ihm ausgewerteten Bänder noch zu der Menge der überwachten Objekte machen.
Anschließend ging es um die Teilnahme des Zeugen an verschiedenen Durchsuchungen am 31.07.2007. Der Zeuge meinte, dass Aussagen zu diesen Durchsuchungen von seiner Aussagegenehmigung nicht gedeckt seien. Die Durchsuchung stehe seiner Meinung nach nicht in den Akten, weshalb er die Verteidigung bat, ihm entsprechende Stellen vorzulesen, was die Verteidigung verweigerte, da sie sich neue Informationen vom Zeugen erhoffte, nicht nur eine Bestätigung dessen, was schon in den Akten steht. Deswegen bat die Verteidigung um eine kurze Pause, in der der Zeuge seinen Vorgesetzten anrufen sollte, um zu klären, ob er diese Frage nicht doch zu beantworten habe. Dies wurde vom Vorsitzenden Richter Hoch zurückgewiesen, da er diese Frage für "nicht sinnvoll" hielt. Letztendlich führte die Auseinandersetzung dazu, dass Rechtsanwalt Lindemann eine dreißigminütige Pause beantragte, um einen Antrag zu formulieren, was vom Vorsitzenden Richter Hoch auch abgelehnt wurde. Daraufhin forderte die Verteidigung eine einstündige Pause, um einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden zu formulieren. Dies veranlasste den Staatsanwalt Weingarten zu dem Vorwurf, die VerteidigerInnen würden die Angeklagten manipulieren. Diese Unterstellung wurde von der Verteidigung empört zurückgewiesen.
Nach dieser Pause trug RA Lindemann den Befangenheitsantrag und dessen Begründung vor. Diesem schlossen sich die anderen Verteidiger im Namen ihrer Mandanten an. Die Bundesanwaltschaft tat ihre Meinung dazu kund und sagte, dass sie langsam genug hätte von dem "mimosenhaften Verhalten" der VerteidigerInnen und wies den Vorwurf zurück, dass sie behauptet hätte, die VerteidigerInnen würden die Angeklagten manipulieren, dies sei lediglich eine Frage gewesen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.
Da sich der Zeuge Heim weiterhin weigerte, sich zu den Durchsuchungen zu äußern, bat die Verteidigerin Weyers, den Vorsitzenden Hoch, dem Zeugen zu bestätigen, dass dies Aktenbestandteil sei. Er lehnte dies ab. Die Bitte von Verteidiger Lindemann, die Weigerung des Zeugen zu protokollieren lehnte der Richter ab und forderte einen schriftlichen Antrag zur Protokollierung, wofür die Sitzung für dreißig Minuten unterbrochen wurde.
Fortgesetzt wurde die Verhandlung mit der Verlesung des Antrags. Nun ergriff die Staatsanwältin das Wort und gab bekannt, dass sie in der Pause dahingehend auf den Zeugen eingewirkt habe, dass er seinen Vorgesetzten angerufen hat. Dieser Anruf hatte zum Ergebnis, dass laut Aussage des Zeugen Heim, seine Aussagegenehmigung erweitert wurde. Nun war er auch bereit, Aussagen zu den besagten Durchsuchungen zu machen. Daraufhin wurde der Antrag auf Protokollierung verworfen.
Vor dem Gerichtsgebäude begann die Kundgebung zur "antimilitaristischen Tatortinspektion" mit dem Abspielen der Titelmelodie des "Tatort". Im Gerichtssaal war diese laut zu hören, woraufhin der Staatsanwalt anmerkte, dass es sich um eine Störung aus dem Publikum handele. RA Lindemann warf ein, dass es sich um eine vom Grundgesetz geschützte Kundgebung handele. Der Staatsanwalt merkte nun, dass die Musik von der Straße kommt und zog seine Anmerkung zurück.
Die Befragung zu den Durchsuchungen konnte nun beginnen. Der Zeuge war nun bereit Aussagen zu seinen zwei Durchsuchungen bei einem Beschuldigten zu machen, bei dem bei einer früheren Durchsuchung einmal einige hundert Exemplare der Zeitschrift "Radikal" gefunden wurden. Er war jedoch nicht fähig auszusagen, ob dies im Vorfeld der folgenden Durchsuchung eine Rolle gespielt hätte.
Der Vorsitzende Richter fand, dass die antimilitaristische Kundgebung doch die Konzentration erheblich erschwere, woraufhin er die Vorziehung der Mittagspause anordnete.
Die ursprünglich für 13:30 Uhr angesetzte Fortsetzung der Verhandlung verspätete sich aufgrund organisatorischer Mängel auf Seiten der Justizbehörde. Den ZuschauerInnen wurde an der Pforte mitgeteilt, dass der Prozess erst um 14:30 Uhr fortgeführt werden würde. Trotz Versicherung selbiger, dass 13:30 Uhr geplant war, gab es bis 13:30 Uhr keinen Einlass, es wurde sogar noch ein Zettel aufgehängt, dass es erst um 14:30 Uhr weitergehen würde. Nachdem die ZuschauerInnen wieder im Saal waren, wies die Verteidigung darauf hin, dass die Öffentlichkeit behindert wurde, da sie zu spät eingelassen wurde. Bei der Bestätigung dieses Sachverhaltes aus dem Publikum, fragte der Vorsitzende Richter nach den Personalien eines Zuschauers, um dies bei eventuellen Nachfragen zu bestätigen. Hier fiel der Verteidigung auf, dass die BKA-BeobachterInnen bei der Namensnennung sofort mitgeschrieben hatten. In einer zehnminütigen Unterbrechung, wurde der Sachverhalt überprüft und in den Augen des Richters bestätigt. Um die Anwesenheit der Öffentlichkeit sicherzustellen, ordnete der Vorsitzende Richter an, dass bis 14:30 Uhr pausiert wird und danach die Befragung des Zeugen, welche unter eingeschränkter Öffentlichkeit stattfand, wiederholt wird.
Nach der Wiedereröffnung der Verhandlung, wiesen die VerteidigerInnen auf die mögliche Einschüchterung der Öffentlichkeit durch das Protokollieren von Personalien von ZuschauerInnen hin. Sie baten darum, dass der Richter Hoch die Mitschrift der BKA-BeamtInnen in Augenschein nehme und die Sonderrechte für diese Beamten aufhebt. Dies lehnte der Vorsitzende Richter Hoch ab. Solange Zuschauer anwesend seien, sehe er keine Beschränkung der Öffentlichkeit.
Die BAW wandte ein, dass die Verteidiger nicht feststellen könnten, ob der Name nun wirklich mitprotokolliert worden sei; auch seien die Staatsanwälte immer noch die ermittelnden Beamten, Sicherheitsrelevantes würden immer noch sie mitprotokollieren, dazu bräuchten sie keine BKA ProtokollantInnen.
Da der anwesende Zeuge Heim auch bei staatsanwältlichen ZeugInnenvernehmungen beteiligt war, wurde er zu dort nachgefragten Spitznamen befragt, die nicht in den Akten auftauchen. Er wusste nicht, wo diese herkamen.
In dem letzten Komplex zu dem er befragt wurde, ging es um den Angriff auf einen "hochwertigen PKW", und ob dies für die mg typisch sei. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass die mg ein Papier verfasst habe, in dem sie zur Frage der Wahllosigkeit oder der Halterbezogenheit Stellung genommen habe, meinte jedoch, dass die mg eher halterbezogene Anschläge gemacht habe. Auf Nachfrage gab er an, dass sich an der Gerichtsverwertbarkeit, sowie seiner Entscheidung zu Nichtaussage über Akten vom BfV nichts geändert habe (siehe siebenter Prozesstag, 29.10.08).
Auf die Nachfrage, ob weiter gegen die Angeklagten ermittelt wird, gab er an, dies bis auf bei Axel H. nicht zu wissen. Bei diesem gäbe es noch Vermerke zu Asservaten, welche noch ausstünden.
Zuletzt wurde er zur Art und Weise der Verschriftlichung von abgehörten Gesprächen befragt. Private Gespräche würden nicht verschriftlicht, dies liege jedoch im Ermessen der jeweiligen auswertenden Person.
Nach der Entlassung des Zeugen wurden diverse Schriftstücke und auszugsweise protokollierte Telefonate im Selbstleseverfahren eingeführt. Darunter befanden sich unter Anderem Diskussionsbeiträge der mg aus der Zeitschrift "Interim" sowie der Inhalt von E-Mail-Postfächern. Gegen das Selbstleseverfahren legte die Verteidigung umgehend Widerspruch ein. Die Telefonate seien nur auszugsweise und zum Teil mit Wertungen protokolliert worden, sodass die Aufzeichnungen stattdessen in der Verhandlung angehört werden müssten.Nach kurzer Beratung über den Widerspruch, wurde die Anordnung, diese im Selbstleseverfahren einzuführen vom Senat bestätigt. Das schließe jedoch nicht aus, dass die Aufzeichnungen zu einem späteren Zeitpunkt angehört werden könnten. Der Vorsitzende Richter unterbricht die Verhandlung bis zum 10.12.2008, 9:00 Uhr.
Nächster Prozesstermin am 10.12.2008, 9 Uhr.