Bericht vom fünften Prozesstag (15.10.08)
Zu Beginn des fünften Prozesstages verkündete der Vorsitzende Richter Hoch, dass die beiden Befangenheitsanträge vom dritten Prozesstag gegen ihn und den Senat verworfen wurden. Im Anschluss daran wurden die Beschlüsse des ersten Strafsenats zur Ablehnung der Anträge, auf Wunsch der Verteidigung, verlesen.
Zu dem Antrag gegen den Vorsitzenden Richter Hoch führte der erste Strafsenat aus, dass die Verteidigung nicht glaubhaft gemacht hätte, dass elf Beamte im Saal anwesend gewesen seien und es außerdem aktenkundig sei, wie viele Beamte jeweils anwesend sind. Es sei auch nicht zu erkennen, dass der Vorsitzende Richter die Zuschauer durch die Sicherheitsmaßnahmen einschüchtern oder gar die Öffentlichkeit einschränken wolle. Der Antrag wurde somit als unbegründet abgelehnt, des weiteren sei keine Willkür des Vorsitzenden zu erkennen.
In der Ablehnungsbegründung zum Antrag gegen den Senat wurde darauf hingewiesen, dass die momentan beschlossene Sitzordnung der ZeugInnen (dritter Prozesstag) den Anforderungen, allen Verfahrensbeteiligten gleichermaßen zu ermöglichen alle wichtigen Informationen bei der ZeugInnenvernehmung aufzunehmen (wie Mimik und Gestik), nicht gerecht wird. Dies sei allerdings ein wichtiger Bestandteil der Wahrheitsfindung und Prüfung der Glaubwürdigkeit von ZeugInnen, so der erste Strafsenat. Damit schließt sich der erste Strafsenat inhaltlich den Anträgen der Verteidigung an und führt weiter wie diese aus, dass eine andere Zeugenplatzierung auch schon in früheren Verfahren mit vielen Verfahrensbeteiligten praktiziert wurde. Allerdings wurde auch dieser Antrag als unbegründet abgelehnt und trotz der rechtlichen Bedenken gegen die Sitzordnung, entbehre diese nicht jeglicher rechtlicher Grundlage. Somit hätte der Senat nicht völlig abwegig entschieden und damit sei die Besorgnis, die Richter des Senats könnten den Angeklagten nicht mehr unvoreingenommen gegenüber sein, nicht gerechtfertigt.
Im Anschluss daran stellte RA Lindemann fest, dass sich immer noch mehr als sechs PolizeibeamtInnen im Saal befinden und stellte daraufhin den Antrag, dass bei jeder Sitzung und nach jeder Pause festzustellen sei, wie viele BeamtInnen sich nun im Saal aufhalten würden. Darüber hinaus wurde von ihm der Antrag gestellt, dass die BeamtInnen des BKA, welche als "ZuschauerInnen" im Pressebereich sitzen, auch im Zuschauerbereich Platz nehmen sollten und sich ebenfalls, wie die anderen ZuschauerInnen auch, den Sicherheitskontrollen bei Portal 5 zu unterziehen hätten. Beide Anträge wurden von dem Vorsitzenden Richter Hoch abgelehnt. Dagegen beantragte der RA Lindemann jeweils einen Gerichtsbeschluss. Der Richter Hoch antwortete, dass er ja einsehe, dass RA Lindemann offensichtlich die Sicherheitsverfügung nicht verstehe, oder nicht verstehen kann und ordnete eine Pause von 15 min. für den Gerichtsbeschluss an.
Nach der Pause verkündete der Richter Hoch die Ablehnung der Anträge, da diese unzulässig seien. Schließlich läge die Sicherheitsverfügung im Ermessen des Vorsitzenden Richters. Daraufhin stellte die RA Weyers die Frage, ob es in Ordnung sei, wie die anwesenden Beamten ausgerüstet seien, schließlich seien sie angehalten die Waffen verdeckt zu tragen und da die anwesenden BereitschaftsbeamtInnen die Waffen offen im Holster tragen, könne sie diese sehen. Dem schloss sich RA Lindemann an, auch er könne die Waffen sehen. Der Vorsitzende Richter Hoch antwortete, er könne sie nicht sehen. RA Lindemann merkte daraufhin an, dass aber das offene Tragen von Waffen ein Widerspruch zur Sicherheitsverfügung sei und sich der Richter damit über seine eigene Sicherheitsverfügung hinwegsetzen würde. Der Vorsitzende Richter Hoch äußerte dahingegen, dass er sich gar nicht im Widerspruch zu der Sicherheitsverfügung befinden könne, da sie ja in seinem eigenen Ermessen liege. Das prompte Gelächter aus dem Publikum nahm der Vorsitzende Richter zum Anlass, zwei Zuhörerinnen nach vorne zu zitieren um sie zu ermahnen und ihnen ein Bußgeld anzudrohen. Doch auch dieser Einschub konnte die Auseinandersetzung nicht auflösen. RA Lindemann warf die Frage auf, warum es die Sicherheitsverfügung denn in schriftlicher Form gäbe, wenn sie sowieso dauernd geändert würde. Dies nahm der Staatsanwalt Weingarten zum Anlass, doch noch einmal aus der Sicherheitsverfügung zu zitieren. Danach sei es den Beamten gestattet, die Waffen verdeckt zu tragen, was so zu verstehen sein, dass sie sie ja auch offen tragen dürften. Auf diese Interpretation musste RA Lindemann herzhaft lachen und wurde deswegen von dem Vorsitzenden Richter Hoch ermahnt, es sei nicht gestattet, die Organe der Rechtspflege auszulachen und ordnete eine zehnminütige Pause zur Beruhigung an.
Nach der Pause wies RA Lindemann darauf hin, dass auch Staatsanwalt Weingarten in diesem Prozess die Verteidigung ausgelacht habe und er also mitnichten der erste sei, der dies tue. Des weiteren wollte er wissen, ob denn der Vorsitzende Richter Hoch die Interpretation von Staatsanwalt Weingarten teile. Der Vorsitzende Richter Hoch erklärte jedoch, dass er nun nicht mehr über die Sicherheitsverfügung reden werde und beantwortete dementsprechend nicht mehr die Nachfrage von RA Weyers, ob denn nun das Tragen von Waffen im Holster als verdeckt gelte.
Nun stellte RA Weyers den Antrag, dass die Sitzposition der zu vernehmenden Zeugin für die Verteidigung nicht angemessen sei und trägt dazu eine ausführliche Begründung (vgl. oben und dritter Prozesstag) vor. RA Hoffmann und der Verteidiger von Oliver R. schlossen sich dem an.
Der Verteidiger von Oliver R. spricht an, dass abgesprochen war, dass die Sitzung heute nur bis 14:30 Uhr dauern solle. Der Vorsitzende Richter Hoch sagt, dass er dies nicht definitiv zugesagt hätte. Der sich daraus entwickelnde Disput, wer nun was zugesagt hätte usw. endete mit einer fünfminütigen Pause, in welcher der Verteidiger dem Vorsitzenden Richter Hoch seine zwingenden persönlichen Gründe erläutern sollte, warum er um 14:30 Uhr gehen müsse.
Nach dieser Pause, erklärte der Vorsitzende Richter Hoch, dass wirklich zwingende persönliche Gründe vorlägen, weshalb er die Vernehmung der Zeugin KHKin Radermacher vom LKA Berlin auf morgen verschob. Die restliche Zeit nutzte Richter Hoch zur Einführung zweier Beweismittel. Dabei ging es zum einen um angebliche Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zum Angeklagten Axel H. Seine Zugehörigkeit zur gewaltbereiten, linksradikalen Szene und zum Gegeninformationsbüro wurde behauptet. Das zweite Beweismittel war ein Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz in welchem eine als im Allgemeinen zuverlässig und nachrichtenehlich eingestufte Quelle ( Spitzel? ) mehrere Personen benennt, darunter auch Axel H., Florian L. und Oliver R., die danach Mitglieder der militanten gruppe (mg) seien. Da es sich um eine formale Einführung der Beweismittel handelte, folgte keine weitere Erörterung.
Für den nächsten Verhandlungstag, der am Donnerstag den 16.10.08 um 9.00 Uhr beginnt, ist die Vernehmung von zwei ZeugInnen vorgesehen. Frau KHKin Alles (BKA), Polizeilicher Staatsschutz, und die für den heutigen Tag vorgesehene LKA Beamtin Frau KHKin Radermacher.