Das Urteil


KAMMERGERICHT

Im Namen des Volkes


In der Strafsache gegen

1. A
2. B
3. C

wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin aufgrund der Hauptverhandlung vom 25. September 2008 bis zum 16. Oktober 2009, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Kammergericht Hoch
als Vorsitzender,

Richter am Kammergericht Warnatsch,
Richterin am Kammergericht Grabbe,
Richter am Kammergericht Hanschke,
Richter am Landgericht Finkel
als beisitzende Richter,

Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. Diemer,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Weingarten,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof Greger
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt Lindemann,
Rechtsanwältin Weyers,
als Verteidiger des Angeklagten A,

Rechtsanwalt Herzog,
Rechtsanwalt Franke,
Rechtsanwalt Weidmann
als Verteidiger des Angeklagten B,

Rechtsanwalt Hoffmann,
Rechtsanwalt Schräge,
als Verteidiger des Angeklagten C,

Justizangestellte Sanders
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

in der Sitzung am 16. Oktober 2009 für  R e c h t  erkannt:

Die Angeklagten sind der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung und versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel schuldig.

Es werden verurteilt:

die Angeklagten B und C jeweils zu einer Freiheitsstrafe von

3 (drei) Jahren und 6 (sechs) Monaten,

der Angeklagte A zu einer Freiheitsstrafe von

3 (drei) Jahren.

Der Personenkraftwagen des Angeklagten C wird eingezogen.

Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewandte Vorschriften:
§129 Abs. 1,
§305a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2,
§306 Abs. 1 Nr. 4,
§§12 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 74 Abs. 1 StGB


Gründe:

[...]

II. Feststellungen zum Tatgeschehen

Die Angeklagten waren spätestens seit 2005 (C) bzw. 2006 (A und B) Mitglieder der gewalttätigen linksextremistischen Untergrundorganisation „militante gruppe (mg)” und unternahmen zur Umsetzung der Ideologie dieser Vereinigung in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007 in Brandenburg an der Havel einen versuchten Brandanschlag auf drei Lastkraftwagen der Bundeswehr.

Im Einzelnen hat die Hauptverhandlung zu folgenden Feststellungen geführt:

1. Entstehung, Ziele und Struktur der Vereinigung „militante gruppe (mg)”

Im Juni 2001 schlossen sich mehrere Personen aus dem linksextremistischen Spektrum, die nach eigenem Bekunden eine langjährige Erfahrung in „klandestinen”, also heimlichen, konspirativen Zusammenhängen hatten, unter der Bezeichnung „militante gruppe (mg)” zusammen.

Die militante gruppe (mg) war ein auf Dauer angelegter, eigenständiger organisatorischer Zusammenschluss im Spektrum linksextremistischer Gruppierungen. Ihre Mitglieder empfanden sich als ein einheitlicher Verband. Es handelte sich um mehrere Personen, deren Anzahl zu keinem Zeitpunkt während des Bestehens der Vereinigung unter einen Mindestbestand von drei Personen sank. Die Willensbildung geschah kollektiv in dem Sinne, dass die Mitglieder zur Ausformung eines Gruppenwillens einen weitgehenden Konsens aller Beteiligten anstrebten. Konnte ein solcher nicht hergestellt werden, hatte das einzelne Mitglied die Möglichkeit, eine mehrheitlich gewollte Aktion entweder zu tolerieren oder aber im Sinne eines Vetorechts zu verhindern. Die Beteiligten richteten ihre Aktivitäten, insbesondere Ihre Anschläge, an den ideologischen Vorgaben und der daraus entwickelten Strategie der Organisation aus und ordneten sich damit dem aus der internen Meinungsbildung entspringenden Gruppenwillen unter.

Das Endziel des Zusammenschlusses war darauf gerichtet, im Wege einer „Dialektik aus einem Sozialrevolutionären und antiimperialistischen Kampf” die gegenwärtigen politischen, verfassungsrechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu beseitigen und eine kommunistische Weltgesellschaft als klassenlose, ausbeutungs- und unterdrückungsfreie Gesellschaftsform zu schaffen.

Die militante gruppe (mg) erhob in der militanten linken Szene einen Führungsanspruch, war aber wegen ihrer orthodoxen Ausrichtung auf eine kommunistische Gesellschaft als „militärisches Endziel” umstritten. Durch zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem in der linksradikalen Untergrundzeitschrift „Interim”, versuchte sie, eine „Militanzdebatte” zwischen den verschiedenen autonomen Gruppen zu entfachen, bei der es um Sinn, Strategie und Taktik militanter Aktionen gegen die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung ging. Ziel der Militanzdebatte war es, über einen Gedankenaustausch zwischen den linksextremen Gruppierungen zu einer organisatorischen Vernetzung („militante Plattform”) zu gelangen, welche ein koordiniertes Vorgehen ermöglichen sollte. Die militante gruppe (mg) befürwortete die Anerkennung einer „militanten und bewaffneten Praxis” als Teil eines revolutionären Konzepts. Sie erklärte, dass militante Gruppen als „der aktionistische Arm von (legalen) Basisprozessen” zu begreifen seien, der „den Part der bewussten (strafrechtlichen) Grenzüberschreitung übernimmt” („Ein Debattenversuch der militanten gruppe (mg)” vom 23. November 2001, veröffentlicht in der „Interim” Nr. 539 vom 29. November 2001). Dabei zog sie nicht nur Sachbeschädigungen und Brandstiftungen, sondern auch Angriffe auf das Leben von Menschen in Betracht, indem sie verlangte, im Rahmen einer breiten Diskussion über die „Liquidation von EntscheidungsträgerInnen” nachzudenken. Die Diskussion über militante Politik dürfe nicht beim „ständigen Abfackeln von Autos” enden, vielmehr sei zu erwägen, die Angriffe auch auf „verantwortliche Subjekte” zu erstrecken. Bei der Wahl der Mittel, insbesondere „Waffen”, wolle sie sich keineswegs beschränken lassen und sehe perspektivisch auch Möglichkeiten jenseits von Schusswaffen. Die Zeit für personenbezogene Anschläge sah sie allerdings noch nicht gekommen.

Die Vereinigung wurde erstmals im Juni 2001 aktiv, als sie unter ihrem Namen „militante gruppe (mg)” im Zusammenhang mit der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter Drohbriefe mit scharfer Munition an den damaligen Regierungsbeauftragten Graf Lambsdorff und zwei Repräsentanten der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft versandte. Es folgten - vor dem zur Festnahme der Angeklagten führenden Angriff auf Bundeswehrfahrzeuge am 31. Juli 2007 - im Zeitraum vom 22. Juni 2001 bis 18. Mai 2007 fünfundzwanzig Brandanschläge, die sich hauptsächlich gegen staatliche Einrichtungen, aber auch Eigentum von Privatunternehmen und Privatpersonen richteten. Die Straftaten sollten in „klassenfeindlichen Kreisen” Verunsicherung erzeugen, in Sympathisantenkreisen hingegen Solidarität wecken und zu Nachahmungstaten provozieren. Dadurch sollte nach Vorstellung der militanten gruppe (mg) ein politisches und gesellschaftliches Klima entstehen, das zur Abschaffung der gegenwärtigen Verhältnisse und Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung führen sollte.

Die Vereinigung agierte seit der Gründung offen und kontinuierlich unter ihrem Namen „militante gruppe (mg)”. Sie entschied sich dabei ganz bewusst für die dauerhafte Verwendung ihrer Gruppenbezeichnung im Sinne eines „Markennamens”.

Seit Ende 2002 setzte sie unter ihre Texte die Standardparole

„Für eine militante Plattform - für einen revolutionären Aufbauprozess - für den Kommunismus”.

Zudem waren seit Mai 2004 bei allen ihren Schreiben Titel und Ende der Texte mit einem schwarzen Balken unterlegt und mit einem fünfzackigen Stern versehen.

2. Die Anschläge der militanten gruppe (mg) bis zum 18. Mai 2007

a) Das Profil der Anschläge

Die militante gruppe (mg) verübte ihre Anschläge ganz überwiegend im Großraum Berlin. Sie betrafen aus ihrer Sicht die Themenkreise „Sozialproblematik”, „Antiimperialismus” und „Repression”.

Die Ziele waren zumeist Gebäude oder Kraftfahrzeuge von Arbeits-, Sozial-, Ordnungs- und Finanzämtern, von Polizei-, Bundeswehr- oder Justizeinrichtungen sowie von Wirtschaftsunternehmen und -verbänden. Die „militanten Aktionen” ereigneten sich in der Regel zwischen 0:00 Uhr und 3:00 Uhr nachts. Der angerichtete Gesamtschaden betrug rund 820.000 Euro.

Die Vereinigung bekannte sich in Selbstbezichtigungsschreiben zu allen ihren Anschlägen und begründete sie eingehend. Die Bekennerschreiben waren in fast allen Fällen mit dem Begriff „Anschlagserklärung” überschrieben. Sie wurden ausnahmslos in der „Interim” veröffentlicht. In der Regel wurden die Bekennerschreiben auch an verschiedene Tageszeitungen versandt. Teilweise wurden sie am Tatort hinterlassen. Auch in weiteren Texten äußerte sich die militante gruppe (mg) zu ihren sowie zu Aktionen anderer militanter Zusammenhänge. Sie übte dabei vereinzelt Selbstkritik, so zum Brandanschlag auf den Rohbau eines LIDL-Supermarktes am 10. Januar 2005, bei dem ein Bauarbeiter gefährdet worden war. Den Anschlag einer anderen militanten Gruppierung kritisierte sie, weil sie das Anschlagsziel für ungeeignet hielt. Auch dementierte sie im Oktober 2006 gegenüber zwei Berliner Tageszeitungen, bestimmte Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge in Berlin verübt zu haben.

Sie begründete das damit, dass Angriffe auf „Luxuskarossen” bislang nicht Teil ihrer „militanten Interventionsformen” gewesen seien und dass sie generell Aktionen ablehne, bei denen durch „ungezieltes Agieren” Unbeteiligte oder deren Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen werden könnten.

b) Die Anschläge im Einzelnen

aa) Die Versendung von Drohbriefen und scharfer Munition im Juni 2001

Ihre erste Aktion führte die militante gruppe (mg) im Juni 2001 durch. Sie ließ am 14., 20. und 21. Juni 2001 dem damaligen Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, Graf Lambsdorff, und den damaligen Repräsentanten der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Gibowski und Gentz, gleichlautende Schreiben zugehen mit der Überschrift „Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich ...”. Die Erklärung war unterzeichnet mit „militante gruppe (mg), 12.6.01” und zeigte Fotos der drei Betroffenen mit den Untertiteln „Otto Graf Lambsdorff - erinnerungslos”, „Manfred Gentz - verantwortungslos”, „Wolfgang Gibowski - zukunftslos”. Scharf kritisiert wurde, dass die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter mit 10 Mrd. DM „abgespeist” werden sollten, gefordert wurde stattdessen eine Summe von 180 Mrd. DM. „Als Diskussionsanregung” war den Scheiben jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt.

In ihrer „Anschlagserklärung” vom 14. Juni 2001 bekannte sich die militante gruppe (mg) zu dieser Tat und begründete sie eingehend. Die Kugeln habe sie den Betroffenen „zukommen lassen, um damit unmißverständlich zu erklären, dass sie auch perspektivisch für ihre Handlungen und Ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden müssen”.

bb) Die Brandanschläge

(1) Wenige Tage nach der Drohbriefaktion im Zusammenhang mit der Zwangsarbeiterentschädigung verübten Mitglieder der militanten gruppe (mg) am 22. Juni 2001 um 3.10 Uhr einen Brandanschlag auf einen Mercedes Vito der DaimlerChrysler-Niederlassung in Berlin-Marienfelde, indem sie einen Brandsatz mit einem der Brandverzögerung dienenden sog. Becherzünder unter das Fahrzeug legten. Ein Augenzeuge, der den Brandsatz sah, versuchte zu löschen, was aber misslang. Das Fahrzeug brannte aus, der Sachschaden belief sich auf 30.678 Euro.

In ihrer Tatbekennung begründete die militante gruppe (mg) den Anschlag mit der Rüstungsproduktion und der Ausbeutung von Zwangsarbeitern in dem Marienfelder DaimlerChrysler-Werk während des zweiten Weltkriegs, der Rolle des Konzerns bei der Zwangsarbeiterentschädigung („zynischer Schlußstrich”) sowie einem geschichtlichen „Kontinuitätsstrang: (Mit-)Täterschaft an Raub und Mord in aller Welt; sei es im damaligen Burenregime in Südafrika, der früheren Militärdiktatur in Argentinien oder dem weltweiten Einsatz von Daimler-Kriegsprodukten wie im neuerlichen Feldzug gegen Jugoslawien”.

(2) Am 5. Februar 2002 gegen 4.20 Uhr versuchten Angehörige der militanten gruppe (mg), eine Seiteneingangstür des Bezirksamtes Berlin-Reinickendorf in Brand zu setzen. Durch die Hitzeeinwirkung zersprangen teilweise die Glasscheiben und der Metallrahmen wurde beschädigt. Das Feuer erlosch von selbst. Es entstand ein Sachschaden von ca. 2.000 Euro.

Die militante gruppe (mg) erklärte in ihrer Tatbekennung, dass dieser Angriff auf die arbeitstechnische Infrastruktur des Sozialamts Reinickendorf und den Stadtrat Frank Balzer wegen u.a. ihrer „systematischen klassistischen Kampagne gegen Sozialhilfeempfängerinnen” ziele. Ein Exemplar dieses Schreibens schickte die militante gruppe (mg) auch an den Stadtrat persönlich und fügte ihm „als die Personifizierung des alltäglichen Sozialamtsterrors... eine scharfe Patrone und ein handelsübliches Messer” bei.

(3) Der nächste Anschlag erfolgte am 29. April 2002 um 2.40 Uhr, als die militante gruppe (mg) ein Neufahrzeug PT Cruiser eines Chrysler-Vertragshändlers im brandenburgischen Großziethen in Brand setzte. Der Wagen brannte vollständig aus, zwei weitere Fahrzeuge wurden beschädigt. Der Sachschaden betrug ca. 35.000 Euro.

In der Tatbekennung, von der ein Exemplar am Tatort hinterlassen wurde, wurden als Begründung vor allem der Widerstand gegen den bevorstehenden Besuch des US-Präsidenten Bush und, soweit es die Auswahl des Anschlagsziels betraf, die Rolle des Konzerns DaimlerChrysler als Rüstungskonzern und seine Beteiligung an der „lächerlich geringen” Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter angegeben.

(4) In der Silvesternacht am 1. Januar 2003 um 2.51 Uhr legten Angehörige der militanten gruppe (mg) Feuer an den rückwärtig gelegenen Räumen des Finanzamtes Berlin-Neukölln. Ein Akten räum brannte aus. Der Sachschaden belief sich auf ca. 20.000 Euro.

Die militante gruppe (mg) begründete den Anschlag in ihrer Tatbekennung damit, dass es sich bei den Finanzämtern wegen deren Vorgehen gegen sog. Schwarzarbeit um „ein Exekutivorgan der Repression gegen die Armutsökonomie und ein Instrument der Migrationskontrolle” handele.

(5) In den Morgenstunden des 26. Februar 2003 vor 2.44 Uhr griffen Mitglieder der militanten gruppe (mg) auf dem Gelände des Mercedes-Benz-Vertragshändlers Weilbacher GmbH im brandenburgischen Petershagen-Eggersdorf mit Brandsätzen zwei Geländewagen der Bundeswehr an, die dort zur Instandsetzung abgestellt waren. Beide Fahrzeuge brannten aus. Eines der Fahrzeuge setzte sich aufgrund der Hitzeentwicklung selbständig in Bewegung, fuhr etwa 20 Meter über das Gelände und wurde erst auf der gegenüberliegenden Straßenseite durch die verhältnismäßig hohe Bordsteinkante und einen Zaun aufgehalten. Es wäre ansonsten in ein privates Wohnhaus gefahren. Der angerichtete Sachschaden betrug insgesamt 91.408 Euro.

In ihrer Tatbekennung ging die militante gruppe (mg) auf die Rolle der DaimlerChrysler AG als Rüstungskonzern und die Einsätze der Bundeswehr im Zusammenhang mit „imperialistischen Aggressionen in sogenannten Krisenregionen” ein. Mit dem Brandanschlag gegen Mercedes-Benz-Fahrzeuge wolle sie „gezielt gegen einen militärisch-industriellen Komplex des DaimlerChrysler Konzerns agieren, der im Sinne des Profits und aus unternehmenspolitischer Überzeugung zur Funktionsfähigkeit der deutschen Kriegsmaschinerie beiträgt”. Die „kriegsimperialistische Repression nach außen” korrespondiere mit der „sozialtechnokratischen nach innen”, wie z.B. der Arbeitsmarktregulierung und der „Aushebelung” der Gesundheitsversorgung. Die militante gruppe (mg) verwies in der Tatbekennung des Weiteren auf die Begründungszusammenhänge ihrer bisherigen Anschläge seit 2001. Die Gemeinsamkeit zwischen dem aktuellen Anschlag und demjenigen auf den Chrysler-Vertragshändler im April 2002 beschrieb sie dahingehend, dass beide „Kriegsmaterial und rüstungswichtige Konzernstrukturen zum Ziel hatten”. Abschließend beklagten die Autoren, dass der „erfolgreich verlaufene Anschlag” auf das Finanzamt Neukölln zu wenig Resonanz in der bürgerlichen Presse gefunden habe, weswegen man umso mehr darauf angewiesen sei, „eigene (klandestine) Medien zur erhalten und perspektivisch aus zubauen”.

(6) Am 18. September 2003 gegen 1.00 Uhr setzten Angehörige der militanten gruppe (mg) in Naumburg/Saale die Eingangstür des Oberlandesgerichts Naumburg und ein Dienstfahrzeug der Staatsanwaltschaft Halle in Brand. In dem Gebäude des Oberlandesgerichts wohnte der Hausmeister mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Die Eingangstür brannte bereits selbständig, konnte aber gelöscht werden. Der Opel Astra der Staatsanwaltschaft brannte aus. Der gesamte Sachschaden betrug ca. 35.000 Euro.

In der Tatbekennung begründete die militante gruppe (mg) den Brandanschlag mit „dem Angriff der Bundesanwaltschaft (BAW) gegen vermeintliche Angehörige klandestiner Gruppierungen in Magdeburg bzw. gegen den u.a. von uns initiierten Organisierungsprozeß”, wobei sie mit dem „Angriff” der Bundesanwaltschaft die Erhebung einer Anklage vor dem OLG Naumburg gegen mutmaßliche Mitglieder einer Gruppierung „Kommando Freilassung aller politischen Gefangenen” meinte. Die Autoren betonten, dass sie „den Brandsatz lediglich vor dem Eingangsbereich plaziert” hätten, da sich im linken Gebäudeflügel eine Hausmeisterwohnung befinde. Sie hätten daher darauf „verzichtet, innerhalb des Gebäudes (bspw. Aktenräume im Keller) zeitverzögert den Brandsatz zu zünden”. Dieses Vorgehen sei „Ausdruck einer revolutionären Ethik, die Unbeteiligte vor erdenklichen Negativfolgen zu bewahren und - wie in unserem Fall - eine nicht kontrollierbare Feuer- und Rauchentwicklung innerhalb des Verwaltungsobjektes auszuschließen hat”. Bei der Staatsanwaltschaft Halle hätten sie „das unmittelbar vor dem Gebäude stehende Dienstfahrzeug mit dem Ziel entflammt, dass sich die einsetzende Brandwirkung auf den nachts menschenleeren Trakt ausbreitet”. Im weiteren Verlauf der Tatbekennung führten sie aus, dass sie mit diesem Anschlag gegen einen „Sektor des Justizwesens” ihre „Sozialrevolutionäre und antiimperialistische Linie um das Feld der Antirepressionspolitik erweitert” habe. In der Tatbekennung sprach die militante gruppe (mg) erstmals eine „Widmung” ihrer „militanten Aktion” aus. Sie „widmete” die Tat allen Opfern des Militärputsches in Chile und stellvertretend dem „damaligen Generalsekretär des MIR (Bewegung der revolutionären Linken), Miguel Enriquez, der im Oktober 1974 vom faschistischen Pinochet-Regime ermordet wurde”.

(7) Der nächste Brandanschlag ereignete sich am 30. Oktober 2003 gegen 0.10 Uhr, als die militante gruppe (mg) einen Lastkraftwagen des Abfallentsorgungsunternehmens ALBA AG in Berlin-Reinickendorf angriff. Der Sachschaden belief sich auf ca. 20.000 Euro. In der Tatbekennung, von der ein Exemplar am Tatort hinterlassen wurde, nannte die militante gruppe (mg) als Begründung vor allem die „Entlassungs- und Ausbeutungspolitik” des angegriffenen Unternehmens.

(8) In der Silvesternacht 2003/2004 setzten Mitglieder der militanten gruppe (mg) in Berlin-Dahlem ein Büro des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Brand, indem sie einen Brandsatz mit einem Becherzünder durch das Fenster im Souterrain warfen. Einen weiteren Brandsatz, von dem noch ein Joghurtbecher, ein nach Benzin riechender Plastikbeutel sowie Plastikflaschenverschlüsse gefunden wurden, legten sie vor ein Fenster. Der Büroraum brannte vollständig aus, der Schaden belief sich auf ca. 40.000 Euro.

Der Anschlag wurde in der Tatbekennung der militanten gruppe (mg) damit begründet, dass das DIW und insbesondere dessen Leiter, Zimmermann, daran mitwirke, den Kapitalismus zu perfektionieren und den durch die sozialdemokratische Reformpolitik vorgenommenen”Generalangriff auf die unteren Klassensegmente in der BRD zu legitimieren”.

(9) Der nächste Anschlag der militanten gruppe (mg) richtete sich gegen die gemeinsame Anlaufstelle des Bezirksamtes Berlin-Pankow und des Arbeitsamtes Berlin-Nord in den frühen Morgenstunden des 30. März 2004. Die Täter warfen einen Molotow-Cocktail durch die Fensterscheibe eines Büroraums in dem Gebäude. Der durch den Brand verursachte Sachschaden betrug ca. 15.000 Euro.

In ihrer Tatbekennung bezeichnete die militante gruppe (mg) den Angriff als Beitrag für den Mobilisierungsprozess zu den „europäischen Aktionstagen gegen Sozialkahlschlag” im April 2004 sowie als „weiteren Schritt in Richtung des Aufbaus einer militanten Plattform im Rahmen eines Sozialrevolutionären und antiimperialistischen Organisierungsprozess der antagonistischen Linken”. Gewidmet war „diese militante Aktion dem ehemals wegen RAF-Mitgliedschaft eingeknasteten Genossen Rolf Pohle”, der im Februar 2004 verstorben war.

(10) Es folgte ein Angriff am 7. Mai 2004 gegen 3.00 Uhr auf den Fuhrpark der Deutschen Telekom AG in Berlin-Wedding, bei dem Angehörige der militanten gruppe (mg) mit zeitverzögerten Brandsätzen einen Opel Astra, einen Renault Kangoo und einen Mercedes Vito anzündeten. Die Fahrzeuge brannten vollständig aus, zwei daneben abgestellte Fahrzeuge wurden beschädigt. Der Sachschaden betrug insgesamt 49.415 Euro.

Der Anschlag wurde in der Tatbekennung der militanten gruppe (mg) als Fortsetzung der vorangegangenen „militanten Aktionen gegen die sozialtechnokratische Offensive von Staat und Kapital” bezeichnet und mit der Unterstützung der Deutschen Telekom für die Bundesagentur für Arbeit bei der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe (ALG II/„Hartz IV”) im Rahmen der sog. Hartz-Gesetze begründet.

(11) Am 23. September 2004 gegen 1.20 Uhr zündeten Mitglieder der militanten gruppe (mg) eine Gummifußmatte vor der Eingangstür zum Dienstgebäude der Abteilung Soziales des Bezirksamtes Berlin-Reinickendorf-an; die Tür brannte daraufhin selbständig, das Feuer konnte jedoch gelöscht werden. Außerdem setzten sie in derselben Nacht um 3.20 Uhr einen Müllcontainer in Brand, den sie an die Gebäudefassade des Sozialamtes Berlin-Tempelhof-Schöneberg geschoben hatten. Ein im Erdgeschoss gelegener Raum und die Fassade wurden durch den Brand stark beschädigt. Der Schaden an beiden Tatorten betrug insgesamt 53.400 Euro.

In ihrer Tatbekennung bezeichnete die militante gruppe (mg) beide „Aktionen” als Fortsetzung ihrer militanten Linie gegen Einrichtungen der Sozialtechnokratie und als Beitrag für die laufende Kampagne gegen „Hartz IV/ALG II”. Einem Exemplar der Tatbekennung, das sie an den Sozialstadtrat Krömer im Sozialamt Tempelhof-Schöneberg richtete und das wegen fehlerhafter Adressierung dort erst am 30. September 2004 einging, legte sie eine scharfe 9 mm-Patrone bei und bemerkte hierzu, dass es sich um eine „kleine Anerkennung” dafür handele, dass er sich rühme, „Hartz IV” de facto schon zu praktizieren.

(12) Den nächsten Brandanschlag verübte die Gruppe am 10. Januar 2005 gegen 2.25 Uhr. Mitglieder der militanten gruppe (mg) legten in einem Rohbau des Discounters LIDL in Berlin-Steglitz einen oder mehrere Brandsätze mit Becherzünder ab. Zu dieser Zeit befand sich ein Bauarbeiter in dem Gebäude, der im Dachstuhl Dämmmaterialien verlegte. Die Täter hätten auf die Anwesenheit eines Menschen schließen können, weil der Bauarbeiter Halogenscheinwerfer benutzte, die seinen Arbeitsbereich anstrahlten. Gleichwohl entzündeten sie den Brandsatz und verließen das Gebäude. Sie sprühten auf eine Außenmauer den Schriftzug: „Hungerlohn + Schikane = LIDL”, ein Hammer und Sichel-Symbol sowie die Parole „Für eine militante Plattform!” (Ausrufezeichen mit Stern). Als der Bauarbeiter einen Knall hörte und den Brand bemerkte, wollte er über die Holzleiter, auf der er hinaufgestiegen war, hinunterklettern. Das war jedoch nicht möglich, weil die Täter die Leiter weggestellt und in die Nähe des Brandsatzes geräumt hatten. Der Bauarbeiter stieg über ein Gerüst hinab und versuchte, das Feuer zu löschen, welches bereits auf die Leiter übergegriffen hatte. Das gelang ihm nicht. Er kletterte daher über das Gerüst wieder nach oben und alarmierte mit seinem Mobiltelefon, das er dort hatte liegen lassen, die Feuerwehr, die das Feuer löschte. Er konnte sich in Sicherheit bringen. Wären die Dämmmaterialien bereits in dem Bereich verlegt gewesen, unter dem der Brandsatz angezündet wurde, wären auch sie in Brand geraten; die Gefährdung des Bauarbeiters hätte sich dadurch noch weiter erhöht. Der angerichtete Sachschaden belief sich auf 24.100 Euro.

In ihrer Anschlagserklärung, in der sie sich dazu bekannte, den „fast abgeschlossenen Neubau” mit Brandsätzen angegriffen zu haben, und ihre Hoffnung zum Ausdruck brachte, „damit die Bausubstanz massiv getroffen zu haben, so dass an eine Filialeröffnung erst einmal nicht zu denken ist”, wandte sich die militante gruppe (mg) gegen die „Hungerlohnpolitik, Unterdrückung gewerkschaftlicher Organisierung und betriebsinterne Schikanierung gegen die Belegschaft” seitens des Discounters. Entsprechend ihrer marxistisch-leninistischen Ideologie widmete sie „diese militante Aktion” Clara Zetkin, „der Vorkämpferin der proletarischen und internationalistischen Frauenbewegung sowie kommunistischen Agitatorin gegen imperialistischen Krieg und staatliche Repression”.

Das Bundeskriminalamt (BKA) nahm diesen Anschlag, bei dem aus Sicht der Ermittlungsbehörden erstmals die konkrete Gefährdung eines Menschenlebens verursacht worden war, zum Anlass, zu der von der militanten gruppe (mg) initiierten Militanzdebatte unter Decknamen einen Beitrag in der „Interim” zu veröffentlichen. Es handelte sich um eine kriminaltaktische Maßnahme, die mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft vorgenommen wurde und darauf abzielte, Erkenntnisse über die Struktur und die personelle Zusammensetzung der militanten gruppe (mg) zu erlangen. Die Autoren des Beitrags waren die Zeugen KHK Nolte und KHK Kröger, die bereits seit mehreren Jahren die Publikationen der linksextremen Szene auswerteten. Der Beitrag wurde unter dem Pseudonym „Die zwei aus der Muppetshow” in der „Interim” Nr. 611 vom 10. Februar 2005 veröffentlicht und trug den Titel „Über die Waffe der Kritik und die Kritik der Waffen oder Quo Vadis mg?”. Die Zeugen KHK Nolte und KHK Kröger wollten die militante gruppe (mg) dazu veranlassen, auf die Homepage des BKA, die über den LIDL-Anschlag und die Gefährdung des Bauarbeiters informierte, zuzugreifen, um auf dem Wege der damals noch praktizierten Überwachung der BKA-Internetseite mögliche Mitglieder der Vereinigung identifizieren zu können. Des Weiteren bezweckten sie, die militante gruppe (mg) zu einer Stellungnahme wegen der Gefährdung des Bauarbeiters zu bewegen. Schließlich erhofften sie sich neue Ermittlungsansätze durch die Forderung, die militante gruppe (mg) möge sich zu ihrem Verhältnis zu der nach Einschätzung des BKA in der personellen Zusammensetzung teilidentischen „Militanten Antiimperialistischen Gruppe - Aktionszelle Pierre Overney” erklären. Der Beitrag setzte sich betont kritisch mit der militanten gruppe (mg) und deren Anschlägen auseinander und enthielt keine Provokationen zu einem gesteigerten militanten Vorgehen der militanten gruppe (mg) oder anderer linksextremer Gruppierungen.

Die Redaktion der „Interim” rügte in ihrem Vorwort zur Ausgabe Nr. 611 den „unsolidarischen” Tonfall des Beitrags „Über die Waffe der Kritik und die Kritik der Waffen oder Quo Vadis mg?”, forderte jedoch wegen der darin „aufgeworfenen Fragen” die militante gruppe (mg) auf, „Licht ins Dunkle zu bringen”. Die militante gruppe (mg) reagierte hierauf mit einer Stellungnahme vom 15. Februar 2005 {„Zum Interim-Vorwort der Nr 611 vom 10.2.2005 von der militanten gruppe (mg)”), die in der am 24. Februar 2005 erschienenen „Interim” Nr. 612 veröffentlicht wurde. Sie erklärte darin unter anderem, erst aus der Presse von der Anwesenheit des Bauarbeiters erfahren zu haben. Für den „hypothetischen” Fall, dass er sich tatsächlich dort aufgehalten habe, wolle sie sich bei ihm dafür „entschuldigen, dass wir durch unsere eigene Fahrlässigkeit eine persönliche Gefährdung verursacht haben”. Zu der angeblichen Teilidentität mit der „Militanten Antiimperialistischen Gruppe - Aktionszelle Pierre Overney” äußerte sie sich dahingehend, dass „die BKA-Kiste, dass wir und eine andere Gruppe mehr oder weniger eine Soße seien, der durchsichtige Versuch ist, verschiedene militante Aktionen von Gruppen, die offensichtlich über eine große inhaltliche Übereinstimmung verfügen, unter ein Dach zu packen”.

Das BKA versuchte auf dieselbe Weise noch einmal, die militante gruppe (mg) zu einer Reaktion zu veranlassen, um daraus Hinweise auf ihre Struktur und personelle Zusammensetzung zu erhalten. Der Beitrag trug den Titel „This is not a Militanzdebattenbeitrag!!!!!” und war wiederum von den Zeugen KHK Nolte und KHK Kröger, diesmal unter dem Decknamen „Einige Linke mit Geschichte - (elmg)”, verfasst. Er erschien in der „Interim” Nr. 639 vom 20. Juli 2006. Auch bei diesem Beitrag, der sich kritisch mit der militanten gruppe (mg) auseinandersetzte und keine Provokationen zu einem gesteigerten militanten Vorgehen enthielt, handelte es sich um eine mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft vorgenommene kriminaltaktische Maßnahme. Die militante gruppe (mg) reagierte hierauf nicht.

Abgesehen von der ersten Stellungnahme der militanten gruppe (mg) erreichte das BKA mit beiden Publikationen nichts, konnte insbesondere keine die Ermittlungen weiterführenden Erkenntnisse gewinnen.

(13) Am 29. April 2005 gegen 1.40 Uhr setzten Mitglieder der militanten gruppe (mg) mit Brandsätzen Dienstfahrzeuge des brandenburgischen Ministeriums für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz in Brand. Der Angriff galt eigentlich der Arbeitsagentur Potsdam und dem Ministerium für Arbeit und Soziales, die ihre Dienstfahrzeuge auf demselben Gelände abstellten. Bei zwei Fahrzeugen brannte der Motorraum aus, ein drittes wurde durch die Brandentwicklung beschädigt. Der Schaden belief sich auf ca. 25.000 Euro. In derselben Nacht gegen 3.05 Uhr griffen Angehörige der militanten gruppe (mg) auf dem etwa 35 km entfernt liegenden Polizeiabschnitt 13 in Berlin-Reinickendorf das dort abgestellte Privatfahrzeug eines Polizeibediensteten, einen alten Hyundai im Wert von 1.000 Euro, mit einem Brandsatz an. Der Motorraum brannte aus, der Wagen erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden.

Die militante gruppe (mg) bekannte sich in ihrer Anschlagserklärung zu beiden Brandanschlägen. Der Anschlag in Potsdam, der sich gegen die Arbeitsagentur Potsdam und das Ministerium für Arbeit und Soziales richten sollte, wurde als Fortsetzung der „Kampagne gegen den sozialtechnokratischen Klassenangriff von oben (‚Hartz IV’, ‚ALG II’)” bezeichnet, beide Anschläge zudem als „Beiträge zu den diesjährigen revolutionären 1. Mai Initiativen und Demonstrationen”. Die „militanten Aktionen” wurden dem Generaloberst der sowjetischen Roten Armee, Nikolai E. Bersarin, gewidmet.

(14) Am 9. November 2005 gegen 3.40 Uhr griff die militante gruppe (mg) erneut das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin-Dahlem an. Die Täter stellten an einem Anbau des DIW unter einem Fenster eine Mülltonne auf, hoben ein Kunststofffass darauf und zündeten es an. Das Fenster fing Feuer und die Hausfassade verrußte. Das Feuer konnte gelöscht werden. Außerdem legten sie etwa 30 Meter entfernt am Hauptgebäude einen zeitverzögerten Brandsatz an einem weiteren Fenster ab; die Scheiben der Doppelverglasung wurden durch den Brand zerstört. Die Hausfassade verrußte auch hier. Der Sachschaden belief sich insgesamt auf ca. 4.000 Euro.

In der Tatbekennung bezog sich die militante gruppe (mg) auf ihren ersten Angriff auf das DIW am Neujahrstag 2004 und wertete den wiederholten Angriff ironisch als „Belohnung” für „soviel Mut und Entschlossenheit” des DIW, das in einer Presseerklärung nach dem ersten Anschlag mitgeteilt hatte, sich nicht einschüchtern zu lassen. Die militante gruppe (mg) verstand diese Aktion gegen das DIW, eine „Denkfabrik des deutschen Kapitals”, als Beitrag zu den „beginnenden Vorbereitungen für die Mobilisierungen gegen den 2007 in Heiligendamm stattfindenden G S-Gipfel” sowie zu dem Kongress „Kapitalismus reloaded. Imperialismus. Empire und Hegemonie”. Sie stellte ihn „bewusst in den Kontext” von zwei gegen den G 8-Gipfel gerichteten „militanten Aktionen von Hamburger Genossinnen und dem Zusammenhang autonome gruppen/militant people (mp) aus Berlin”.

(15) Der nächste Brandanschlag erfolgte am 17. Februar 2006 gegen 2.40 Uhr auf ein Renault-Autohaus in Berlin-Reinickendorf, bei dem ein Lieferwagen Renault Traffic mit einem Brandsatz angezündet wurde, ein daneben stehender Lieferwagen beschädigt wurde und ein Sachschaden von 35.507 Euro entstand.

Die militante gruppe (mg) begründete in ihrer Tatbekennung den Anschlag mit ihrer Solidarität mit der „Stadtguerilla in Frankreich und den revolutionären Gefangenen aus der Action Directe” sowie dem Umstand, dass das Anschlagsziel Renault „im Gefüge des Militärisch-industriellen Komplexes Frankreichs ein nicht wegzudenkender Faktor” sei.

(16) Am 20. März 2006 gegen 2.59 Uhr steckten Angehörige der militanten gruppe (mg) mit Brandsätzen auf einem umzäunten Parkplatz vier Dienstfahrzeuge des Berliner Ordnungsamtes Treptow-Köpenick, drei neuwertige VW Polo und einen Pritschenwagen, an. Alle vier Fahrzeuge brannten aus, der Sachschaden betrug 50.020 Euro.

In ihrer Tatbekennung gab die militante gruppe (mg) als Grund an, dass das Ordnungsamt „im sozialen Alltag die staatliche ‚zero-tolerance (Null-Toleranz)’- Repression” verkörpere; außerdem stellte sie den Anschlag „in den Rahmen der Aktivitäten zum 18. März, dem internationalen Kampftag der revolutionären Gefangenen und gegen staatliche Repression”, wobei sie sich auch „ausdrücklich auf die seit einigen Monaten grassierende Verfolgung antifaschistischer Aktivitäten durch den Staatsschutz in Berlin und Brandenburg” bezog.

(17) Der nächste Brandanschlag der militanten gruppe (mg) richtete sich gegen das Polizeipräsidium in Berlin-Tempelhof. Die Täter stellten am 9. April 2006 gegen 3.25 Uhr an der Tür eines Seiteneingangs des Gebäudes zwei Kunststoffgetränkekästen ab, in denen sich mehrere Plastikflaschen mit Brandbeschleunigern befanden, und entzündeten damit die massive Holztür, die selbständig brannte. Zur Tatzeit hielten sich mehrere Menschen in dem Gebäude auf. Das Feuer konnte gelöscht werden. Personen wurden nicht geschädigt. Der Sachschaden betrug 15.991 Euro.

In ihrer Tatbekennung wandte sich die militante gruppe (mg) gegen das „Trauerspektakel” um den Tod des im Dienst erschossenen Polizisten Uwe Liescheid, der „am 17. März 2006 bei einer Fahndungsmaßnahme während einer bewaffneten Konfrontation den Kürzeren bzw. zu langsam gezogen” hatte. Stattdessen rief sie auf zu einem Gedenken an alle „Freundinnen und Genossinnen, die Opfer von staatlicher Repression und/oder der rassistischen Flüchtlingspolitik wurden”, darunter auch Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe. Am Ende der Anschlagserklärung fügten die Autoren eine als „Arbeitsnachweise der militanten gruppe (mg) (2001-2006)” bezeichnete Aufstellung bei, in der alle vorstehend festgestellten sechzehn Brandanschläge der Vereinigung aufgezählt waren.

(18) In der Nacht zum 5. Mai 2006 gegen 3.35 Uhr zündeten Angehörige der militanten gruppe (mg) zwei Dienstfahrzeuge der Berliner Polizei, einen VW Touran und einen Mercedes Sprinter, auf einem von Büschen umgebenen Parkplatz des Polizeiabschnitts 47 in Berlin-Lichtenrade an. Beide Fahrzeuge wurden vollständig zerstört, der Sachschaden belief sich auf 57.635 Euro.

In ihrer in einem sarkastischen Tonfall gehaltenen Tatbekennung, von der sie zwei Exemplare am Tatort hinterließ, teilte die militante gruppe (mg) mit, dass sie in einer „ausgesprochenen Geberlaune” sei, denn „unser Fünfjähriges steht vor der Tür”. Sie knüpfte an die drei vorangegangenen „feurigen Präsente” an und erklärte, dass sie mit diesem Brandanschlag nun „nachlegt”. Der „kleine militante Eingriff” gelte dem „leidenschaftlichen Einsatz” der Berliner Polizei „beim diesjährigen 1. Mai”, bei dem diese immerhin einen „Punktsieg gelandet” habe.

(19) Am 24. Mai 2006 gegen 2.27 Uhr verübten Mitglieder der militanten gruppe (mg) einen Brandanschlag gegen das Sozialgericht Berlin in Berlin-Moabit. An einem Fenster zur Bibliothek schlugen sie das äußere Glas eines Doppelfensters ein und legten einen Brandsatz mit einem Becherzünder ab, einen weiteren legten sie vor einer daneben liegenden Bibliothekstür ab. Das Feuer griff nicht in das Innere des Gebäudes über, obwohl schon Flammen aus dem Fenster herausschlugen und auch die Tür selbständig brannte. Die Fassade verrußte. Der Sachschaden betrug ca. 31.000 Euro.

Die militante gruppe (mg) bezeichnete in ihrer Anschlagserklärung diesen Anschlag als Fortsetzung ihrer „Angriffe gegen Einrichtungen der Sozialtechnokratie” und als eine „unmissverständliche Warnung an jene Richterinnen der Sozialgerichte, die für die Verkündigung antiproletarischer Urteile verantwortlich sind”.

(20) Ziel des nächsten Anschlags war die Bundespolizei. Am 4. September 2006 gegen 2.4 1 Uhr zündeten Mitglieder der militanten gruppe (mg) am Bahnhof Berlin-Lichtenberg mit Brandsätzen zwei Einsatzfahrzeuge, einen Mercedes Vito und einen VW-Bus, an, die beide ausbrannten. Der Sachschaden betrug 45.907 Euro.

Anlass für die Tat war nach der Tatbekennung der militanten gruppe (mg) die Verfolgung eines Schleuserfahrzeugs durch die Bundespolizei am 2. August 2006 im brandenburgischen Königs Wusterhausen, bei der sechs Menschen zu Tode kamen. Begründet wurde der Anschlag vor allem mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.

(21) Am 11. September 2006 gegen 2.45 Uhr setzten Angehörige der militanten gruppe (mg) mit zeitverzögerten Brandsätzen auf einem umzäunten Parkplatz in Berlin-Reinickendorf Fahrzeuge des Ordnungsamtes Berlin-Reinickendorf, einen Peugeot Van und einen VW Polo, in Brand. Das Feuer wurde so heiß, dass sich der Asphalt löste, ein Baum verbrannte und weitere Fahrzeuge beschädigt wurden. Der Sachschaden belief sich auf 49.180 Euro.

In ihrer Tatbekennung, in der sie sich unter anderem auf den Anschlag auf das Ordnungsamt Berlin-Treptow-Köpenick vom 20. März 2006 bezog, begründete die militante gruppe (mg) das „In-Schutt-und-Asche-Legen” der Fahrzeuge mit der „ausgeprägten Vorliebe für deutsche Ordnung & Sicherheit” der „Reinickendorfer Lokalverwaltung”, darunter des Sozialstadtrats Balzer.

(22) Am 20. Dezember 2006 gegen 3.05 Uhr verübten Mitglieder der militanten gruppe (mg) einen Brandanschlag auf das Wohn- und Praxisgebäude des Arztes Dipl. med. Blodau in Dessau, der in der linken Szene für den Tod des am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommenen Oury Jalloh mitverantwortlich gemacht wurde, indem sie an die auf dem Grundstück befindlichen Doppelgaragen zwei Brandsätze legten. Die Täter sprühten auf die Gebäudefassade die Parole „BLODAU/Mörder von Ouri Jalloh RASSISTEN Angreifen!” sowie die Symbole Hammer und Sichel und einen fünfzackigen Stern. Das Feuer konnte von dem Arzt und seinem Sohn gelöscht werden. Der Sachschaden belief sich auf 8.623 Euro. In derselben Nacht sprühten Angehörige der militanten gruppe (mg) in dem 38 km entfernten Ort Thalheim auf ein Mehrfamilienhaus, in dem der Dienststellenleiter des Polizeireviers Dessau, Schubert, wohnte, die Parole „Andreas Schubert - Mörder und Rassist! NO PASARAN!”. Der für die Reinigung der Fassade aufzuwendende Betrag belief sich auf 150 Euro.

In ihrer Tatbekennung begründete die militante gruppe (mg) beide Anschläge mit der angeblichen Verantwortlichkeit der Angegriffenen für den „rassistischen Mord” und mit dessen unzureichender Aufarbeitung durch die Justiz.

(23) Der nächste Brandanschlag ereignete sich am 15. Januar 2007, als die militante gruppe (mg) am Bahnhof Oranienburg nördlich von Berlin gegen 0.25 Uhr zwei Einsatzfahrzeuge der Bundespolizei mit Brandsätzen zerstörte, wodurch ein Sachschaden in Höhe von 17.500 Euro entstand.

Die militante gruppe (mg) knüpfte in ihrer Tatbekennung auf ihren Anschlag gegen die Bundespolizei am 4. September 2006 in Berlin-Lichtenberg an und benannte als einen wesentlichen Grund für den erneuten Angriff die „Migrationskontrolle an den EU-Außengrenzen und im Inland” sowie die „Verfolgungs- und Abschiebemaschinerie” der Bundespolizei. Zugleich betrachteten die Autoren den Anschlag als „Unterstützung” der „im Entstehen begriffenen militanten Kampagne” gegen den bevorstehenden G 8-Gipfel in Heiligendamm.

(24) Am 16. März 2007 gegen 2.15 Uhr attackierten Angehörige der militanten gruppe (mg) einen Bürokomplex in Berlin-Mitte, in dem der Verband Türkischer Industrieller und Unternehmer (TÜSIAD) und die italienische Handelskammer ihren Sitz hatten. Sie setzten mit einem Brandsatz den Eingangsbereich des siebengeschossigen Gebäudes in Brand, bewarfen die Fassade mit Farbeiern und besprühten sie mit der Parole „Freiheit für DHKC-, BR/PCC-Gefangene TÜSIAD und ital. HK Angreifen”. Der angerichtete Sachschaden belief sich auf 15.014 Euro.

In ihrer Tatbekennung nahm die militante gruppe (mg) Bezug auf den 18. März, „den internationalen Kampftag für alle revolutionären politischen Gefangenen und Verfolgten”. Sie gedachte insbesondere der „gefallenen Genossinnen” aus „verschiedenen revolutionären Organisationen und Solidaritätskomitees (DHKP-C, MKP, TKEP-L, Tayad u.a) in der Türkei/Nordkurdistan” und übersandte den „italienischen Genossinnen ein internationalistisches Solidaritätssignal”, darunter auch den „gefangenen Genossinnen aus den Roten Brigaden/Aufbau für die Kämpfende Kommunistische Partei (BR/PCC)”.

(25) In der Nacht zum 18. Mai 2007 gegen 3.05 Uhr griffen Mitglieder der militanten gruppe (mg) mit Brandsätzen zwei Einsatzfahrzeuge des Abschnitts 23 der Berliner Polizei in Berlin-Spandau an. Beide Fahrzeuge, ein Mercedes Sprinter und ein Renault Master, brannten aus, der Sachschaden betrug 51.250 Euro.

Die militante gruppe (mg) begründete in ihrer Tatbekennung diesen Anschlag, bei der sie die Einsatzfahrzeuge dank ihres „bewährten Brandsatzmodells zum Abtransport in die Schrottpresse bereitgestellt” habe, mit den Durchsuchungsmaßnahmen der Bundesanwaltschaft vom 9. Mai 2007 unter anderem gegen vermeintliche Angehörige der militanten gruppe (mg) und gegen „linke Strukturen” im Zusammenhang mit dem bevorstehenden G 8-Gipfel in Heiligendamm.

3. Die Mitgliedschaft der Angeklagten in der militanten gruppe (mg)

Die miteinander befreundeten Angeklagten A, B und C befürworteten die kommunistische Ideologie und die „Sozialrevolutionären, antiimperialistischen” Aktivitäten der militanten gruppe (mg) und schlössen sich ihr daher zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt als Mitglieder an.

Der Angeklagte C trat der Vereinigung spätestens im Verlauf des Jahres 2005 bei. Um deren Ziele zu fördern, spähte er am 28. September 2005 das Autohaus Weilbacher GmbH in Petershagen-Eggersdorf und die DaimlerChrysler-Niederlassung in Strausberg aus, indem er an diesem Tag mit seiner Digitalkamera der Marke Kodak Modell CX 7530 von beiden Grundstücken und deren Umgebung Fotos machte. Die militante gruppe (mg) hatte auf dem Gelände des Autohauses Weilbacher bereits am 26. Februar 2003 zwei zur Instandsetzung abgestellte Geländewagen der Bundeswehr angezündet (oben II. 2. b) bb) (5)); bei der DaimlerChrysler-Niederlassung in Strausberg handelte es sich um eine Stammwerkstatt für Reparaturen von Fahrzeugen des Bundeswehrstandortes Strausberg. Der Angeklagte C nahm die Fotos aus einem vorbeifahrenden PKW und aus dem angrenzenden Unterholz heraus auf. Auf den Fotos sind keine Bundeswehrfahrzeuge zu sehen. Die Recherchen des Angeklagten ergaben, dass beide Objekte als Anschlagsziele nicht geeignet waren. Das Autohaus Weilbacher kam nicht mehr in Betracht, weil es nach dem ersten Anschlag der militanten gruppe (mg) im Februar 2003 keine weiteren Aufträge von der Bundeswehr mehr erhalten hatte. Strausberg schied aus, weil die Bundeswehrfahrzeuge dort nicht frei zugänglich auf dem Gelände untergebracht waren.

Die Angeklagten A und B traten der militanten gruppe (mg) spätestens im Laufe des Jahres 2006 bei. Sie arbeiteten zu dieser Zeit an der Erstellung des von der militanten gruppe (mg) im April/Sommer 2005 angekündigten „Mini-Handbuch für Militante” mit, indem sie den Text entweder selbst verfassten oder ihn redigierten und sich an der gruppeninternen Diskussion über den Textentwurf beteiligten. Die Mitarbeit an diesem Handbuch war wegen der klandestinen Struktur der militanten gruppe (mg) ausschließlich deren Mitgliedern vorbehalten. Das Handbuch beschäftigte sich eingehend mit der Theorie und Praxis des militanten und bewaffneten Kampfes gegen die bestehenden politischen Verhältnisse. Es orientierte sich an dem 1970 erstmals veröffentlichten „Minihandbuch des Stadtguerilleros” von Carlos Marighela, einem brasilianischen Revolutionär und Theoretiker der sog. Stadtguerilla, das einen bedeutenden Einfluss unter anderem auf die Rote Armee Fraktion (RAF) gehabt hatte.

4. Der versuchte Brandanschlag auf drei Lastkraftwagen der Bundeswehr am 31. Juli 2007 in Brandenburg an der Havel

Die militante gruppe (mg) beschloss, in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007 drei Lastkraftwagen der Bundeswehr mit Brandsätzen zu zerstören. Der durch die Angeklagten A, B und C auszuführende Anschlag sollte dazu dienen, den militanten Kampf für einen Umsturz der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse voranzutreiben und damit die Ziele der Vereinigung zu fördern. Die Angeklagten bezweckten, einen möglichst hohen Sachschaden anzurichten, symbolische Wirkung zu erzielen, Zustimmung in sympathisierenden extremistischen Kreisen zu erlangen und Nachahmungstaten zu provozieren. Die Tat war präzise geplant und gründlich vorbereitet, schlug aber fehl.

Die Angeklagten hatten als Tatort das Werkstattgelände des Nutzfahrzeugherstellers MAN in Brandenburg an der Havel, Upstallstraße 4, ausgewählt. Das Grundstück lag in einem unbewohnten Industriegebiet, wo zur Nachtzeit weder Fahrzeug- noch Fußgängerverkehr herrschte. Dort wurden seit mehreren Jahren Lastkraftwagen der Bundeswehr repariert und gewartet, die auf dem umzäunten Gelände vor den Werkshallen ohne weitere besondere Sicherung abgestellt wurden und deshalb ein vermeintlich leichtes Anschlagsziel waren.

Die Angeklagten wollten die Bundeswehrfahrzeuge mit Brandvorrichtungen angreifen, die von der militanten gruppe (mg) sowie anderen militanten Gruppierungen in der Vergangenheit bereits mehrfach eingesetzt worden waren und sich „bewährt” hatten. Ein derartiger Brandsatz, der in der linksextremen Szene als „Nobelkarossentod” bekannt ist, besteht aus einem oder mehreren Paketen von je einer oder mehreren Kunststoffflaschen, in die ein Brandbeschleuniger abgefüllt wird, und einem sog. Becherzünder. Für die Herstellung des Becherzünders, der eine Zeitverzögerung von mehreren Minuten bis zum Entflammen der Brandbeschleuniger bewirkt, wird ein Gefrierbeutel mit Benzin befüllt und in einen leeren Joghurtbecher gesteckt. Ein Beutelchen mit Schwefel (Streichholzköpfe) sowie ein Kohlestab, wie er in Taschenwärmern verwendet wird, werden in die Innenseite des Bechers geklebt, anschließend wird die Oberseite mit dem Metallfoliendeckel des Bechers so abgedeckt, dass nur der Kohlestab herausragt. Beim Einsatz der Brandvorrichtung entzünden sich nach dem Abbrennen des Kohlestabs der Schwefel und das in den Gefrierbeutel gefüllte Benzin und die Stichflamme greift auf die mit den Brandbeschleunigern befüllten Kunststoffflaschen über. Die Bauanleitung für diesen Brandsatz war im Sommer 2005 in der Zeitschrift „radikal” Nr. 158 unter der Überschrift „Ein Klassiker namens Nobelkarossentod” veröffentlicht und in einem weiteren Beitrag der im Winter 2006 erschienenen „radikal” Nr. 160 fortentwickelt worden.

Der Angeklagte B stellte für den geplanten Anschlag drei solcher Brandsätze her. Jeder dieser Brandsätze bestand aus zwei Paketen von jeweils zwei mit Klebeband zusammengeklebten Kunststoff (PET)-Mineralwasserflaschen, die jeweils mit 1,2 bis 1,4 l Benzin (Ottokraftstoff) gefüllt waren. Für die Becherzünder verwendete der An- geklagte wahrscheinlich Kohlestifte oder - nicht ausschließbar - Grillkohleanzünder. Da die Zünder verbrannten, lässt sich dies nicht mehr klären.

Als Transportmittel für die Fahrt zum Tatort hatten die Angeklagten den PKW des Angeklagten C, einen Opel Astra mit dem amtlichen Kennzeichen B-AB 9596, vorgesehen. Es handelt sich hierbei um ein 1997 hergestelltes, zur Tatzeit also zehn Jahre altes Fahrzeug mit altersentsprechenden Gebrauchsspuren, das einen Wert von noch etwa 3.000 Euro hat. Wegen eines Defekts an der Einspritzpumpe blieb dieser PKW am 29. Juli 2007 auf der Straße liegen, musste abgeschleppt werden und fiel damit als Transportmittel aus. Der Angeklagte C teilte dies noch am selben Tag telefonisch dem Angeklagten B mit. Dieser war darüber entsetzt und forderte den Angeklagten C auf, „so schnell wie möglich... entweder für morgen oder übermorgen... was” - nämlich ein Ersatzfahrzeug - „zu besorgen”. Er informierte den Angeklagten A über das Gespräch. Der Angeklagte C bemühte sich um die rechtzeitige Reparatur seines Wagens, was jedoch nicht klappte. Daraufhin mietete er am 30. Juli 2007 um 15.00 Uhr am Hauptbahnhof in Berlin einen Mietwagen Renault Clio an, um damit, wie vorgesehen, nachts zum Tatort zu fahren und somit das Vorhaben zeitlich nicht zu gefährden.

Absprachegemäß trafen sich die Angeklagten in der Nacht zum 31. Juli 2007 kurz vor Mitternacht in der Wohnung des Angeklagten B. Gegen 00.10 Uhr fuhren sie mit dem von dem Angeklagten C angemieteten Pkw nach Brandenburg an der Havel, wo sie um 1.50 Uhr nahe der Upstallstraße in der Brielower Landstraße ankamen und das Fahrzeug in der Nähe einer Aral-Tankstelle am Waldrand in einem Feldweg abstellten. Der Angeklagte C als Fahrer blieb im Fahrzeug sitzen. Die Angeklagten A und B liefen zielstrebig zum Werkstattgelände der Firma MAN in der Upstallstraße 4. In ihren Rucksäcken führten sie die vom Angeklagten B hergestellten funktionstüchtigen Brandsätze bei sich. Von der Straße Am Industriegelände aus, die von der Upstallstraße abzweigt, kletterten sie über den ca. 1,70 Meter hohen Maschendrahtzaun auf das Gelände der Firma MAN und eilten zu den dort nebeneinander abgestellten Lastkraftwagen der Bundeswehr, zwei Allradzugmaschinen (Kennzeichen Y-325 673 und Y-420 099) und einem Allrad-LKW mit Aufbau (Kennzeichen Y-447 004). Einen der aus vier Benzinflaschen gefertigten Brandsätze stellten sie am vorderen linken Reifen der Zugmaschine mit dem Kennzeichen Y-325 673 ab, den weiteren am vorderen rechten Reifen des LKWs mit Aufbau. Den dritten Brandsatz platzierten sie so, dass sie bei der Zugmaschine mit dem Kennzeichen Y-420 099 zwei Flaschen an den vorderen linken Reifen und die beiden übrigen auf die Achse dieses Reifens legten. Dann zündeten sie die Becherzünder an. Die beiden Zugmaschinen, die die Angeklagten mit ihrem Anschlag zerstören wollten, hatten zur Tatzeit einen Nettoverkaufswert von 15.100 bzw. 18.700 Euro, der Zeitwert des LKWs mit Aufbau betrug ca. 25.000 Euro netto, wobei in diese Werte die jeweilige militärische Zusatzausstattung der Fahrzeuge nicht eingerechnet ist. Danach eilten die Angeklagten A und B zu dem im Renault Clio wartenden Angeklagten C zurück. In der Vorstellung, alles Erforderliche für den geplanten Anschlag getan zu haben, traten sie den Heimweg an.

Die Angeklagten hatten nicht bemerkt, dass sie in dieser Nacht von Polizeibeamten observiert wurden. Zwei Beamte des Observationsteams, die Zeugen PK Schoetzau und KHK Gerhardt, beobachteten den Fußweg der Angeklagten A und B zum MAN-Gelände und ihre anschließende Rückkehr. Das Gelände selbst konnten sie von ihrem Standort weder einsehen noch die dortigen Aktivitäten der Angeklagten beobachten. Die Zeugen schauten auf dem Grundstück nach und entdeckten die glühenden Zünder an den Fahrzeugen. Der Zeuge PK Schoetzau, dem die verbleibende Zeit bis zur Entzündung der Brandsätze nicht bekannt war, entfernte ungeachtet der ihm selbst drohenden Gefahr die Becherzünder von den Flaschen und stellte sie in sicherer Entfernung zu den Fahrzeugen auf dem Boden ab. Nach wenigen Augenblicken brannten die Zünder mit Stichflammen in einer Höhe von etwa 30 cm ab. Ohne das beherzte Einschreiten des Zeugen PK Schoetzau hätte das Feuer auf die zwölf Benzinflaschen übergegriffen und wären die angegriffenen Fahrzeuge binnen kürzester Zeit zerstört worden.

Wenige Minuten nach dem Anschlag wurden die drei Angeklagten gegen 2.15 Uhr auf der gemeinsamen Rückfahrt in der Ortschaft Beetzsee/Ortsteil Radewege auf Höhe der Brielower Straße 9 von den Zeugen PHM Kroll, KOK Alevisos, PK Gottschalk und PK Bendt angehalten und festgenommen. Der Angeklagte C saß auf dem Fahrer-, der Angeklagte A auf dem Beifahrersitz und der Angeklagte B auf der Rückbank hinter dem Angeklagten A. Die festnehmenden Beamten setzten einfache körperliche, nicht unverhältnismäßige Gewalt ein. Sie zerschlugen auf der Fahrerseite die vordere und die hintere Seitenscheibe, zogen die Angeklagten aus dem Fahrrauminneren heraus, brachten sie zu Boden und legten ihnen Handschellen an. Den Angeklagten C und B wurden über die Augen vorübergehend sog. Schlafbrillen aufgesetzt, damit sie so wenig wie möglich über die Einsatztaktik und die Identität der an dem Einsatz beteiligten Beamten erfahren konnten; bei dem Angeklagten A unterblieb das, weil der Zeuge KOK Alevisos, der ihn festnahm, eine solche nicht dabei hatte. Der Angeklagte A erlitt bei der Festnahme rechtsseitig eine Thorax- und eine Unterkieferprellung sowie ein kleines Hämatom am Ohr. Aufgrund seiner vorbestehenden psychischen Disposition empfand er die Festnahmesituation in besonderem Maße als belastend und reagierte darauf sowie auf die folgende Untersuchungshaft mit einer deutlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes.

5. Die Auflösungs- und Transformationserklärung der militanten gruppe (mg) im Juli 2009

Die Verlautbarungen und Aktionen der militanten gruppe (mg) fanden mit der Festnahme der Angeklagten ein abruptes Ende.

Die Vereinigung meldete sich erst wieder in der im Juli 2009 erschienenen „radikal” Nr. 161 zu Wort. Sie nahm darin in einem auf den „Winter 2008/2009” datierten Beitrag zu der aus ihrer Sicht inzwischen „versiegten” Militanzdebatte abschließend Stellung und erklärte, „weder durch die Festnahme von linken Aktivisten im Sommer 2007” - gemeint waren die Angeklagten und der gesondert Verfolgte Z - „in unserer personellen Gruppenstruktur noch sonst in unserer Existenz gefährdet” zu sein.

In einem schriftlichen Interview in derselben Ausgabe der „radikal” erklärte die militante gruppe (mg) ihre Auflösung und kündigte die Überführung ihres „Projekts” in eine „erweiterte strukturelle Form” der revolutionären Linken an. „Die Ergebnisse unseres Reflexions- und Umgruppierungsprozesses, unserer Transformation” wollte sie in diesem Interview allerdings nicht näher darlegen, da sie erkannt habe, „in den Vorjahren zu viel an Viertel- und Halbschritten unsererseits veröffentlicht zu haben, die wir gegangen sind bzw. gedachten zu gehen”, wodurch „den Staatsschutzorganen ein Übermaß an Wissen in die Hand gegeben” worden sei.

Das lange Schweigen seit dem Sommer 2007 habe auf intensiven gruppeninternen Diskussionen beruht. Sie seien jedoch „quicklebendig”.

Die militante gruppe (mg) behauptete, im Jahr 2009 weitere Anschläge begangen zu haben: „Als ‚Arbeitsnachweise’ nach dem Anschlag auf Einsatzfahrzeuge der Berliner Bullen in Berlin-Spandau im Mai 2007” wurden drei Brandanschläge auf das Sozialgericht Brandenburg in Potsdam am 13. Januar 2009, auf das Gebäude des Jobcenters der Arbeitsagentur Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf am 14. Januar 2009 sowie auf drei Funkwagen der Bundeswehr auf dem Gelände einer Bundeswehrvertragswerkstatt in der Stadt Burg in Sachsen-Anhalt am 26. Februar 2009 benannt. Der Senat hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Diese „militanten Aktionen” stünden „im Kontext unserer sozialrevolutionär-klassenkämpferischen und antiimperialistisch-internationalistischen Linie, die wir seit Jahren auf einer kommunistischen Grundlage im Rahmen des Aufbaus einer militanten Plattform forcieren. Angriffe auf Einrichtungen der Sozialtechnokratie, wie sie sich beispielhaft in Aktionen gegen Jobcenter und Sozialgerichte ausdrücken können, sowie auf imperialistisches Kriegsmaterial sehen wir als zentrale Zielobjekte an”.

Die militante gruppe (mg) nahm in dem schriftlichen Interview auch Stellung zum vorliegenden Verfahren. Sie bestritt, dass die Angeklagten - „antimilitaristische Linke”, die „in den vergangenen fast zwei Jahren durch ihre öffentliche Präsenz revolutionäre Politik verteidigt” hätten und mit denen sie sich solidarisiere - Genossen aus ihrem „Gruppenzusammenhang” seien. Sie, die militante gruppe (mg), habe auch nichts mit dem verfahrensgegenständlichen Brandanschlag zu tun: „Wir haben es mehrfach dick und knallrot unterstrichen, dass wir uns zu unseren militanten Aktionen bekennen! Erfolgt von uns kein Bekenntnis in Form einer Anschlagserklärung oder einem sonstigen 0-Ton, dann haben wir damit nichts zu tun. Das erklären wir hiermit letztmalig! Das sollte genügen, um klar zu haben, dass der uns zugeschobene versuchte Brandanschlag auf BW-Lkws am 31.7.2007 in Brandenburg/Havel nicht in unserem Planungsbüro ersonnen und von dort ausgeführt wurde. Das, was uns beinahe kränkt, ist, dass man uns für so dusselig hält, alle Normen einer klandestinen Aktion zu verletzen, um schnurstracks in eine vorbereitete Bullenfalle zu tappen.” Auch zu dem bei dem Angeklagten A sichergestellten Entwurf des „Mini-Handbuchs für Militante” nahm sie Stellung: „Dieses sog. Minihandbuch für Militante, von dem im Prozess gegen die drei Antimilitaristen die Rede ist, und das als Beleg einer Mitgliedschaft bei uns herhalten soll, kennen wir nicht. Nützlich und zweckdienlich dürfte eine solches Elaborat sein, gleichwohl, aber in unserer Schreibstube ist es nicht entstanden.”

Sie seien als Gruppenzusammenhang nicht geschlagen und „machen weiter”, lösten sich allerdings „heute und hier mit diesem Beitrag als (mg) auf. Von nun an ist die (mg) in die Widerstandgeschichte der revolutionären Linke in der BRD eingegangen. Es gibt von nun an nur noch eine ex-(mg); und demzufolge auch nur noch ehemalige Mitglieder der (mg)”. Sie betonten, dass der Kampf nicht aufgegeben, sondern in einer anderen Form weitergeführt werden soll.


III. Beweiswürdigung

1. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten

Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung zu ihren persönlichen Verhältnissen nicht eingelassen.

a) Angeklagter A

Die Feststellungen zum biographischen Werdegang des Angeklagten A ergeben sich aus einem schriftlichen Lebenslauf, der als Datei auf seinem Computer gespeichert war und bei der nach der Festnahme durchgeführten Wohnungsdurchsuchung am 31. Juli 2007 sichergestellt wurde, sowie aus den damit übereinstimmenden und ergänzenden Angaben des Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen Dr. med. Wendt, über die dieser in seinem Gutachten berichtet hat.

b) Angeklagter B

Die Feststellungen über die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten B beruhen auf den Angaben der Zeugin KHK’in Alles, die die polizeilichen Ermittlungen zur Person des Angeklagten geschildert und die recherchierten Angaben aus öffentlichen Registern mitgeteilt hat. Seine in den Feststellungen wiedergegebenen Beschäftigungszeiten ergeben sich aus der Auskunft des Rentenversicherungsträgers an das Bundeskriminalamt. Dass der Angeklagte über das in der Auskunft vermerkte Datum vom 31. Dezember 2006 hinaus noch bis zu seiner Festnahme am 31. Juli 2007 gearbeitet hat, ergibt sich aus der Überwachung des von ihm genutzten Telefonanschlusses in der Arbeitsstelle. Dessen Inhaber berief sich zwar - mit Recht - auf sein Aussageverweigerungsrecht gemäß §55 StPO und teilte keine Einzelheiten zu dem Arbeitsverhältnis mit. Der Zeuge bestätigte aber auf Vorhalt die bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren am 25. Oktober 2007 gemachten Angaben. Dort hatte er erklärt, zu dem Angeklagten B als seinem angestellten Mitarbeiter ausschließlich eine berufliche Beziehung zu pflegen und weder einen politischen noch einen persönlichen Kontakt zu ihm zu unterhalten.

Die Finanzermittlungen ergaben, dass der Angeklagte B mit geringen finanziellen Mitteln auskommen musste. [...]

c) Angeklagter C

Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten C hat der Senat teilweise durch Vernehmung des Zeugen KOK Heim festgestellt. Dieser hat nach ausführlichen Ermittlungen zahlreiche den Angeklagten betreffende Daten zusammengestellt.

Auf einem bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten C am 31. Juli 2007 sichergestellten USB-Stick fand sich als Datei ein Lebenslauf von ihm abgespeichert, der in der Hauptverhandlung verlesen worden ist und aus dem sich unter anderem die Daten seiner Ausbildung seit Einschulung bis zum Abitur, Angaben zu seinem Studium und Hochschulabschluss sowie zu seinem beruflichen Werdegang bis zur zuletzt ausgeübten Arbeit ergeben haben. Der Dienstvorgesetzte des Angeklagten C hat insoweit die Erkenntnisse bestätigt und ausgeführt, er kenne ihn lediglich beruflich und nicht privat. [...]

d) Aus der Verlesung der Bundeszentralregisterauszüge der Angeklagten folgt die Feststellung, dass sie bisher unbestraft sind.

2. Feststellungen zur Sache

a) (Teil-) Einlassungen der Angeklagten

Der Angeklagte C hat nach der Belehrung über das Recht, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, im Namen aller Angeklagten eine Erklärung verlesen. Diese Erklärung hat folgenden Inhalt:

Auf der Anklagebank säßen die falschen Leute. Dorthin gehörten vielmehr Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie seien die kriminellen Vereinigungen, sie seien anzuklagen.

Immer wieder hieße es, die heutigen Kriege und ganz besonders der Krieg in Afghanistan seien eigentlich Friedensmissionen. Das sei jedoch gelogen. Der derzeitige Kriegszustand bedeute für die afghanische Bevölkerung Elend, Hunger und Terror und führe auch bei den deutschen Soldaten zu Opfern. Die Lügen, mit denen der Kriegseinsatz gerechtfertig werde, würden immer offensichtlicher. Für den Krieg in Afghanistan sprächen vor allem die geostrategische Bedeutung dieses Landes, die Interessen der deutschen Wirtschaft und die Bündnistreue gegenüber der NATO. Profiteure seien die Waffenkonzerne, maßgeblich auch die deutschen. Der Finanzbedarf für die Kriege führe zu immer mehr Kürzungen im sozialen Bereich. Der Krieg verursache zudem die Vertreibung vieler Menschen. Anstatt sie aufzunehmen, weil man die Ursachen für die Flucht selbst geschaffen habe, betreibe Deutschland eine eng mit den Sicherheits- und Kriegsinteressen verbundene Migrationspolitik mit dem Ziel einer grundsätzlichen Rückführung dieser Menschen in das Kriegsgebiet.

Widerstand, der das Ziel habe, die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft sowie das Militär anzugreifen, um eine Situation der Besatzung, die Ermordung von Zivilisten und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen zu unterbinden, sei legitim. Sabotage sei ein Teil dieses Rechtes auf Widerstand und solle im besten Fall Schlimmeres, nämlich Kriegseinsätze, verhindern helfen. Während beispielsweise in Großbritannien und Irland Friedensaktivisten von strafrechtlichen Vorwürfen freigesprochen worden seien, ginge es in Deutschland den Staatsorganen mit aller Gewalt darum, die Gesellschaft zu militarisieren sowie einen Feind sichtbar zu machen und zu identifizieren, um ihn auszugrenzen und in die Gefängnisse zu stecken. Kenntlich gemacht werde der Feind über die §§129, 129a und 129b StGB und deren Anwendung. Auch gegen sie, die Angeklagten, werde der §129 StGB gerichtet. Wer der Feind sei, liege in der Definitionsmacht der Herrschenden. Das vorliegende Verfahren sei in diesem Sinn zu verstehen.

Es gehe in diesem Verfahren darum, sie, die Angeklagten, als antimilitaristischen Widerstand, Revolutionäre und Mitglieder der militanten gruppe (mg) im Sinne der Staatsräson anzuklagen und zu verurteilen. Denn Gegenstand sei nicht nur eine versuchte Brandstiftung gegen Militärfahrzeuge, sondern ein sogenanntes Vereinigungsdelikt. Ob nun terroristische oder kriminelle Vereinigung, strafbar sei die bloße Mitgliedschaft, gleichgültig ob die einzelnen Mitglieder eine Straftat begangen hätten oder nicht. Der aktuelle §129 StGB habe seine Struktur im Jahre 1951 zur Verfolgung von Kommunisten in der BRD erhalten. Dieser Paragraph habe die Funktion eines politischen Strafrechtes, wenn der Bundesgerichtshof die militante gruppe (mg) als eine kriminelle Vereinigung klassifiziere, obwohl niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden dürfe. Trotzdem bleibe dieses Gesinnungsstrafrecht bestehen. Im Namen der militanten gruppe (mg) habe es Bekenntnisse zu 24 Anschlägen und den Versuch, eine Debatte über Militanz und Organisierung anzuregen, gegeben. In ihren Texten erkläre sie, dass ihre Anschläge in der derzeitigen Phase nur eine propagandistische und unterstützende Wirkung für Klassenkämpfe oder antirassistische Kämpfe haben könnten. Obwohl der Bundesgerichtshof inzwischen davon Abstand genommen habe zu behaupten, diese Aktionen könnten die Grundstrukturen des Staates beseitigen oder beeinträchtigen, solle die Anklage der Bundesanwaltschaft auf der Grundlage des §129 StGB aber weiter dazu dienen, einen solchen organisierten Widerstand zum Staatsfeind zu überhöhen. Das Verfahren gegen sie, die Angeklagten, könne so auch zu einem exemplarischen Verfahren werden, um zukünftig über §129 StGB vom Farbbeutelwurf bis zum Straßenkampf viele Mittel gesellschaftlicher Auseinandersetzung zu kriminalisieren und mit einem „Feindstrafrecht” zu bestrafen, das vom normalen Strafrecht abgespalten werde.

Das Strafrecht werde hier in ein Gefahrenvorbeugungsrecht überführt. Um ungestört Kriege führen zu können und den kapitalistischen Normalzustand zu sichern, würden Maßnahmen ergriffen, die sich gegen jeden und jede richten könnten. Damit verbunden sei der immer schnellere Abbau demokratischer Rechte. Die zunehmende Militarisierung und der Ausbau des Überwachungsstaates würden forciert. Ziel des anvisierten präventiven Sicherheitsstaates sei es, den Schutz der Menschenwürde auszuhebeln. Die Angst vor der terroristischen Gefahr werde geschürt, um die Bürger in diese Richtung manipulieren zu können. Dass die Rechtsordnung im Rahmen staatlicher Repression suspendiert werde, sei in der BRD nichts Neues. Schon in den 1970er Jahren seien Legislative, Exekutive und Justiz in den so genannten Krisenstäben einfach zu einem Komplex miteinander verschmolzen worden, um gegen die RAF vorzugehen.

Aus der Geschichte des deutschen Faschismus hätten zumindest sie gelernt, dass der NS-Staat mit Unterstützung seiner national mobilisierten Bevölkerung eine grenzenlose Kriegsgewalt vorangetrieben habe, die die Zivilbevölkerung in Europa brutal zu spüren bekommen habe. Nach dem 2. Weltkrieg habe es aufgrund der Millionen Kriegstoten und der systematischen Ermordung des europäischen Judentums nur eine Lehre geben können: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!”

Wenn das Gericht versuche, sie, die Angeklagten, zu bestrafen, richte sich diese Kriminalisierung gegen den emanzipatorischen Versuch, sich gegen einen Staat und gegen eine herrschende Politik zu wenden, die im Namen des sogenannten Kriegs gegen Terror „Krieg führt, bombardiert, tötet und foltert”.

Die Erklärung endete mit den Worten:

„Nie wieder Krieg! Viele Formen des Widerstands sind legitim! Für eine kommunistische Weltgesellschaft! Mit Tucholsky sagen wir: Krieg dem Kriege! Friede auf Erden!”

Der Angeklagte A und der Angeklagte B, der bei seiner Personalienfeststellung die anwesenden Zuhörer im Gerichtssaal mit einem „Herzlichen Rotfront!” begrüßt hatte, haben sich der Erklärung des Angeklagten C auf Nachfrage ausdrücklich und in vollem Umfang angeschlossen. Weitere Angaben haben die Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht gemacht.

Der Senat bewertet diese Erklärung als Einlassung zur Sache. Die Angeklagten haben sich zwar nicht konkret zum Tatvorwurf geäußert. Sie haben aber die Befürwortung einer Straftat, wie sie ihnen zur Last liegt, offenbart und sie haben - besonders deutlich durch die Parole „Viele Formen des Widerstands sind legitim! Für eine kommunistische Weltgesellschaft!” - keinen Zweifel an ihrer Nähe zur Gedankenwelt der militanten gruppe (mg) gelassen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme handelt es sich bei den Angeklagten allerdings nicht um bloße Sympathisanten der militanten gruppe (mg). Sie sind vielmehr der Mitgliedschaft in dieser kriminellen Vereinigung und des versuchten Brandanschlags vom 31. Juli 2007 überführt. Vor diesem Hintergrund ist die Einlassung der Angeklagten daher dahingehend zu werten, dass sie zu der Mitgliedschaft und dem Brandanschlag stehen. Soweit die Angeklagten angegeben haben, dass es im Namen der militanten gruppe (mg) Bekenntnisse zu 24 Anschlägen gegeben habe, handelt es sich um ein Versehen oder eine falsche Darstellung. Die Vereinigung hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu 25 Anschlägen bekannt.

b) Feststellungen zur militanten gruppe (mg)

Die Feststellungen zur Entstehung und Ideologie, zum Vereinigungszweck und zur internen Struktur dieser Vereinigung beruhen Im Wesentlichen auf der Auswertung der sichergestellten bzw. veröffentlichten Texte der militanten gruppe (mg), die in der Hauptverhandlung verlesen bzw. durch das Selbstleseverfahren nach §249 Abs. 2 StPO eingeführt worden sind. Ergänzend hat der Senat Zeugen vernommen, die seit mehreren Jahren mit der Sichtung und Auswertung von Texten der linksextremistischen Szene befasst sind. Die Bediensteten KHK Nolte, KHK Kröger und KHK Damm vom Bundeskriminalamt sowie der dem Senat nur unter dem „Arbeitsnamen” Guido Eggebrecht bekannte Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben als Zeugen dem Senat in der Gesamtschau mit den verlesenen Urkunden ein sicheres Bild von der Gruppe und ihren Zielen vermittelt. An der Authentizität und inhaltlichen Richtigkeit der eingeführten Texte besteht kein Zweifel.

aa) Aus den verlesenen Texten der militanten gruppe (mg) ergibt sich, dass diese als solche zumindest seit ihrem ersten Auftreten in der Öffentlichkeit im Juni 2001 existierte. Zudem ergibt sich daraus, dass die Gründungsmitglieder auch schon zuvor Anschlagserfahrungen gesammelt hatten. Dies belegt etwa die Veröffentlichung aus dem November 2001 „Ein Debattenversuch der militanten gruppe (mg)”, veröffentlicht in der „Interim” Nr. 539 vom 29. November 2001, in dem Umstände und Gründe des Zusammenschlusses der Gruppe erläutert werden:

„Wir kennen natürlich die Gründe, die in der Autonomen Linken gegen einen ‚Markennamen’ herangeführt wurden und werden. Diese namentliche Diskontinuität korrespondiert unseres Erachtens mit einer thematischen. Oft wurde und wird bezugslos punktuell militant agiert, ohne politisch praktisch nachzusetzen und Brücken zu vergangenen Kampfprozessen zu schlagen. Wir kennen das aus unserer eigenen langjährigen Praxis. Deshalb haben wir uns auch entschlossen, unsere militante Politik in einen kontinuierlichen inhaltlichen und praktischen Rahmen zu stellen.” [Hervorhebung durch den Senat]

Auch die Art und Weise der einzelnen Tatausführungen und das gesamte Tatbild der Anschlagsserie der militanten gruppe (mg) deutet darauf hin, dass keine „Anfänger”, sondern erfahrene Straftäter am Werke waren. Die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung hat allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit den Nachweis erbracht, dass die (Gründungs-) Mitglieder der militanten gruppe (mg) - wie das Bundeskriminalamt vermutet hat - schon vorher als ein einheitlicher Verband, wenn auch unter wechselnden Gruppenbezeichnungen, agiert hatten.

bb) Die militante gruppe (mg) war zur Überzeugung des Senats eine eigenständige Vereinigung im Spektrum linksextremistischer Gruppierungen, die sich von anderen militanten Zusammenhängen abgrenzte.

Gegen die seitens der Verteidigung geäußerte Vermutung, dass es sich bei der militanten gruppe (mg) um einen mehr oder weniger losen Zusammenschluss verschiedener Gruppierungen handeln könnte, spricht bereits die Verwendung des Begriffs „gruppe” zur Bezeichnung des Personenzusammenhanges (statt „gruppen”). Die komplexen, sprachlich ausdifferenzierten Texte, in denen immer wieder von der „gruppe” die Rede ist, legen den Schluss nahe, dass die Autoren sehr wohl zu präziser Ausdrucksweise imstande waren. Die kontinuierliche Verwendung ein und desselben Namens, der Gebrauch einer einheitlichen Standardparole („Für eine militante Plattform - für einen revolutionären Aufbauprozess - für den Kommunismus”) sowie schließlich auch die graphische Vereinheitlichung bei den Verlautbarungen (Unterlegen von Titel und Ende der Texte mit einem schwarzen Balken und Verwendung eines fünfzackigen Sterns) geben einen weiteren Hinweis darauf, dass es sich um nur eine Gruppierung handelte, die auch nach außen hin mit einem eigenständigen Erscheinungsbild auftreten wollte. Der Inhalt der Tatbekennungen und anderer Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg) bestätigt, dass es sich tatsächlich so verhalten hat. Die militante gruppe (mg) hat sich darin unmissverständlich als „klandestine” und exklusive Organisation von anderen „militanten Zusammenhängen” abgegrenzt. Sie achtete darauf, dass andere Gruppen die Bezeichnung „militante gruppe (mg)” nicht verwendeten, und rief dazu auf, den Gebrauch ihres „Markennamens” zu unterlassen. Auch dementierte sie Presseberichte, die ihr Brandanschläge zuschrieben, die sie tatsächlich nicht begangen hatte.

Das Exklusivitätsverständnis wird deutlich in der Gegenüberstellung der Beiträge „Ein Debattenversuch der militanten gruppe (mg)” vom 23. November 2001 („Interim” Nr. 539 vom 29. November 2001) und der Veröffentlichung „Für einen revolutionären Aufbauprozess - Für eine militante Plattform” („Interim” Nr. 550 vom 9. Mai 2002).

Während es noch recht abstrakt im „Debattenversuch” heißt

„Die fehlende Koordination unter militanten Gruppenstrukturen hängt u.a. stark mit der mangelnden gegenseitigen inhaltlichen Bezugnahme ab. Uns stehen zwei Wege offen, um zu einer koordinierten Abstimmung der inhaltlichen, praktischen und organisatorischen Positionen zu kommen:

a) Wir befinden uns in einem organisatorischen Zusammenhang von zwei oder mehr militanten Gruppen, was einen direkten Austausch unter den Aktivistinnen ermöglicht und eine strukturelle gruppenübergreifende Vernetzung darstellt.

b) Unabhängig voneinander agierende militante Gruppen müssen über gemeinsam geführte Debatten in einer dafür geeigneten Zeitschrift zu einem Positionsabgleich und einer Annäherung kommen. Hierbei handelt es sich dann nicht um eine direkte strukturelle Vernetzung, sondern um ein ‚informelles’ Zusammenkommen durch Diskussion und gegenseitige Bezugnahme bei Aktionen. Dass unsere Strukturen in der Lage sind, dauerhaft gruppenübergreifende Projekte zu sichern, zeigt(e) die ‚radikal’ als publizistisches Forum militanter Politik”,

brachte die militante gruppe (mg) im Aufsatz „Für einen revolutionären Aufbauprozess - Für eine militante Plattform” unmissverständlich zum Ausdruck, welchen Weg sie gewählt hatte, indem sie die oben wiedergegebene Passage aus dem „Debattenversuch” wörtlich zitierte und hieran anschloss:

„Für uns trifft die zweite Variante zu”.

Damit stellte die militante gruppe (mg) klar, dass es sich bei ihr nicht um eine „gruppenübergreifende Vernetzung” verschiedener militanter Gruppierungen handelte, sondern um eine unabhängig von anderen agierende Vereinigung, die über Szenepublikationen die Diskussion mit anderen Gruppen suchte.

Das Bemühen um eine Abgrenzung zu den „Aktionen” anderer Gruppen zeigt sich etwa in der Erklärung „Zum Interim-Vorwort der Nr 611 vom 10.02.2005”, welche die militante gruppe (mg) in der „Interim” Nr. 612 vom 24. Februar 2005 veröffentlichen ließ und in der sie sich zu ihrem Anschlag auf den LIDL-Supermarkt am 10. Januar 2005 und zu einem weiteren, in derselben Nacht verübten Brandanschlag auf das Finanzamt Berlin-Kreuzberg äußerte:

„Mit dem Zündeln an diesem Finanzamtsgebäude haben wir nichts zu tun, wir erklären uns zu unseren Aktionen. Wir bitten Leute, die militante Aktionen durchführen, an den ‚Tatorten’ nicht unser Gruppenkürze! zu hinterlassen, sondern eigenständig oder im Rahmen der Vorschläge in der Militanzdebatte Erklärungen abzugeben. Die BKA-Kiste, dass wir und eine andere Gruppe mehr oder weniger eine Soße seien, ist der durchsichtige Versuch, verschiedene militante Aktionen von Gruppen, die offensichtlich über große inhaltliche Übereinstimmung verfügen, unter ein Dach zu packen.”

Ähnlich lautete bereits die Botschaft der „Presseerklärung zum §129a-Prozeß in Halle/S. am 21. Oktober 2003 von der militanten gruppe (mg)” vom 17. Oktober 2003 („Interim” Nr. 582 vom 13. November 2003):

„Hier haben wir es mit einem relativ neuen Phänomen zu tun, dass sämtliche militante Aktionen in einem bestimmten Zeitraum und regionalen Umkreis auf das Konto eines klandestinen Zusammenhangs addiert werden. Auch uns werden militante Aktionen anderer Gruppen phantastischer Weise zugeschrieben und bis in das Jahr 1995 (!) zurückdatiert, so dass sich unser ‚Aktionskonto’ mehr als verdoppelt hat.”

Auf derselben Linie liegt die Stellungnahme der militanten gruppe (mg) in der „Interim” Nr. 638 vom 15. Juni 2006 „Zur ‚Roggan’-Anschlagserklärung der autonomen Gruppen von der militanten gruppe (mg)”. Hier trat die militante gruppe (mg) der Behauptung der „Genossinnen der autonomen Gruppen” entgegen, sie - die-militante gruppe (mg) - hätte einen Brandanschlag auf die Umzugsfirma Roggan verübt. Zugleich berichtigte sie auch noch „krasse journalistische Fehlleistungen” der bürgerlichen Presse:

„Zum einen wird uns der fehlgeschlagene Anschlag auf das Jobcenter in Charlottenburg ans Bein genagelt, zum anderen wird der statistische Irrsinn in den bourgeoisen Blätterwald geblasen, dass wir uns, allein im vergangenen Jahr (...) zu 16 Anschlägen bekannten’.

Zum ersten Punkt ist zu sagen, dass diesbezüglich das schon erwähnte Militante Bündnis für einen Klassenkampf von unten! in einer Anschlagserklärung die Verantwortung übernahm. Alle, die es noch nicht wissen, sollten jetzt die Ohren spitzen: Wir bekennen uns zu unseren Aktionen. Punktum. Für alle anderen militanten Aktionen sind wir als Zusammenhang weder direkt noch indirekt verantwortlich, wenn man mal eine etwas konstruierte Metaebene weglässt, wonach wir im Rahmen des projektierten Aufbaus einer militanten Plattform zu klandestinen Aktivitäten und Organisierungen ‚animieren’.”

Klarstellend zu einer Brandanschlagsserie auf Personenkraftwagen in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 2006 in der Berliner Innenstadt äußerte sich die militante gruppe (mg) schließlich wie folgt:

„In verschiedenen Medienberichten vom 5. Oktober 2006 sind wir als militante gruppe (mg) indirekt bzw. direkt mit den Anschlägen in Verbindung gebracht worden (vgl. Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Bild Berlin).

Hierzu stellen wir folgendes fest:

Unsere Gruppe hat mit dieser Anschlagsserie vom 3./4. Oktober dieses Jahres nichts zu tun. Wir bekennen uns zu unseren militanten Aktionen. Wenn wir mit diesen Anschlägen über welchen Hebel auch immer in Zusammenhang gebracht werden, handelt es sich um einen plumpen Akt der Desinformation, was unsere Gruppe und unsere Politik des Organisierungsprozesses innerhalb der revolutionären Linken betrifft!”

(„Dementi & ein bisschen Mehr von der militanten gruppe (mg)”, „Interim” Nr 644 vom 26. Oktober 2006).

Die Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg) unterscheiden sich stilistisch voneinander. Teils erinnern sie im Duktus an wissenschaftliche Abhandlungen, teils sind sie in einem grammatikalisch/orthographisch nicht fehlerfreien, saloppen Tonfall gehalten, der auch ironische und sogar selbstironische Wendungen enthält. Aus dieser Unterschiedlichkeit der Sprachstile folgert der Senat jedoch nicht, dass bei den Anschlägen verschiedene eigenständige Gruppierungen oder Einzelpersonen unabhängig voneinander unter dem Namen „militante gruppe (mg)” aufgetreten sind, ohne dass ein organisatorischer Zusammenschluss und eine Unterordnung unter den Gruppenwillen gegeben war. Er schließt aus der stilistischen Verschiedenheit vielmehr, dass sich die Vereinigung heterogen aus mehreren Ebenen zusammensetzte, die die Verlautbarungen für ihren jeweiligen Bereich - die ideologische Grundlegung einerseits und die „militante Präsenz bei den Anschlägen vor Ort” andererseits - verfassten.

Dass es innerhalb der Vereinigung unterschiedliche Auffassungen über die jeweilige sprachliche Gestaltung einer Veröffentlichung gab, belegt das in der „radikal” Nr. 158 veröffentlichte Interview „Wir haben uns mit einer Menge Puste auf den Weg gemacht. Ein schriftliches Interview mit der militanten gruppe (mg), April 2005”. Dort heißt es:

„Einen Literaturwettbewerb werden wir mit unseren holprigen schriftlichen Beiträgen nicht gewinnen, jedenfalls nicht in naher Zukunft. Wir müssen alle ohne ein absolviertes Germanistik-Studium auskommen. Klar, darum geht es auch gar nicht. Die stilistische Präsentation von Texten ist bei uns ein regelmäßig aufkommender Diskussionspunkt. Wir bemühen uns sehr, einen leichter verdaulichen Stiltypus zu finden, der sich von unserem aus der Anfangszeit unterscheidet. Wir hoffen, dass unsere Bemühungen nicht ganz vergebens waren. Bliebe noch, falls unsere Anstrengungen doch nicht fruchten sollten, das ‚Outsourcing’ unserer schriftlichen Aktivitäten. Das kann aber wegen der klandestinen Bedingungen, unter denen wir agieren müssen, nicht in Betracht kommen.” [Hervorhebung durch den Senat]

cc) Die interne Vereinigungsstruktur der militanten gruppe (mg) konnte in der Beweisaufnahme nur zum Teil aufgeklärt werden. Genaue Feststellungen darüber, wie viele weitere Mitglieder (die es mit Sicherheit neben den Angeklagten gab) an der Gruppe beteiligt waren, um welche Personen es sich dabei handelte und welche konkreten Funktionen sie jeweils ausübten, ließen sich nicht treffen. Der Senat konnte auch nicht klären, wer an welchen der in der Zeit von der Gründung der militanten gruppe (mg) bis zum 18. Mai 2007 verübten Anschläge teilgenommen hat. Gleichwohl steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Gewissheit des Senats fest, dass die militante gruppe (mg) ein auf Dauer angelegter freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mehr als drei Personen war, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgten und untereinander derart in Beziehung standen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlten.

(1) Dass die Vereinigung seit ihrer Gründung im Jahre 2001 durchgängig aus mehreren Personen bestand und die Anzahl der Mitglieder seit ihrer Gründung trotz einer gewissen Fluktuation im anklagegegenständlichen Zeitraum bis zum 31. Juli 2007 zu keinem Zeitpunkt den Mindestbestand von drei Mitgliedern unterschritt, vielmehr mit hoher Wahrscheinlichkeit durchweg deutlich darüber lag, ergibt sich schon aus den Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg) selbst. Darin äußerte sie sich nicht nur zu ihrer Ideologie und den jeweiligen Anschlägen, sondern gab auch - zur Überzeugung des Senats ebenso authentisch - Einblicke in ihre innere Struktur. Bereits die Vielzahl der Anschläge und die rege publizistische Tätigkeit über einen Zeitraum von mehreren Jahren sind ein Hinweis darauf, dass an der Verwirklichung des Vereinigungszwecks der militanten gruppe (mg) nicht nur eine oder zwei Personen, sondern deutlich mehr beteiligt waren. Der Name, den sich die Vereinigung gegeben hat, weist ebenfalls darauf hin, dass es sich um eine „Gruppe”, also nach dem allgemeinen Sprachgebrauch um einen Zusammenschluss von mehr als zwei Personen handelte. Bestätigt wird dies etwa durch eine Formulierung wie

„Wir hoffen nicht, dass Ihr mit dieser Assoziationskette gespielt habt, die bei einigen von uns sofort hochkam.” [Hervorhebung durch den Senat]

(„Auseinandersetzung mit den ‚Autonomen Gruppen’ und ‚Clandestino’ über die Organisierung militanter Gruppenstrukturen”, „Interim” Nr 555 vom 29. August 2002),

oder auch dadurch, dass die militante gruppe (mg) zum Ausdruck brachte, dass jeder „klandestine” Zusammenhang - und damit natürlich auch sie - ein „verzweigter sozialer Organismus” sei:

„Jeder klandestine Zusammenhang ist neben einem politischen auch ein verzweigter sozialer Organismus. (...) Wir wissen das.”

(„Bewaffneter Kampf - Aufstand - Revolution bei den Klassikerinnen des Frühsozialismus, Kommunismus und Anarchismus, 1. Teil”, „Interim” Nr 600 vom 2. September 2004)

Ihren Veröffentlichungen lässt sich außerdem entnehmen, dass es bei der militanten gruppe (mg) mehrfach Zugänge an Mitgliedern gab:

„Diese Textserie soll ein Mosaik für den Aufbau einer militanten Plattform sein - nicht mehr und nicht weniger. Ein Mosaik deshalb, weil der Proklamation einer militanten Plattform ein Festigungs- und Strukturierungsprozess vorausgehen muss, der neben der historisch-analytischen sowie inhaltlich-theoretischen Positionierung die praktischen, logistischen und organisatorischen Aufbauaspekte nicht vernachlässigen darf. Ein solcher Prozess wird erfahrungsgemäß nicht unablässig eine Stufenleiter nach der anderen erklimmen, es wird stattdessen ‚konjunkturelle Schwankungen’ und auch Rückschläge geben. Dieses ‚Wellenartige’ an einem solchen Diskussions- und Aktionsprozess hat mehrere Faktoren, die zum einen mit verschiedenen gruppeninternen Punkten (größere Bedeutung anderer Diskussionen, Eingliederung neuer Mitglieder und sonstige zu lösende Strukturprobleme) sowie zum anderen mit externen Unwägbarkeiten (staatliche Repression, allgemeine Demoralisierung/Desorientierung weiter Teile der Linken etc.) zu tun haben.” [Hervorhebung durch den Senat]

(„Bewaffneter Kampf - Aufstand - Revolution bei den Klassikerinnen des Frühsozialismus, Kommunismus und Anarchismus, 1. Teil”, „Interim” Nr 600 vom 2. September 2004)

Die Vereinigung hatte allerdings auch Abgänge zu verkraften:

„Unbestritten und mehrfach erlebt ist allerdings, dass das Nehmen einer ‚Auszeit’ der Beginn eines schleichenden, aber sicheren Ausstiegs bedeuten kann. Gerade dann, wenn damit ein Sich-Einrichten in das ‚private Glück’ einhergeht.”

(„Wir haben uns mit einer Menge Puste auf den Weg gemacht - Ein schriftliches Interview mit der militanten gruppe (mg), April 2005”, „radikal” Nr 158)

Gegen ein Absinken der Mitgliederzahl unter einen Kernbestand von zumindest drei Personen, das der Senat für den gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 31. Juli 2007 ausschließt, spricht, dass die Aktionsfähigkeit der Vereinigung zu keinem Zeitpunkt nachließ. Sie blieb vielmehr sowohl In operativer als auch publizistischer Hinsicht über die Jahre hinweg konstant „leistungsfähig”, obwohl in einer Veröffentlichung von - tatsächlich stattgefundener - Mitgliederfluktuation berichtet worden war. Die beachtliche Zahl von fünfundzwanzig Brandanschlägen in sechs Jahren wurden von zahlreichen Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg) begleitet, über die sich der Senat durch die Verlesung/Selbstlesung gemäß §249 Abs. 2 StPO und die ergänzenden Bekundungen der Zeugen KHK Nolte, KHK Kröger, KHK Damm und Eggebrecht ein Bild gemacht hat. Der Zeuge KHK Damm hat insoweit glaubhaft bekundet, dass er im Rahmen seiner Textauswertungen die Veröffentlichungen in drei Kategorien eingeteilt und nach (1) Selbstbezichtigungsschreiben, (2) Beiträgen zur Militanzdebatte, Interviews, Beiträgen in den Zeitschriften „Interim” und „radikal”, Presseerklärungen sowie (3) Beiträgen zur militanten gruppe (mg) von anderen Autoren unterschieden habe. Die in seinem Auswertungsvermerk vom 26. Juni 2007 chronologisch erfassten 106 teilweise umfangreichen Texte hat er ausführlich erläutert und den Zusammenhang zwischen Veröffentlichungen, die er nachvollziehbar der militanten gruppe (mg) zurechnete, und den Reaktionen anderer Autoren oder Gruppen darauf schlüssig erhellt und damit ein deutliches Bild der publizierten Auseinandersetzungen innerhalb der linksradikalen gewaltbereiten Szene gezeichnet, welches in den Vernehmungen der Zeugen KHK Nolte und KHK Kröger Bestätigung gefunden hat. Die Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz, soweit sie der Zeuge Eggebrecht mitgeteilt hat, stehen damit in Einklang. Dabei hat der Senat die Aussage des Zeugen Eggebrecht einer besonders kritischen Würdigung unterzogen, weil dessen wahre Identität, wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen, nicht offenbart worden ist.

In dem bereits zitierten Beitrag „Bewaffneter Kampf - Aufstand...”aus der „Interim” Nr. 600 gibt es zudem einen deutlichen Hinweis darauf, dass die militante gruppe (mg) sehr bewusst über die mit Zu- und Abgängen von Mitgliedern verbundenen „strukturellen Probleme” reflektierte und von der Erforderlichkeit eines „organisierten Kerns” von Mitgliedern für den Aufbau, aber auch den Erhalt klandestiner Gruppenstrukturen ausging, da anders die selbst gestellten Aufgaben nicht zu bewältigen seien:

„Nach den bisherigen Erfahrungen im Aufbau und Erhalt von klandestinen Gruppenstrukturen können wir konstatieren, dass nicht ‚tapfere Kämpfer (!)’ das vorrangige Problem der Gruppenreproduktion sind, da diese spätestens nach einiger Zeit feststellen müssen, dass ihr ‚revolutionärer Romantizismus’ doch kräftig mit der Profanität des Gruppenalltags im Clinch liegt. Diese bleiben über kurz (meistens kurz) oder lang fort. Es zeigt sich vielmehr eine Gefahr der Gruppenexistenz durch jene, die die Vielschichtigkeit der organisierten und kontinuierlichen Klandestinität (und die damit verbundene kollektive Verantwortung) nicht erkennen können oder wollen und die militante Praxis, sofern sie dann einmal auf dem Programm steht, eher als abenteuerne und exquisite Abwechslung des monotonen (privaten) Alltags ansehen, um danach gleich wieder in den selben zu schlüpfen. In diesem Zusammenhang ist auch eine sachliche Diskussion und Reflexion über das vermeintliche oder tatsächliche ‚Kader-sein’ erforderlich, fernab von irgendwelchen produzierten Horrorszenarien. Uns ist kein Revolutionsprozess bekannt in dem es nicht einen organisierten Kern von GenossInnen gab, der für die gesamten reproduktiven Aufgaben von Strukturen Verantwortung und Verbindlichkeit übernommen hätte. Sich bewusst und konsequent für einen Sozialrevolutionären und antiimperialistischen Revolutionsprozess zu entscheiden, der ja offensichtlich vielen als Perspektive vorschwebt, sehen wir als einen ‚qualitativen Sprung’ an, da man sich allen hier knapp erwähnten Unzulänglichkeiten, Widersprüchen etc. ganz praktisch zu stellen hat und die Ebene des bloß im Munde geführten Wortes zwangsläufig verlassen muss. Fürwahr eine spannende Diskussion, auf die wir regelmäßiger zurückkommen werden, da sie ja sozusagen unser ‚täglich Ding’ ist.” [Hervorhebungen durch den Senat]

(2) Dass es sich bei der militanten gruppe (mg) um einen auf Dauerangelegten freiwilligen organisatorischen Zusammenschluss handelte, ergibt sich aus ihren Tatbekennungen und sonstigen Veröffentlichungen, insbesondere den darin zum Ausdruck kommenden Bemühungen um die Proklamation und den Aufbau einer militanten Plattform sowie eine revolutionäre Änderung der bestehenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Dies folgt auch aus der Entscheidung für einen „Markennamen” sowie dem anschließenden Auftreten unter dieser unverändert beibehaltenen Bezeichnung über mehrere Jahre hinweg. Anhaltspunkte, die gegen die Freiwilligkeit des Zusammenschluss der Mitglieder sprechen, hat die Hauptverhandlung nicht ergeben; die bereits zitierten Texte über die Gruppenstruktur zeigen vielmehr, dass es eine auf dem Willen der einzelnen Personen beruhende Mitgliederfluktuation gab, die hingenommen wurde.

(3) Die Erkenntnisse zur Willensbildung der Vereinigung und Unterordnung der einzelnen Mitglieder unter den Gruppenwillen entnimmt der Senat ebenfalls den Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg), die hinreichend und authentisch abbilden, auf welche Weise sich die interne Willensbildung vollzog. Daraus ergibt sich, dass der Gruppenwille kollektiv gebildet wurde. Hierarchische Führungsstrukturen im Sinne einer auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam basierenden (para-) militärischen Organisation gab es nicht. Aber auch der Mehrheitswille war nicht maßgeblich. Die Mitglieder strebten zur Bildung eines Gruppenwillens vielmehr einen weitgehenden Konsens aller Gruppenmitglieder an. Konnte dieser nicht hergestellt werden, hatte das jeweilige Mitglied die Wahl, eine mehrheitlich gewollte Aktion der Gesamtgruppe entweder zu akzeptieren oder aber im Sinne eines Vetorechts zu verhindern. Entscheidend für die Willensbildung war mithin die nach einer längeren Diskussion gefundene Übereinstimmung aller Beteiligten. Dies belegen unter anderem etwa folgende Zitate aus dem in der „radikal” Nr. 158 abgedruckten schriftlichen Interview mit der militanten gruppe (mg) im April 2005 („Wir haben uns mit einer Menge Puste auf den Weg gemacht”):

„Wir würden auch neu zusammengefundenen Zusammenhängen, die auch militant agieren wollen, nicht empfehlen, sich bereits vor der ersten Aktion auf eine Namenskontinuität festzulegen. Dafür braucht es eine praktisch erprobte Festigkeit der Gruppe und kollektiv abgestimmter inhaltlicher Absprachen.”

Für den Gruppenzusammenhalt sei es

„...existentiell, die gesamte Positionierung der Gruppe kollektiv auszuarbeiten, um eventuell inhaltlich bedingte Spannungen, Zerwürfnisse und diametrale Ansichten frühzeitig offen zu legen und nach gemeinsam getragenen Lösungswegen zu suchen.”

Angst sei

„...der falsche Ratgeber für eine militante Politik. Sollte dieser Punkt in einem klandestinen Zusammenhang dominant werden, können wir von einer weiteren militanten Praxis nur abraten, da auf Grund der alles andere überlagernden Unsicherheit/Verunsicherung existentielle Fehler zu Lasten der Gruppe vorprogrammiert sind. Da sollten auch keine internen Überredungskünste angestellt werden, die nur in der Lage sind, eine wacklige Gruppenkonstellation notdürftig zusammen zu flicken.” [Hervorhebungen durch den Senat]

Die militante gruppe (mg) betonte dabei auch die Abgrenzung gegenüber spontan oder kurzzeitig agierenden militanten Gruppierungen:

„Es ist klar, dass kurzlebige oder sporadisch militant agierende Zusammenhänge keine intensiven gruppeninternen Diskussionen führen können und werden, die dann auch noch nach außen transportiert werden.”

(„Ein Debattenversuch der „militanten gruppe (mg)”, „Interim” Nr 539 vom 29. November 2001)

Der Wille des Einzelnen ging danach in einem gemeinsam und konsensual gebildeten Verbandswillen auf. Die Mitglieder richteten ihren Handlungswillen und insbesondere die militanten Aktionen an den grundlegenden ideologischen und strategischen Vorgaben der Gruppe aus, ordneten sich somit dem aus einer breit angelegten Diskussion entstandenen Gruppenwillen unter und empfanden sich als ein einheitlicher Verband.

(4) Der Umstand, dass sich die Zeugen KHK Nolte und KHK Kröger, wie in den Feststellungen wiedergegeben, mit zwei Textbeiträgen nach dem Anschlag vom 10. Januar 2005 an der „Militanzdebatte” beteiligt haben, gibt aus Sicht des Senats keinen Anlass, die Authentizität der zitierten Texte der militanten gruppe (mg) in Zweifel zu ziehen. Zwar war insoweit eine besonders kritische Würdigung geboten, weil in den Akten, die dem Senat vorgelegt wurden, dieses nicht vermerkt war und in dem Bericht des Zeugen KHK Damm der Eindruck erweckt wurde, dass es sich um authentische „Szene”-Beiträge gehandelt habe. Der Zeuge KHK Damm hat dies jedoch auf Vorhalt und Befragung der Verteidigung richtiggestellt. Die insoweit angestellten weiteren Ermittlungen und Zeugenbefragungen haben zweifelsfrei ergeben, dass über die beiden auf ermittlungstaktischen Erwägungen beruhenden und von der Bundesanwaltschaft genehmigten Beiträge hinaus von den Ermittlungsbehörden keine weiteren Texte zur „Militanzdebatte” beigesteuert worden sind.

c) Feststellungen zu den Brandanschlägen bis zum 18. Mai 2007

Die Einzelheiten der in der Zeit vom 22. Juni 2001 bis zum 18. Mai 2007 begangenen Brandanschläge stehen fest aufgrund der Vernehmung des Zeugen EKHK Binz sowie der ergänzenden Inaugenscheinnahme von Tatortfotos, Skizzen und Kartenausschnitten. Der Zeuge EKHK Binz, der zum Teil selbst an den Tatorten ermittelt hatte, hat sämtliche Anschlagsakten ausgewertet und dem Senat anschaulich die festgestellten Sachverhalte vermittelt. Die Sachschadensbeträge ergaben sich aus Schätzungen der Ermittlungsbehörden vor Ort, teilweise auch aus den Schadensaufstellungen der Geschädigten. Die jeweiligen Tatbekennungen sind im Selbstleseverfahren gemäß §249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Anhaltspunkte für eine falsche Selbstbezichtigung der militanten gruppe (mg) oder dahin, dass „Trittbrettfahrer” den Namen der Vereinigung „missbrauchten”, haben sich in keinem dieser Fälle ergeben. Zu allen Anschlägen, die der Senat der militanten gruppe (mg) zurechnet, liegen schlüssige, vielfach von Täterwissen geprägte Selbstbezichtigungen vor. Dementis der militanten gruppe (mg) gibt es zu diesen Anschlägen nicht.

Soweit die Ermittlungsbehörden in zahlreichen weiteren Anschlagsfällen die Urheberschaft ebenfalls bei dieser Vereinigung vermuten, konnte der Senat - dem Zweifelssatz („in dubio pro reo”) folgend - sich keine Überzeugung davon verschaffen.

d) Mitgliedschaft der Angeklagten in der militanten gruppe (mg)

Die Beweisaufnahme zur hat eine Vielzahl von Beweisanzeichen ergeben, die in der Gesamtschau zur Überzeugung des Senats keinen Zweifel daran lassen, dass die Angeklagten Mitglieder der militanten gruppe (mg) waren.

aa) Die Angeklagten waren, was eine günstige Voraussetzung für ein „klandestines” Zusammenwirken ist, lange miteinander bekannt und hatten Vertrauen zueinander. So wurde bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten A am 31. Juli 2007 ein USB-Stick sichergestellt, auf dem sich neben einem berufsbezogenen Dokument des Angeklagten A (einer Hausaufgabe zum Thema „Pflege”) auch Familienbilder des Angeklagten C befanden. Außerdem wurde in der Wohnung des Angeklagten A der Zweitschlüssel zu dem Opel Astra des Angeklagten C gefunden. Auch benutzte der Angeklagte A, wie anlässlich einer Verkehrskontrolle im November 2005 festgestellt wurde, das auf die Mutter des Angeklagten C zugelassene Auto. Aus dem bei seiner damaligen Verlobten sichergestellten, in Augenschein genommenen und auszugsweise verlesenen Jahresplaner des Angeklagten C aus dem Jahr 2001, in dem die Telefonnummer des Angeklagten B vermerkt ist, ergibt sich, dass ihre Kontakte mindestens bis in dieses Jahr zurück reichen.

bb) Aus ihrer - gemeinsamen Vorstellungen und Zielen verpflichteten - linksextremen politischen Einstellung haben die Angeklagten in ihrer Einlassung keinen Hehl gemacht.

Damit übereinstimmend wurden bei der Durchsuchung der von ihm allein bewohnten Wohnung des Angeklagten B, der sich allerdings auch beruflich mit (historischer) Literatur aus dem politisch linken Spektrum zu befassen hatte, am 31. Juli 2007 unter anderem ein Text „Hintergründe zu Carlos Marighela’s Handbuch des Stadtguerillero” und ein Sammelordner sichergestellt, in dem sich 15 Ausgaben der Zeitschrift „radikal” aus den Jahren 1992 bis 2006 sowie zwei Sonderausgaben befanden. In der darunter befindlichen Ausgabe Nr. 147 der „radikal” vom März 1993 waren in dem Text „Interview mit einer revolutionären Zelle” handschriftliche Eintragungen und Unterstreichungen vorgenommen worden, die darauf hinweisen, dass sich deren Urheber intensiv mit dem Text beschäftigt hat. Fünf der unterstrichenen Textpassagen stimmen mit Textstellen aus dem „Selbstportrait einer militanten Gruppe - anfangen, aber nicht um jeden Preis” überein, einem, wie sich aus dem Text ergibt, militanten Zusammenhang, der kontinuierlich über mehrere Jahre aktiv war.

In der Wohnung der Verlobten des Angeklagten C, in der er auch seine Jahresplaner verwahrte, wurden insgesamt 46 Ausgaben der „radikal” Nr. 160, erschienen im Winter 2006, sichergestellt.

cc) Der Angeklagte B hatte ein besonderes Interesse an Sprengvorrichtungen. Auf einer in seiner Wohnung gefundenen CD-ROM war ein Ordner mit dem Titel „Der kleine Sprengmeister” angelegt. Dieser Ordner, der vom BKA nicht geöffnet und weiter untersucht wurde, weil ein Scanner Computerviren angezeigt hatte, trägt denselben Namen wie eine (gerichtsbekannte) deutschsprachige Sammlung von Anleitungen für die Herstellung von Bomben und Zündern, die im Internet in verschiedenen Versionen als Datei oder als Programm zugänglich ist. Die Durchsuchung seiner Wohnung brachte außerdem zutage, dass der Angeklagte B im Besitz von pyrotechnischer Munition im Sinne des Waffengesetzes, nämlich vier Pyro-Knallpatronen (Knall-Geschosse 15 mm), war, ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu haben. Eines dieser Knallgeschosse war dahingehend verändert worden, dass am Anzünd-/Verzögerungssatz eine Zündschnur angebracht worden war. Das insoweit gegen den Angeklagten B eingeleitete Strafverfahren ist durch Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. Juli 2009 gemäß §154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

dd) Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten A wurde ferner in der Küche ein handgeschriebener Zettel mit darauf befindlichen Fingerabdruckspuren der Angeklagten A und B gefunden, auf dem der Name „Haeberer” und Informationen über dessen Nebentätigkeit als Sportlehrer vermerkt waren. Daraus ist nicht nur zu folgern, dass die Angeklagten A und B handschriftliche Notizen austauschten. Haeberer ist der Präsident des Landeskriminalamts Berlin und damit ein prominenter Repräsentant des von der linksextremen Szene bekämpften „Repressionsapparates”. Eine unbefangene Erklärung für diese Notiz in den Händen der Angeklagten A und B gibt es nicht, vielmehr zieht der Senat daraus den Schluss, dass dieser Beamte im Zusammenhang mit den Aktivitäten der militanten gruppe (mg) das Interesse der Angeklagten erregt hat und zumindest hinsichtlich seiner Nebentätigkeit ausgespäht wurde.

ee) Die Angeklagten verhielten sich konspirativ und tauschten untereinander bzw. mit Personen, die im Verdacht der Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) standen, Nachrichten über Entwurfsordner von E-Mail-Accounts aus, ohne dass die Nachrichten über das Internet versandt wurden.

Dies ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen KOK Kaebelmann. Dieser hat am 14. Februar 2007 an der Observation des im Verdacht der Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) stehenden gesondert verfolgten Z teilgenommen, die mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 19. Januar 2007 (1 BGs 21/2007) angeordnet worden war. Der gesondert Verfolgte suchte gegen 20.40 Uhr das Internetcafe „Call-Shop” im Weinbergsweg 4A in 10119 Berlin, welches nur etwa einen Kilometer von seiner Wohnanschrift entfernt liegt, auf und baute eine Verbindung zu einem E-Mail-Account bei Yahoo auf. Dem observierenden Beamten KOK Kaebelmann gelang es seinen glaubhaften Bekundungen zufolge, den Nicknamen „opelprolls” und die E-Mail-Adresse „opelprolls@yahoo.de” vom Bildschirm abzulesen, während seine Kollegin PK’in Ben mit einer Videokamera über die Schulter des Beobachteten hinweg die Situation und den Bildschirm im Vorbeigehen filmen konnte. Auf den im Zusammenhang mit der Vernehmung in Augenschein genommenen Videoprints, deren Entstehen der Zeuge KOK Kaebelmann schlüssig und mit detaillierter Erinnerung erläutert hat, ist die E-Mail-Adresse „opelprolls@yahoo.de” auf Ausschnittvergrößerungen deutlich erkennbar. Z schrieb - wie sich aus der Videoaufzeichnung ergab - eine E-Mail mit dem Text: „Bin erst diese Woche zurück. Was hältst Du von Donnerstag (22.02.) um 22.00? Bin schon gespannt auf die Kappen!” Z sandte diese E-Mail nicht ab, sondern beließ sie im Entwurfsordner. Der Angeklagte A, der auf eine nicht geklärte Weise Kenntnis von den Zugangsdaten und dem Passwort zu dem Account Kenntnis erlangt hatte, griff zu einem späteren Zeitpunkt auf diesen als „toten Briefkasten” eingerichteten E-Mail-Account „opelprolls@yahoo.de” zu und wusste die offenbar verschlüsselte Mitteilung zu deuten, die keinen Treffpunkt bezeichnete. Denn zu der in der E-Mail angegebenen Zeit observierte der Zeuge KOK Kaebelmann wiederum den gesondert verfolgten Z und konnte beobachten, wie dieser sich mit dem Angeklagten A gegen 22.00 Uhr in Berlin am S-Bahnhof Nord traf. Bei dem ca. 75 Minuten dauernden Treffen verhielten sich die Beobachteten nach Ansicht des Zeugen „auffällig konspirativ”. Die bei der Observation gefertigten Lichtbilder dieses Treffens hat der Senat in Augenschein genommen, sie zeigen zweifelsfrei den Angeklagten A, der den ermittelnden Beamten zum Zeitpunkt der Observation noch nicht bekannt war.

Wie die Zeugin KHK’in Alles bekundete, ergaben die Ermittlungen zu dem E-Mail-Account „opelprolls@yahoo.de”, dass dieser auf eine fiktive Person eingerichtet worden war. Aufgrund des Beschlusses des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 15. März 2007 wurden die noch auf dem Server gespeicherten Daten beschlagnahmt. Die Auswertung ergab, dass seit Anfang Oktober 2006 mehrere Personen auf demselben Account Nachrichten hinterlassen bzw. gelesen haben, ohne dass die E-Mails verschickt worden waren. Inhaltlich konnten die kurzen codierten Nachrichten nur insoweit nachvollzogen werden, als dass es wiederkehrend um Treffvereinbarungen ging. Wie auch in der an den Angeklagten A gerichteten Nachricht, in der es um „Kappen” ging, tauchten in den Nachrichten - passend zu dem auf eine Automarke bezogenen Namen des Accounts - immer wieder Begriffe wie „Radkappen” und „Winterreifen” auf. Auffällig war insoweit auch, dass weder der Angeklagte A noch der gesondert verfolgte Z über ein eigenes Kraftfahrzeug verfügten.

Ein weiteres - aufgrund des die Observationszeit verlängernden Beschlusses des Ermittlungsrichters vom 11. April 2007 (1 BGs 123/2007) - observiertes etwa einstündiges Treffen zwischen dem Angeklagten A und Z fand am 19. April 2007 in der Gaststätte „St. Oberholz” statt, nachdem sie sich zuvor ebenfalls verschlüsselt über diesen Account verabredet hatten. Es gelang den Ermittlungspersonen nicht, den Inhalt der Gespräche festzustellen.

Der Zeuge KOK Puppel, der ebenfalls an den Observationen teilgenommen hat, hat die Angaben des Zeugen KOK Kaebelmann bestätigt und die Umstände der Identifizierung des Angeklagten A so anschaulich und plausibel geschildert, dass der Senat keinen Zweifel anderen Richtigkeit hat.

Auf dem bereits genannten USB-Stick des Angeklagten A befand sich außerdem die Software „Damn Small Linux”, die ein Nutzen von beliebigen Personal Computern - etwa in Internetcafes - erlaubt, ohne dabei Spuren zu hinterlassen.

Auch der Angeklagte C benutzte diese Vorgehensweise der konspirativen Kommunikation über den Entwurfsordner eines E-Mail-Accounts. In seinem Brustbeutel, den er bei seiner Festnahme bei sich trug und in dem er unter anderem auch seinen Führerschein, die Zulassungsbescheinigung für seinen Opel Astra und den Reparaturabholschein verwahrte, wurde, wie die Zeugen EKHK’in Baumert und EKHK Schäfer bekundet haben, ein handschriftlicher Zettel sichergestellt, auf dem Folgendes vermerkt ist: „opa_karl1@yahoo.de Passwort 11.22.33 Mitte und Ende des Monats ins Postfach schauen Termin ohne Treffpunkt hinschreiben Erster Treffpunkt Café in Karstadt (ganz oben) Am Hermannplatz”. Hierbei handelte es sich um einen am 20. Juni 2007 eingerichteten E-Mail-Account, der nach den eindeutigen Notizen denselben Zweck des konspirativen Nachrichtenaustauschs wie der Account „opelprolls@yahoo.de” hatte. Hier wird die Vorgehensweise der Benutzung des „toten Briefkastens” in Stichwörtern genau beschrieben.

Aus der Observation des Treffens der Angeklagten B und A am 9. Mai 2007 zieht der Senat keine für die Angeklagten nachteiligen Schlüsse. Am Morgen dieses Tages wurden die Wohnungen der seinerzeit gesondert verfolgten W, X und Y durchsucht, die im Verdacht der Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) standen. Parallel dazu wurden die Angeklagten B und A observiert, die sich am frühen Nachmittag und am späten Abend jeweils in der Nähe ihrer Wohnungen trafen und sich dabei „äußerst konspirativ” verhalten haben sollen. Erkenntnisse, die eindeutige Schlussfolgerungen für das vorliegende Verfahren erlauben, haben sich daraus nicht ergeben.

ff) Aus der Telefonüberwachung der Gespräche der Angeklagten unmittelbar vor dem versuchten Brandanschlag vom 31. Juli 2007 ergibt sich, dass die Angeklagten, wie im Zusammenhang mit den Ergebnissen dieser Überwachung dargestellt werden wird, sich mit wenigen Worten über komplexe Zusammenhänge verständigen konnten.

gg) Die Angeklagten A und B waren nach dem verlesenen Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 17. August 2007, das der Zeuge Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Remberg verfasst hat, von 1999 bis 2002 aktive Mitglieder der „gruppe mücadele” in Berlin, die seit Anfang 2003 unter diesem Namen nicht mehr in Erscheinung getreten ist und sich als eine „internationalistische und antiimperialistische Solidaritäts- und Antirepressionsgruppe” verstand und vom Bundesamt innerhalb der gewaltbereiten bzw. autonomen linksextremistischen Szene verortet wurde. Schwerpunktmäßig befasste sich diese Gruppe ausweislich des Behördenzeugnisses und den Angaben des Zeugen mit der „Antirepressionsarbeit” im Zusammenhang mit der seit 1998 in der Bundesrepublik verbotenen linksextremistischen Organisation DHKP-C und wies selbst darauf hin, dass ihre Tätigkeit alle „radikalemanzipatorischen Befreiungskämpfe und Umwälzungsprozesse im Trikont wie in den Metropolen” einschließe. In einem in dem Behördenzeugnis zitierten Papier der Gruppe aus dem Jahr 2000 wird Sympathie für Terroristen erkennbar, indem es im Zusammenhang mit Hungerstreiks heißt: „Unsere Genossen Holger Meins und Sigurd Debus wurden dabei ermordet. Der Kampf der Gefangenen wurde draussen von Demos und militanten Aktionen unterstützt. Unsere Genossinnen in den Knasten waren schon immer Teil unserer Kämpfe.” Der Senat hat keinen Anlass, die Angaben des Zeugen oder die im Behördenzeugnis bekundeten Tatsachen in Zweifel zu ziehen. Zu dem Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 9. September 2008, demzufolge die Angeklagten A und B am 20. September 2008 an einem Treffen der Gruppe „mücadele” mit der Gruppe „Revolutionärer Aufbau Schweiz (RAS)” in Zürich teilgenommen haben sollen, konnte der Zeuge keine Angaben machen; der Senat zieht aus diesem Zeugnis keine weiteren Schlüsse.

hh) Die vorgenannten Tatsachen sind bereits gewichtige Indizien für die Mitgliedschaft der Angeklagten in der militanten gruppe (mg). Es kommt hinzu, dass sich der festgestellte versuchte Brandanschlag vom 31. Juli 2007 - dessen die Angeklagten, wie noch dargelegt werden wird, überführt sind - sowohl im Hinblick auf das Anschlagsziel als auch die Vorgehensweise in die vorangegangene Anschlagsserie der militanten gruppe (mg) einreiht.

Der Senat hat erwogen, ob die Indizien in der Gesamtschau gleichwohl so zu deuten sein könnten, dass die Angeklagten nicht zur militanten gruppe (mg), sondern zu einer anderen eigenständigen militanten Gruppierung aus dem linksextremistischen Spektrum gehörten oder - im Hinblick auf die sichergestellten Exemplare der Zeitschrift „radikal” - Mitarbeiter oder Autoren des Redaktionskollektivs einer linksextremistischen Zeitschrift waren, die sich erstmalig zu einem Anschlag zusammengefunden haben. Er schließt das jedoch aus. Denn es liegen weitere gewichtige Indizien vor, die in der Gesamtschau dem Senat die volle Überzeugung (§26 1 StPO) verschafft haben, dass die Angeklagten ihre Aktivitäten nicht etwa unabhängig von der militanten gruppe (mg), sondern als Mitglieder dieser Vereinigung entfalteten.

ii) Von besonderem Gewicht war dabei, dass die Angeklagten A und B an der Erstellung eines nicht fertiggestellten Dokuments mit dem Titel „Mini-Handbuch für Militante” mitwirkten, das eindeutig der militanten gruppe (mg) zuzurechnen ist und wegen des „klandestinen” Charakters dieser Vereinigung nur deren Mitgliedern zugänglich war.

(1) Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten A am 31. Juli 2007 wurde ein zwölfseitiger Text gefunden, der Teil einer Schrift mit dem Titel „Mini-Handbuch für Militante”, Untertitel „INHALT-PRAXIS-REPRODUKTION-ORGANISIERUNG (IPRO)”, ist. Dieses Schriftstück befand sich, wie die Zeugen KOK Achilles und KHK Nolte bekundet haben, zusammen mit 29 weiteren Texten in einem aus 229 Seiten bestehenden Stapel, der in einer Art Altpapierablage im Wohnzimmer des Angeklagten A sichergestellt wurde. Das sichergestellte Fragment des „Mini-Handbuchs für Militante” besteht aus dem Inhaltsverzeichnis sowie den Kapiteln 0 und 1 von insgesamt neun Kapiteln. Die Inhalte dieser Kapitel sind, wie der Zeuge EKHK Schäfer dargelegt hat, in Teilen identisch mit Textpassagen früherer Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg) im Rahmen der von ihr geführten Militanz- und Organisierungsdebatte. Die im Kapitel 0 „Einleitung zum Sinn & Zweck des Mini-Handbuchs” gemachten Ausführungen zu dem „Mini-Handbuch des Stadtguerillero” von Carlos Marighela, an dem sich das „Mini-Handbuch für Militante” orientierte, finden sich sinngemäß, nur wenig verändert und zum Teil wörtlich in einem Text mit dem Titel „Hintergründe zu Carlos Marighela’s Handbuch des Stadtguerilleros” wieder, der in der Wohnung des Angeklagten B sichergestellt wurde.

(2) Bei dem „Mini-Handbuch für Militante” - im Folgenden auch abgekürzt als „Mini-Handbuch” bezeichnet - handelt es sich um den Entwurf eines Positionspapiers der militanten gruppe (mg).

Die Verfasser verfolgten das erklärte Ziel, mit dem Text „einen Orientierungsfaden für die Voraussetzungen und Erfordernisse einer militanten Politik, der zu einer Handlungsanleitung werden kann, zu formulieren”. Auf Seite 2 wird zum Sinn und Zweck des Mini-Handbuchs für Militante ausgeführt:

„Wir wollen hierbei so praxisnah wie möglich die einzelnen Aspekte behandeln, deshalb auch die im Anhang veröffentlichte und seit Jahren erfolgreich erprobte Anleitung für einen Brandsatz. Wir werden aber nicht darum herum kommen, zu unterstreichen, dass die Methode der Militanz mehr beinhaltet als nur eine mehr oder weniger definierte Bandbreite von Aktionsmitteln. Der Weg von einer militanten Praxis zu einer militanten Politik, die alle inhaltlichen, praktischen, reproduktiven und organisatorischen Grundlagen zu schaffen versucht, braucht Kontinuität und Konsistenz im politischen Alltagskleinklein.

Wir sehen, und dies wäre eine weitere Parallele zu Marighela, dieses Mini-Handbuch für Militante als (Zwischen-) Ergebnis unserer mehrjährigen Tätigkeit als militante gruppe (mg).

Auch hier fließen Erfahrungswerte, die aus positiven wie negativen Aspekten unseres Gruppenprozesses gezogen werden konnten, zu einem systematischen, aber nicht inhaltlich abgeschlossenen Text zusammen. Wir stützen uns nicht nur selbst-verliebt auf unsere eigenen zwei Buchstaben, sondern beziehen die gesamte seit 2001 laufende Militanzdebatte plus jene seit dem Ende der bewaffneten Linken nach Anfang der 90er Jahre ein. (...)

Schlussendlich wollen wir mit diesem Mini-Handbuch für Militante den seit Jahren von uns allen unterschwellig registrierten Epochenwechsel in der revolutionären Linken manifestieren: Wir können uns nicht mehr-im Windschatten von RAF, RZ und anderen Zusammenhängen bewegen bzw. verstecken; wir müssen, auf diesen Fundamenten fußend, im Rahmen einer reflektierten (Wieder-)Aneignung der Widerstandsgeschichte der revolutionären Linken weltweit zu eigenen Politiken finden.”

Im Abschnitt „1.1. Strategie, operative Kunst und Taktik als Elemente der Kriegslehre” heißt es weiter über die „politisch-militärischen Strategie”:

„In unserem Fall bildet dieses vielschichtige strategische Ganze den ,komplexen revolutionären Aufbauprozess’ mit seinen verschiedenen Elementen (Basisbewegung - militante Gruppen - Guerillastrukturen - revolutionäre Parteistruktur). Dieses Ensemble stellt die strategische Basis dar, um den Sozialrevolutionären und antiimperialistischen Befreiungskampf auf kommunistischer Grundlage mit der Perspektive der Revolution (Definition siehe weiter unten) zu führen. Das anvisierte übergeordnete Ziel liegt in der Abschaffung der herrschenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse und in der Realisierung einer kommunistischen Gesellschaftsform.”

Dabei war den Verfassern durchaus die strafrechtliche Relevanz bewusst, wenn sie zu „klandestinen Praxen” ausführen:

„Faktisch ausnahmslos sind diese Aktionsformen gesetzeswidrig und werden mit den eigens hierfür installierten Paragraphen (z.B. §129, a, b StGB) verfolgt. Allerdings kann man als Grundaussage festhalten, dass militante Aktionen (z.B. Brandanschlag auf Firmenfahrzeuge) in der Regel mit einem geringeren Strafmaß abgeurteilt werden als bewaffnete (z.B. Attentat auf eine führende Person aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft). Des weiteren bezeichnen wir diese militanten und/oder bewaffneten Aktionen als Formen revolutionärer Gewalt. (...)

Klandestinität ist von der Illegalität zu unterscheiden. Während klandestines Agieren kein illegales/illegalisiertes Dasein, also die Existenz im Untergrund, voraussetzt, ist unter Bedingungen einer Illegalität eine politische Betätigung aus dem normalen, legalen Alltag heraus nicht vorstellbar. Klandestinität heißt nichts weiter als sich zu einem bestimmten und verabredeten Zeitpunkt seiner nach außen hergetragenen ‚Gesetzeskonformität’ zu entledigen und bspw. einen Brandanschlag durchzuführen. Nach der Ausführung desselben geht man seinem unauffälligen und gewöhnlichen Alltag (Job, Studium, soziale Hängematte) wieder nach als ob nichts gewesen wäre.

Im Ergebnis unterscheiden wir zwischen Öffentlichkeit, Klandestinität und Illegalität/Illegalisierung in der revolutionären Politik. Sowohl für eine militante als auch eine bewaffnete Praxis ist aufgrund des deutlich geringeren logistischen und organisatorischen Aufwand die Klandestinität der Illegalität vorzuziehen. Das Setzen der Illegalität als Offensivposition, wie es u.a. im ‚Konzept Stadtguerilla’ (April 1971) durch die Genossinnen der früheren RAF postuliert wurde, erwies sich in der Rückschau als problematisch. (...)

Klandestinität ist die Option revolutionärer Politik, die das eigene militante und/oder bewaffnete Agieren vor unerwünschten Einblicken von außen schützt ohne dabei sich der Gefahr der Abkopplung von der revolutionären Linken bzw. den Prozessen sozialer Bewegungen auszusetzen.”

Zur revolutionären Gewalt heißt es unter anderem:

„Fünftens trägt revolutionäre Gewalt nicht nur allein defensive und moralische Züge, in dem sie bspw. auf die sozialtechnokratische Repression nach innen und die imperialistische Aggression nach außen per Reflex reagiert (...) Wir brauchen nicht auf einen neuen 2. Juni 67 (Ermordung Benno Ohnesorg während des Schah-Besuches in Westberlin durch den Bullen Kurras) zu warten, um eine Rechtfertigung für unser politisches Wirken abzuleiten. Der Anblick des Panoramas der Historie eines globalisierten kapitalistischen Systems des Kolonialismus und Imperialismus reicht aus, um zu wissen, dass kräftig in die Speichen zu greifen ist (...) Wenn es nach Abwägung aller Voraussetzungen geboten ist, anzugreifen, werden wir es als Kommunistinnen selbstverständlich tun.”

Dass die militante gruppe (mg) die Urheberin des - sich inhaltlich nahtlos in die Ideologie der Vereinigung einfügenden - Textes war, wird bereits dadurch belegt, dass die Autoren „dieses Mini-Handbuch für Militante als (Zwischen-) Ergebnis unserer mehrjährigen Tätigkeit als militante gruppe (mg)” bezeichnen. An mehreren Stellen des Textes wird dies auch in der Weise betont, dass Zitate mit Erläuterungen und dem Klammerzusatz „Anm. mg” versehen oder auf anderweitig veröffentlichte Texte der militanten gruppe (mg) mit dem Verweis „vgl. unseren Text...” hingewiesen wird.

Die Urheberschaft folgt zudem aus dem Umstand, dass die militante gruppe (mg) ein solches Handbuch bereits in der im Sommer 2005 erschienenen „radikal” Nr. 158 („Wir haben uns mit einer Menge Puste auf den Weg gemacht - Ein schriftliches Interview mit der militanten gruppe (mg), April 2005”) angekündigt hatte:

„Denn das, was in den vergangenen Jahren inhaltlich und teilweise praktisch umgesetzt wurde, ist in der Summe vor dem Hintergrund der diversen ‚Militanzdebatten-Versuchen’ seit den 90er Jahren schon bemerkenswert. Wir betrachten unsere Aufgabe darin, in den kommenden Monaten zu einer Zusammenfassung des bisher Erarbeiteten zu kommen, selbstverständlich unter Berücksichtigung der verschiedenen Debattenfragmente der letzten 15 Jahre (Ihr habt in Eurer Frage einige dieser aufgelistet). Wir glauben, dass es auf der Grundlage des vorhandenen Materials gelingen kann und sollte, Kriterien für eine militante Politik zu fixieren; gedacht als Orientierungsgrundlage für alle, die an einem revolutionären Aufbauprozeß teilnehmen wollen. Die aktuelle Militanzdebatte langsam aber sicher in die Zielgrade zu führen, auch wenn wichtige, vor allem organisatorische Resultate (vorläufig) nicht erreichbar sind, muß aus unserer Sicht die Maßgabe sein.” [Hervorhebungen durch den Senat]

Auf derselben Linie liegt es, dass die militante gruppe (mg) in ihrem am 16. Juni 2005 in der „Interim” Nr. 618 veröffentlichten Beitrag „Zur ‚postautonomen und konsumistischen’ Sicht auf die Militanzdebatte von der militanten gruppe (mg)” mitgeteilt hatte:

„Die aktuell geführte Militanzdebatte sollte aus unserer Sicht langsam aber sicher bilanziert werden.”

(3) Die 29 weiteren Texte, die in dem Papierstapel zusammen mit dem Entwurf des „Mini-Handbuchs für Militante” aufgefunden wurden, enthalten Basis- und Hintergrundliteratur für die Erstellung des „Mini-Handbuchs”, so beispielsweise Auszüge einer Broschüre von Rosa Luxemburg mit dem Titel „Sozialreform oder Revolution?”, die als Quelle im Abschnitt „1.5.1 Bewaffneter Kampf” des „Mini-Handbuchs” genannt wird.

In dem Stapel befand sich auch ein Blatt, auf dem die teilweise auf den Vortag des jeweiligen Anschlages datierten Anschlagserklärungen der militanten gruppe (mg) vom Juni 2001 bis hin zum Brandanschlag auf den Neubau des Discounters LIDL am 10. Januar 2005 sowie verschiedene Verlautbarungen der militanten gruppe (mg) wie folgt aufgelistet sind:

Anschlagserklärungen der militanten gruppe (mg)

• „Beipackzettel” zur Kleinkaliberpatronenverschickung an Lambsdorff, Gentz und Gibowski vom 12.6.2001

• „Erklärung zur Verschickung der Kleinkaliberpatronen vom 14.6.2001

• „Erklärung zum Brandanschlag auf Fahrzeuge auf dem Gelände der DaimlerChrysler-Niederlassung Berlin-Marienfelde vom 21.6.2001

• „Erklärung zum Brandanschlag auf das Sozialamt Berlin-Reinickendorf und der Kleinkaliberpatronenverschickung an Sozialstadtrat Balzer vom 5.2.2002

• „Erklärung zum Brandanschlag auf Fahrzeuge eines DaimlerChrysler-Vertragshändlers In Brandenburg vom 29.4.2002

• „Erklärung zum Brandanschlag auf das Finanzamt Berlin-Neukölln vom 31.12.2002

• „Erklärung zum Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg vom 25.2.2003

• „Erklärung zu den Brandanschlägen auf das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt und die Staatsanwaltschaft Halle/S. vom 17.9.2003

• „Erklärung zum Brandanschlag auf ALBA- Fahrzeuge in Berlin vom 29.10.2003

• „Erklärung zum Brandanschlag auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin vom 31.12.2003

• „Erklärung zum Brandanschlag auf das „MoZArT”- Projekt des Arbeitsamtes Berlin-Nord und Sozialamtes Berlin-Pankow vom 29.3.2004

• „Erklärung zum Brandanschlag auf Fahrzeuge der Deutschen Telekom in Berlin-Wedding vom 6.5.2004

• „Erklärung zu den Brandanschlägen auf das Sozialamt Berlin-Tempelhof-Schöneberg und eine Verwaltungseinrichtung des „Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG)” in Berlin-Reinickendorf sowie die 9 mm-Patronenverschickung an Sozialstadtrat Krömer vom 23.9.2004

• „Erklärung zum Brandanschlag auf einen LIDL- Neubau vom 10.1.2005


Debattenbeiträge der militanten gruppe (mg)

• „Ein Debattenversuch (23. November 2001)

• „Für einen revolutionären Aufbauprozeß - für eine militante Plattform (15. April 2002)

• „Eine Auseinandersetzung mit den Autonomen Gruppen und Clandestino über die Organisierung militanter Gruppenstrukturen (August 2002)

• „Ein Beitrag zum Aufruf „27. Juni 1993 - 10 Jahre nach dem Tod von Wolfgang Grams. Glaubt den Lügen der Mörder nicht! Kein Vergeben - Kein Vergessen! Gemeinsam den Kampf um Befreiung organisieren!” (15. Juni 2003)

• „Bewaffneter Kampf - Aufstand - Revolution bei den Klassikerinnen des Frühsozialismus, Kommunismus und Anarchismus, 1. Teil (Juli 2004)

• „(Stadt-)Guerilla oder Miliz? Nachbetrachtungen zum Kongress „Theorie und Praxis der Stadtguerillabewegung - der bewaffnete Kampf als Teil linker und bundesdeutscher Geschichte” (Dezember 2004)


Presseerklärungen, inhaltliche Interventionen und sonstige Beiträge der militanten gruppe (mg)

• „Presserklärung zu den Festnahmen nach §129a in Magdeburg vom 10.12.2002

• „Presseerklärung zum revolutionären 1. Mai 2003 in Berlin vom 17.4.2003

• „Presseerklärung zum §129a-Prozeß in Halle/S. am 21.10.2003 vom 17.10.2003

• „Eine Nachbereitung zum revolutionären 1. Mai 2004 in Berlin vom 6.6.2004

• „Notizen zur laufenden (militanten) Kampagne gegen HARTZ IV/ALG II - ein Anti-Grottian - vom 30.8.2004

• „Versuch eines Streitgespräches. Reaktion auf das Interview mit Norbert „Knofo” Kröcher in der Jungle World Nr. 4/26.1.2005 vom 29.1.2005

• „Zur vermeintlichen Gefährdung eines Monteurs im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf einen LIDL-Neubau vom 15.2.2005”

Dieses Blatt ist bereits in Schrift und Layout dem „Mini-Handbuch” angepasst, woraus der Senat schließt, dass es Bestandteil des im Inhaltsverzeichnis aufgeführten, noch nicht ausgearbeiteten Kapitels 8 („Erläuterungen, Auswahlbibliografie und Hinweise”) des „Mini-Handbuchs” werden sollte.

Unter der Rubrik „Anschlagserklärungen” sind vollständig die Tatbekennungen der militanten gruppe (mg) zu allen ihren Anschlägen aufgeführt. Diese Liste bestätigt die Feststellungen, welche der Senat zu der Anschlagsserie, die er der militanten gruppe (mg) zurechnet, getroffen hat. Sie belegt auch, dass der Angeklagte A über alle Anschläge der militanten gruppe (mg) informiert war und lässt den Schluss zu, dass für den Angeklagten B Gleiches gilt.

(4) Die Angeklagten A und B arbeiteten an der Erstellung des „Mini-Handbuchs für Militante” mit, indem sie entweder selbst den Text verfassten oder ihn redigierten und sich an der gruppeninternen Diskussion über den Textentwurf beteiligten. Das schließt der Senat aus Folgendem:

Dass der Angeklagte A sich mit der Mitarbeit an dem „Mini-Handbuch” befasst hat, ergibt sich schon aus der Auffindesituation in seiner Wohnung in einem Stapel mit Sekundärliteratur. Auf dem „Mini-Handbuch” wurde ein komplettes DNA-Profil festgestellt, das, wie der Sachverständige Dr. Hohoff dargelegt hat, zweifelsfrei mit dem DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten A übereinstimmt. Des Weiteren wurden auf den übrigen in dem Papierstapel sichergestellten Schriftstücken zahlreiche Fingerspuren festgestellt, deren Verursacher nach den Bekundungen des Sachverständigen und sachverständigen Zeugen KHK Weisel eindeutig der Angeklagte A ist. Auf dem Blatt mit den aufgelisteten Anschlagserklärungen und anderen Veröffentlichungen der militanten gruppe (mg) wurde eine DNA-Spur gesichert, für die nach den Angaben des Sachverständigen Dr. Hohoff der Angeklagte B als Spurenverursacher in Betracht kommt. Außerdem wurden nach den Darlegungen des Sachverständigen und sachverständigen Zeugen KHK Weisel Fingerspuren des Angeklagten B zusammen mit solchen des Angeklagten A auf der bereits genannten Broschüre „Sozialreform oder Revolution?” von Rosa Luxemburg festgestellt, die als Quelle im Abschnitt „1.5.1 Bewaffneter Kampf des „Mini-Handbuchs” genannt ist. Wegen der Klandestinität, die sich die militante gruppe (mg) verordnet hatte, schließt der Senat aus, dass der Angeklagte B diese Spur auf unverfängliche Weise gesetzt hat, zumal in seiner Wohnung auch die „Hintergründe zu Carlos Marighela’s Handbuch des Stadtguerillero” sichergestellt wurden, ein Text, der, wie bereits dargelegt, sinngemäß, nur wenig verändert und zum Teil sogar wörtlich in das Eingangskapitel des „Mini-Handbuchs” übernommen wurde. In der Gesamtschau aller Beweisanzeichen hat der Senat daher keinen Zweifel daran, dass die Angeklagten B und A gemeinsam an dem Text gearbeitet haben.

Dem Hilfsbeweisantrag des Verteidigers des Angeklagten B (Anlage 2 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 14. Oktober 2009), einen weiteren Sachverständigen für Daktyloskopie mit der Erstellung eines Gutachtens „hinsichtlich der Herrn B zugewiesenen, anlässlich der Durchsuchung bei dem Mitangeklagten A auf einer Broschüre von Rosa Luxemburg gesicherten Fingerspur zu beauftragen und in der Hauptverhandlung zu hören”, hat der Senat nicht stattgegeben. Der Sachverständige Weisel hat überzeugend dargelegt, dass er zwölf Minuzien festgestellt habe, die nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur eindeutigen Identifizierung eines Fingerabdrucks ausreichen. Dadurch ist das Gegenteil der in dem Antrag ohne weitere Begründung behaupteten Tatsache erwiesen, wonach „mindestens drei dieser Minuzien als nicht ausreichend zur Feststellung einer Übereinstimmung angesehen werden müssen”. Weder sind Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen Weisel dargetan noch ist ersichtlich, dass ein anderer Sachverständiger über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügt (§244 Abs. 4 Satz 2 StPO).

(5) Der Senat hat sich davon überzeugt, dass es sich bei dem sichergestellten Entwurf des „Mini-Handbuchs” um ein „Insiderpapier” der militanten gruppe (mg) handelt, dass vor der Fertigstellung ausschließlich für ihre Mitglieder bestimmt und anderen Personen nicht zugänglich war. Nach den Bekundungen der Zeugen KHK Nolte und KHK Kröger, die die in der linksextremen Szene erscheinenden Publikationen auswerten, wurde das „Mini-Handbuch” nicht veröffentlicht. Das leuchtet ohne weiteres ein, weil es sich um einen Text handelte, der noch im Entwurfsstadium war. Den Angaben der Zeugen zufolge gibt es auch keine Hinweise, dass das Dokument bereits in der bei dem Angeklagten A vorgefundenen Rohfassung in der Szene zirkulierte, also den Innenbereich der militanten gruppe (mg) verlassen hatte. Auch das liegt auf der Hand. Eine Weitergabe des Textes hätte gegen den Grundsatz der Klandestinität verstoßen. Dementsprechend hatte die militante gruppe (mg) auch - wie sich aus der bereits oben wiedergegebenen Passage aus dem schriftlichen Interview „Wir haben uns mit einer Menge Puste auf den Weg gemacht” vom April 2005 ergibt - ausdrücklich betont, dass ein „Outsourcing” ihrer schriftlichen Aktivitäten „wegen der klandestinen Bedingungen, unter denen wir agieren müssen”, nicht in Betracht komme. Außerdem hatte sie ausdrücklich eine unmittelbare gruppenübergreifende Kommunikation mit anderen militanten Zusammenhängen abgelehnt und die Diskussion mit ihnen nur über die Szenezeitschriften, nicht aber durch den Austausch von Entwürfen geführt.

Der Senat hat dabei bedacht, dass das in der Wohnung des Angeklagten A sichergestellte Fragment des „Mini-Handbuchs” den Darlegungen des Sachverständigen Härtlein zufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Original-Ausdruck, sondern eine Kopie ist. Dem folgt der Senat. Für die Würdigung als „Insiderpapier” ist die Frage, ob eine Kopie oder ein Original vorliegt, letztlich jedoch nicht entscheidend. Der Grundsatz der Klandestinität schloss nämlich generell die Weitergabe von Textentwürfen an Externe aus, gleich ob es sich um Originalausdrucke oder um Kopien handelte. Da offensichtlich mehrere Personen - mindestens jedoch die Angeklagten B und A - an dem Papier arbeiteten, liegt es nahe, dass Kopien für die Mitarbeiter gefertigt wurden.

(6) Der Beweiswert des bei dem Angeklagten A aufgefundenen Dokuments wird nicht dadurch erschüttert, dass In zwei in der „Interim” Ende Dezember 2007 und Anfang Januar 2008 (mithin nach der Verhaftung der Angeklagten) veröffentlichten und auf Juni bzw. Juli 2007 (vor der Verhaftung) datierten „Diskussionsbeiträgen” der Eindruck erweckt werden sollte, dass der Gesamtentwurf des „Mini-Handbuchs” im Zeitpunkt der Sicherstellung bereits in Teilen der linken Szene im Umlauf gewesen sei.

Das tatsächliche Entstehungsdatum und der Eingang der auf Anfang Juni bzw. Juli 2007 datierten Diskussionsbeiträge bei der Redaktion der „Interim” konnten nicht festgestellt werden. Weder das Bundesamt für Verfassungsschutz noch das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin noch das Bundeskriminalamt konnten Hinweise geben, die eine Datierung ermöglicht hätten. Es verblieben insofern letztlich nur die Behauptung der anonymen Autoren und das davon auffällig abweichende Erscheinungsdatum.

Die beiden Beiträge („Diskussionsbeitrag zum Mini-Handbuch” von „Autonome Gruppen im Juni 07”, veröffentlicht in der „Interim” Nr. 666 vom 21. Dezember 2007, sowie „Mini-Handbuch für Militante - ein Diskussionsbeitrag” von „Militante Tanten im Juli 2007”, veröffentlicht in der „Interim” Nr. 667 vom 11. Januar 2008) erschienen erst mehrere Monate nach der Durchsuchung und enthielten keine konkreten Aussagen oder Zitate, die über den Inhalt der bei dem Angeklagten A sichergestellten zwölf Seiten hinausgehen. Mehr lag somit auch den Verfassern der „Diskussionsbeiträge” nicht vor, insbesondere kein Gesamtentwurf des „Mini-Handbuchs”. Erst aufgrund der Haftentscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2007, die den dringenden Tatverdacht der Mitgliedschaft der Angeklagten in der militanten gruppe (mg) unter anderem mit dem Fund des „Mini-Handbuchs” bei dem Angeklagten A begründeten, wurde einem größeren Kreis von Personen die ausschlaggebende Bedeutung dieses Beweismittels bewusst. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Inhalt des Asservats aus den Ermittlungsakten bekannt geworden ist und die Veröffentlichung der „Diskussionsbeiträge” allein dem Zweck dienen sollte, im Nachhinein ein Kursieren des Entwurfs in der militanten Szene bereits vor der Festnahme der Angeklagten zu suggerieren. Damit sollte eine Erklärung dafür gegeben werden, warum das „Mini-Handbuch” zu diesem Zeitpunkt im Besitz des Angeklagten A war und dass es ohne Kontakt zur militanten gruppe (mg) in dessen Besitz gelangt sein könne. Somit sollte dessen Beweiswert entkräftet werden. Das Aus-der-Hand-Geben des Entwurfs kam jedoch, wie dargelegt, schon deshalb nicht in Betracht, weil sich für die militante gruppe (mg) das „Outsourcing” ihrer schriftlichen Aktivitäten von selbst verbot. In keinem anderen Fall ist je ein unfertiger Text der militanten gruppe (mg) an die - wenn auch nur beschränkte - Öffentlichkeit gelangt.

Diese Schlussfolgerung wird auch durch folgende Überlegungen gestützt:

Es ist schon auffällig, dass hinsichtlich des „Mini-Handbuchs”, an dem offenkundig längere Zeit nicht mehr gearbeitet worden war - darauf lassen die Auffindesituation in einem Stapel Altpapier und die Anschlagsliste, die mit dem LIDL-Anschlag vom 10. Januar 2005 endet, schließen - erst Mitte 2007 (zufällig kurz vor dem Brandanschlagsversuch der Angeklagten) eine Diskussion eingesetzt haben soll, ohne dass ein Anlass dafür erkennbar wird. Dass überhaupt in der Szenepublikation über eine unfertige Schrift diskutiert wird, ist außergewöhnlich. Merkwürdig ist auch, dass die „Interim”-Redaktion bei der Veröffentlichung mit großem zeitlichen Abstand zum behaupteten Eingang der Beiträge mitgeteilt hat, wann genau diese eingetroffen seien. Fragt man sich, wen die Diskussion über ein solches Fragment interessieren könnte und wem die Information über das Eingangsdatum nützt, wird deutlich, dass es sich um einen zweckgerichteten Versuch der Manipulation des Beweiswertes des sichergestellten „Mini-Handbuches” handelte.

Dass ausgerechnet das Projekt „Mini-Handbuch” in einem frühen Entwurfsstadium als Fragment verbreitet worden ist, liegt auch deshalb fern, weil dieser Veröffentlichung offenbar besonderes Gewicht und Bedeutung zukommen sollte. Es sollte eine Zwischenbilanz der bis dahin geführten „Militanzdebatte” sowie der bisherigen „Aktionen” der militanten gruppe (mg) und eine Darstellung der damit einhergehenden ideologischen Begründung sein. Die Bedeutung des Projekts ergibt sich schon aus dem Titel, der an das Werk von Marighela („Minihandbuch des Stadtguerilleros”) angelehnt ist und damit in „große Fußstapfen” tritt. Marighelas Text war nämlich von besonderer Bedeutung für die linksextremistische, gewaltbereite Szene ab etwa 1970. Marighela hatte - wie allgemeinkundig ist - in den 1960er Jahren nach einer Karriere in der brasilianischen kommunistischen Partei die Revolutionäre Volksvorhut gegründet, die in den bewaffneten Untergrundkampf eintrat und in der Folge für eine Vielzahl von gewalttätigen terroristischen Aktionen verantwortlich gemacht wurde. Mit seiner Schrift, in der er über seine Erfahrungen aus dem bewaffneten Guerillakampf mit dem Ziel des revolutionären Umsturzes in Brasilien berichtete, und mit seinen Anleitungen zu Verbrechen, die von Banküberfällen und Entführungen bis zu Sabotage, Terrorismus und Hinrichtungen reichen, hatte er entscheidende Impulse für die Rote Armee Fraktion (RAF) geliefert, die dessen „revolutionäre Logistik” übernahm und ihren Mitgliedern die Lektüre nahelegte (vgl. Landgericht Stuttgart, Urteil vom 16. Februar 1979 - XII KLs 97/76 -; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10. Juli 1978 - 1 StE 2/76 -).

In dem sichergestellten Textfragment heißt es in der „Einleitung zum Sinn & Zweck des Mini-Handbuchs”, dass der Titel mit Bedacht gewählt worden sei.

„Die Schrift Marighelas war unter anderem für die Genossinnen der RAF eine wichtige inhaltlich-praktische Grundlage. In ihrem Papier ‚Konzept Stadtguerilla’ wird auf Marighela bzw. seine Abhandlung über die Taktiken des bewaffneten Kampfes in der Form einer Stadtguerillastruktur explizit Bezug genommen.

Welche Absicht verfolgen wir mit der Veröffentlichung eines ‚Mini-Handbuchs für Militante’, wenn wir es formal anhand des Titels an jenes von Marighela anlehnen? Wir wollen - ähnlich wie bei Marighela - Kriterien entwickeln, um eine spezifische Methode des revolutionären Kampfes zu definieren. Dabei geht es in unserem Fall nicht um den bewaffneten Kampf, sondern um die Illustrierung einer militanten Praxis bzw. einer militanten Politik. Wir werden die inhaltlichen, praktischen, organisatorischen und reproduktiven Komplexe von militanter Politik umreißen. Unser IPRO (Inhalt-Praxis-Reproduktion-Organisierung-)-Muster ist dabei der Marighela’sehen Formel M-G-W-M-S, die für die Notwendigkeiten von Motorisierung Geld, Waffen, Munition und Sprengstoff einer Stadtguerilla steht, entlehnt. (...)

Wir sehen, und dies wäre eine weitere Parallele zu Marighela, dieses Mini-Handbuch für Militante als (Zwischen-)Ergebnis unserer mehrjährigen Tätigkeit als militante gruppe (mg).”

(7) Das zielgerichtet auf das hiesige Prozessgeschehen in der Hauptverhandlung aufgestellte (späte) Dementi der militanten gruppe (mg) in der „radikal” Nr. 161 vom Juli 2009 vermag den Wert des Beweismittels nicht in Frage zu stellen. Dort behaupten die Autoren, das „sog. Minihandbuch für Militante, von dem im Prozess gegen die drei Antimilitaristen die Rede ist, und das als Beleg einer Mitgliedschaft bei uns herhalten soll” nicht zu kennen; in der „Schreibstube” der militanten gruppe (mg) sei das Minihandbuch nicht entstanden. Auch dieser Versuch zielt darauf ab, den als solchen erkannten hohen Beweiswert des Fundes zu schmälern. Das ist jedoch nicht gelungen. Denn die militante gruppe (mg) selbst hatte, wie bereits dargelegt, in ihrem schriftlichen Interview in der „radikal” Nr. 158 im Sommer 2005 die Publikation einer Zwischenbilanz ihrer Tätigkeit und der Militanzdebatte angekündigt, und aus dem sichergestellten Entwurf des „Mini-Handbuchs”, der eine solche Zwischenbilanz ziehen will, sowie der Anschlagsliste, die ebenfalls bei dem Angeklagten A sichergestellt wurde, ergibt sich, wie dargelegt, zweifelsfrei die Urheberschaft der militanten gruppe (mg):

(8) Den DNA- und Fingerabdruckspuren kann nicht entnommen werden, in welchem Zeitpunkt sich die Angeklagten A und B mit den sichergestellten Papieren beschäftigt haben.

Wahrscheinlich war dies erst nach dem 15. Februar 2005 der Fall, da die Aufstellung der „Anschlagserklärungen, Debattenbeiträge, Presseerklärungen, inhaltlichen Interventionen und sonstigen Beiträge der militanten gruppe (mg)” als letzten Anschlag denjenigen auf den Neubau des Discounters LIDL am 10. Januar 2005 und als letzte Publikation einen Text „Zur vermeintlichen Gefährdung eines Monteurs im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf einen LIDL-Neubau vom 15.2.2005” nennt. Mit dieser Publikation ist die in der „Interim” Nr. 612 veröffentlichte Stellungnahme der militanten gruppe (mg) vom 15. Februar 2005 zum Vorwort in der „Interim” Nr. 611 gemeint.

Anhaltspunkte dafür, dass das Projekt mit Nachdruck ab April 2005 oder jedenfalls in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 vorangetrieben wurde, ergeben sich aus dem Hinweis in der „radikal” Nr. 158, wo die militante gruppe (mg) es als ihre „Aufgabe” bezeichnete, „in den kommenden Monaten zu einer Zusammenfassung des bisher Erarbeiteten zu kommen”. Der Senat hält es für wahrscheinlich, dass die Angeklagten bereits zu diesem Zeitpunkt in die Erstellung des „Mini-Handbuchs” eingebunden waren, hat dies jedoch nach dem Zweifelssatz („in dubio pro reo”) nicht festzustellen vermocht. Überzeugt ist er davon, dass dies spätestens ab dem Jahr 2006 der Fall war. Dagegen, dass die Angeklagten erst im Verlauf des Jahres 2007 mit dem „Mini-Handbuch” befasst waren, spricht die Auffindesituation des Asservats am 31. Juli 2007. Die Texte waren wie Altpapier abgelegt, an ihnen war offenbar - diesen Eindruck vermittelte der Zeuge KHK Nolte plastisch - schon längere Zeit nicht gearbeitet worden. Die aufgefundene Anschlagsliste endet mit dem Anschlag vom 10. Januar 2005.

jj) Hinweise darauf, dass der Angeklagte C bereits ab 2003 Mitglied der militanten gruppe (mg) war, ergeben sich aus den Eintragungen in seinen sichergestellten Jahresplanern. Darin befinden sich, wie der mit der Auswertung befasste Zeuge KOK Wagner ausgeführt hat, viele Notizen, die einen Bezug zu Kraftfahrzeugen haben. In wenigen Fällen ist allerdings unkommentiert nur das Wort „Auto” eingetragen. Diese Eintragungen finden sich in auffälliger Nähe zu Anschlägen der militanten gruppe (mg), so am 29. März 2004, am 8. November 2005, am 19. März 2006 und am 10. September 2006. Die militante gruppe (mg) verübte nach den Feststellungen Brandanschläge in der Nacht zum 30. März 2004, in der Nacht zum 9. November 2005, in der Nacht zum 20. März 2006 und in der Nacht zum 11. September 2006. Unter dem Datum 29. Oktober 2003 vermerkte der Angeklagte C „SFa HT 9”. Mit dem amtlichen Kennzeichen SFA HT 9 war auf seine Mutter ein Volkswagen Polo zugelassen. Und in der Nacht zum 30. Oktober 2003 griff die militante gruppe (mg), wie festgestellt, ein Abfallentsorgungsunternehmen in Berlin-Reinickendorf an.

kk) Von besonderer Bedeutung, insbesondere auch für die zeitliche Einordnung der Mitgliedschaft des Angeklagten C in der militanten Gruppe (mg), waren die bei ihm sichergestellten Digitalfotos vom 28. September 2005, aus denen sich ergibt, dass der Angeklagte C an diesem Tag für die militante gruppe (mg) ein mögliches Anschlagsobjekt ausspähte und aus denen der Senat im Zusammenhang mit den weiteren Beweisanzeichen schließt, dass der Angeklagte C spätestens zu diesem Zeitpunkt mitgliedschaftlich an ihr beteiligt war.

Bei der Wohnungsdurchsuchung am 31. Juli 2007 wurde den Angaben des Zeugen EKHK Hause zufolge ein Computer des Angeklagten C sichergestellt, auf dessen Festplatte, wie der Zeuge KOK Schartenberg bekundet hat, die elf Digitalfotos gefunden wurden. Auf fünf der Fotos ist nach den Bekundungen der Zeugen Jänisch und Weidlich das Gelände des Autohauses Weilbacher GmbH in Petershagen-Eggersdorf zu sehen. Die militante gruppe (mg) hatte bereits am 26. Februar 2003 auf dort abgestellte Bundeswehrfahrzeuge einen Brandanschlag verübt. Die weiteren sechs Fotos zeigen nach den Angaben des Zeugen Blau die DaimlerChrysler-Niederlassung in Strausberg, die die Fahrzeuge des Bundeswehrstandortes Strausberg reparierte. Die elf Fotos wurden aus einem vorbeifahrenden PKW bzw. aus dem an die Betriebsgelände angrenzenden Unterholz heraus aufgenommen. Bundeswehrfahrzeuge waren auf beiden Grundstücken und damit auch auf den Fotos nicht zu sehen, da das Autohaus Weilbacher nach dem Anschlag der militanten gruppe (mg) keine weiteren Aufträge mehr erhalten hatte und in der DaimlerChrysler-Niederlassung die Bundeswehrfahrzeuge nicht auf dem frei zugänglichen Gelände abgestellt wurden.

Nach dem verlesenen Behördengutachten des Bundeskriminalamtes vom 19. Januar 2009 und den ergänzenden Ausführungen des Zeugen KOK Wagner wurden die Fotos ausweislich der in einem Anhang gespeicherten EXIF-Metadaten zweifelsfrei am 28. September 2005 mit der Digitalkamera des Angeklagten C Marke Kodak Modell CX 7530 gemacht. Deren Datumsfunktion war am Tag der Beschlagnahme korrekt eingestellt. Die Nachfrage des Zeugen KOK Wagner beim Hersteller ergab, dass dieses Kameramodell über eine individuelle Seriennummer verfügt, die mit jedem Digitalfoto in den EXIF-Metadateien abgelegt wird. Anhand des Ausdrucks der entsprechenden Daten konnte der Zeuge dem Senat die Übereinstimmung der Daten mit der Seriennummer der Kamera des Angeklagten C belegen. Der Angeklagte C hatte zudem für diesen Tag in seinem Terminplaner - der in Augenschein genommen und auszugsweise verlesen worden ist - ab 7.00 Uhr eine „Ausfahrt” vermerkt.

Es bestehen daher keine Zweifel, dass der Angeklagte C die Objekte besichtigt und fotografisch festgehalten hat. Die einzig plausible Erklärung dafür, dass der Angeklagte C diese - ansonsten unter keinem Aspekt sehenswürdigen - Betriebsgelände fotografierte, zumal aus einem vorbeifahrenden PKW und aus dem Unterholz heraus, liegt darin, dass sie wegen der Bezüge zur Bundeswehr als potentielle Anschlagsziele der militanten gruppe (mg) in Betracht kamen und dass er in Erfahrung bringen wollte, ob sie sich tatsächlich für neue Anschläge eigneten. Zur Überzeugung des Senats betätigte sich der Angeklagte C daher spätestens mit dieser Ausspähaktion mitgliedschaftlich an den Aktivitäten der militanten gruppe (mg).

Nahtlos fügt sich hierin auch der Umstand ein, dass der Angeklagte C auf einem Mobiltelefon, welches er bei seiner Festnahme mit sich führte, Zeitungsartikel der „BZ” und des „Berliner Kurier” abgespeichert hatte, die sich mit den Brandanschlägen der militanten gruppe (mg) vom 20. März 2006 und 4. September 2006 befassten.

ll) Schließlich spricht auch das Verhalten der militanten gruppe (mg) nach der Festnahme der Angeklagten dafür, dass damit tatsächlich drei ihrer Mitglieder gefasst wurden. Die bis dahin publizistisch und operativ sehr aktive Gruppe verfiel geradezu in eine Schockstarre. Sie wurde offensichtlich empfindlich getroffen. Eine andere plausible Erklärung gibt es zur Überzeugung des Senats nicht.

Dass das fast zwei Jahre andauernde Schweigen auf intensiven gruppeninternen Diskussionen beruht haben soll, wie die militante gruppe (mg) in ihrer Auflösungserklärung in der „radikal” Nr. 161 im Juli 2009 behauptet hat, ist nicht glaubhaft. Denn noch in ihrer letzten früheren Verlautbarung - kurze Zeit vor dem verfahrensgegenständlichen Brandanschlag in Brandenburg an der Havel - hatte die militante gruppe (mg) unter Bezugnahme auf die am 9. Mai 2007 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen der Bundesanwaltschaft angekündigt, „munter weiter zu machen” und von sich „hören zu lassen”:

„Dazu wurden knapp 1000 Bullen aller Couleur herangekarrt, mindestens 40 Objekte heimgesucht und 21 namentlich bekannte Personen denunziert, Teil irgendwelcher erfundener ‚terroristischer Vereinigungen’ nach §129a zu sein, die sich bei uns und in einer ‚militanten Kampagne’ organisiert hätten. Gut, uns haben sie nicht erfunden, aber auch nicht gefunden, was für uns - man wird es uns nachsehen - das wichtigste Ergebnis des 9. Mai ist. (...)

Wir für unseren Teil bleiben - natürlich - hellwach und andächtig bei der Sache und nehmen die repressiven Staatsapparate der BRD jede Sekunde äußerst ernst. In all den Jahren sind wir damit recht gut gefahren. Zwischenfazit: Wir machen munter weiter - wir hören von einander!” [Hervorhebung durch den Senat]

(„Erklärung zur BAW-Razzia und ‚Gewaltdebatte’ im Rahmen der Anti-G8-Proteste von der militanten gruppe (mg)”, „Interim” Nr 657 vom 21. Juni 2007)

Selbst wenn sich im Anschluss an diese Erklärung bei der militanten gruppe (mg) plötzlich und unerwartet ein erheblicher Diskussionsbedarf zur Klärung verschiedener ideologischer, personeller und sonstiger Fragen ergeben hätte, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zeitnahe Reaktion zu erwarten gewesen, mit der sie zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie mit dem verfahrensgegenständlichen Brandschlag vom 31. Juli 2007 nichts zu tun habe. Denn die militante gruppe (mg) hatte in der Vergangenheit - wie bereits dargelegt - Wert darauf gelegt, sich öffentlich von Anschlägen abzugrenzen, die Personen und Gruppierungen außerhalb ihres Gruppenzusammenhangs begangen hatten. Die Dementis beschränkten sich nicht auf bereits geschehene Anschläge. Das Klarstellungsbedürfnis der militanten gruppe (mg) war so groß, dass sie sich auch zu Berichten über ihr zugerechnete Anschlagsplanungen (angebliche Pläne für einen Anschlag auf Sponsoren der Fußballweltmeisterschaft 2006) äußerte und sogar Mutmaßungen über ihre personelle Zusammensetzung entgegentrat:

„Da hätten wir uns während des Studiums der Wochenendpresse doch beinahe an unserem Brunch im Steigenberger übelst verschluckt. ‚WM-Sponsoren drohen Anschläge’, so schlagzeilte die Berliner Morgenpost (25.06.06), gestützt auf eine Vorabmeldung des ‚Nachrichten’-Magazins Focus (24.06.06). Der als seriös überinterpretierte Berliner Tagesspiegel machte im Lokalteil mit der Überschrift ‚Militante Gruppe bedroht WM-Sponsoren’ (26.06.06) tags darauf Stimmung. Die Süddeutsche Zeitung (26.06.06) zog nach und durch alle Ticker waberte die selbe Meldung, die eigentlich gar keine hätte sein können.

Ja, eigentlich gab es gar nichts zu melden, wäre da nicht unser notorischer Enthüllungsjournalist Hufelschulte vom Focus am Werk gewesen - wieder einmal, wie wir betonen möchten. Es handelt sich um den Hufelschulte, der bereits vor drei Jahren über das Hetz-Organ Focus kolportierte, dass Genossinnen von Libertad! den ‚Führungskern der mg’ bilden würden. Damals wie heute bezieht sich Hufelschulte auf interne Akten des BKA bzw. des LKA Berlins. Wenn die Aktenlage über uns tatsächlich nur solchen Unsinn ergeben sollte, dann können wir getrost im Sinne Maos von Papiertigern sprechen.”

(„mg-express no.3 Sommer 2006: Über die kurzen Lügenbeine von Focus, Morgenpost & Tagesspiegel”, veröffentlicht in der „Interim” Nr 639 vom 20. Juli 2006).

Dass die militante gruppe (mg) sich ausgerechnet nach der Festnahme der Angeklagten, über die auch in der bürgerlichen Presse berichtet wurde, nicht äußerte, obwohl klar war, dass die Ermittlungsbehörden die „Aktion” der Angeklagten ihr, der militanten gruppe (mg), zurechnen würde, lässt sich nachvollziehbar mit einem gruppeninternen Diskussionsbedarf nicht erklären. Eine Verlautbarung, dass sie mit dem Anschlag in Brandenburg an der Havel nichts zu tun habe, hätte sich aufgedrängt. Es liegt daher auf der Hand, dass die militante gruppe (mg) schwer angeschlagen war, weil die Strafverfolgungsbehörden nach jahrelangen vergeblichen Ermittlungen einen „Volltreffer” erzielt hatten. Dass sie sich umgekehrt nicht zu dem - misslungenen - verfahrensgegenständlichen Brandanschlag vom 31. Juli 2007 bekannt hat, liegt ebenso auf der Hand. Das in den Feststellungen wiedergegebene „Argument” der militanten gruppe (mg) in ihrer Auflösungserklärung, mit dem Anschlag nichts zu tun zu haben, weil sie, anders als bei allen ihren früheren Anschlägen, sich dazu nicht bekannt habe, ist daher als ein Versuch zu werten, auf das Ergebnis der Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen.

mm) Nach alledem hat der Senat aufgrund der Gesamtschau aller Beweismittel die Überzeugung von der Mitgliedschaft der Angeklagten in der militanten gruppe (mg) gewonnen.

oo) Aus der Observation durch Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes anlässlich des konspirativ verabredeten Treffens des Angeklagten A mit dem gesondert verfolgten Z am 19. April 2007 zieht der Senat keine für die Angeklagten nachteiligen Schlüsse. Die aufgrund lauter Hintergrundgeräusche weitgehend unverständliche Tonaufzeichnung wurde in der Hauptverhandlung durch auszugsweises Abspielen in Augenschein genommen. Soweit die Zeugen KOK Heim und KOK Paulus auf Track 5, Laufzeit 00:42-00:48 Minuten, die Wortpassage „...(unsere) Brand(a)nschlag” meinten vernehmen zu können, wobei sie sich hinsichtlich der eingeklammerten Silben nicht eindeutig sicher waren und die Äußerung auch nicht einer der Personen zuordnen konnten, vermochte der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Die tontechnische Untersuchung der Aufzeichnungen hat keine weitere Aufklärung erbracht. Es war nicht möglich, die Verständlichkeit mit technischen Mitteln so zu verbessern, dass eine verlässliche Inhaltsanalyse möglich wäre.

pp) Auf das Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 25. Februar 2008 kam es nicht an. Der Senat hat es nicht zum Nachteil der Angeklagten verwertet. Darin wird zwar Folgendes mitgeteilt:

„Nach einer hier vorliegenden, vertraulichen und unbestätigten Information sollen A, B und C der mg angehören. Über diesen Personenkreis hinaus soll es noch weitere Mitglieder der mg geben. Der Informationsgeber wird seitens des BfV als im Allgemeinen zuverlässig berichtend und nachrichtenehrlich eingestuft.”

Dem Senat ist jedoch trotz seiner Bemühungen verwehrt geblieben, den Inhalt und Beweiswert des Zeugnisses, das selbst von einer „unbestätigten Information” spricht, hinreichend zu überprüfen. Der Informationsgeber oder dessen Kontaktperson wurde dem Senat nicht benannt. Eine Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben war daher nicht möglich. Wie sich durch die Einholung des ergänzenden Behördenzeugnisses vom 6. April 2009 ergeben hat, stammen die Erkenntnisse des Informationsgebers nur vom Hörensagen. Auch die Vernehmung der Zeugen VPräs BfV Remberg und Eggebrecht erbrachte hierzu keine weiterführenden Erkenntnisse. Die Zeugen haben sich, wie auch das ergänzende Behördengutachten, zum Zweck des Quellenschutzes nicht zur Person des Informationsgebers geäußert und die Art und Weise der Überprüfung nur angedeutet, da bei Aufdeckung eine nachhaltige Beeinträchtigung des gesetzlichen Auftrages des Bundesamtes für Verfassungsschutz drohe.

e) Der versuchte Brandanschlag am 31. Juli 2007

Dass die Angeklagten den versuchten Brandanschlag auf die Bundeswehrfahrzeuge verübt haben, wie in den Feststellungen wiedergegeben, ist erwiesen durch ihre Observation vor und während der Tat, durch ihre Festnahme unmittelbar nach der Tat sowie durch die am Tatort, bei ihrer Festnahme und bei Durchsuchungen sichergestellten Beweismittel, darunter auch eindeutige DNA-Spuren des Angeklagten B an zwei Flaschenhälsen der verwendeten Brandsätze. Die bei der Telefon Überwachung gewonnenen Erkenntnisse stützen diejenigen aus der Tatnacht und belegen das Verhalten der Angeklagten vor der unmittelbaren Tatausführung.

aa) Überwachung der Telekommunikation vom 29. bis 31. Juli 2007

Aus der richterlich angeordneten Überwachung der Telekommunikation der Angeklagten A und B ergibt sich, dass der Angeklagte C am 29. Juli 2007 um 16.30 Uhr den Angeklagten B anrief und ihn über einen Schaden an seinem PKW Opel Astra mit den Worten informierte: „Wagenschrott. Elektronik im Arsch”, das Auto habe abgeschleppt werden müssen. Der Angeklagte B reagierte darauf entsetzt. Zwanzig Minuten später, um 16.51, Uhr rief der Angeklagte B den Angeklagten A an und teilte ihm mit: Haste was, um dich festzuhalten? Is auch scheißegal. Pass auf, ahm, Einspritzpumpe is kaputt. Hat der „Lange” kaputt gemacht. Jetzt hab ich ihn, äh, aufgefordert, so schnell wie möglich wat, äh, zu besorgen... entweder für morgen oder übermorgen. Ich krieg das Kotzen. Du auch? Richtig?”. (Der Angeklagte C ist ca. 1,90 Meter groß, was seinen Spitznamen „der Lange” erklärt.) Der Angeklagte A erwiderte: „Hm. Ick kann grad nicht. Ich, äh, bin auf Arbeit.” Darauf der Angeklagte B: „Ja, aber du hast verstanden, was Sache ist, ja?”. Der Angeklagte A antwortete: „Also, ick hol det Ding nachher nicht ab, und”. Der Angeklagte B: „Ne, richtig. Und dass du dann halt, ahm, einfach kurz, äh, nach der Arbeit (unverständliches Wort) zu mir kommst.” Der Angeklagte A: „Mach ick”. Der Angeklagte B bekräftigte: „Ja, okay. Aber wie gesagt, ick hab dem „Langen” gesagt, er muss was besorgen. Für morgen oder übermorgen.” Am nächsten Tag, dem 30. Juli 2007, um 11.59 Uhr fragte der Angeklagte B bei dem Angeklagten C nach, ob er ihm „freudige Nachrichten” mitteilen könne. Der Angeklagte C erwiderte: „Naja, also die haben gesagt, die kriegen das bis heute Abend fertig, aber ich geh nachher noch mal zur Vermietung”. Auf seine Frage, ob es „heute sein muss oder ob es auch morgen sein kann”, antwortete der Angeklagte B: „Ne, heut war schon, ja”. Darauf erklärte der Angeklagte C: „Heut war gut. Ja, ich versuch es irgendwie”. Er käme nachher noch in den Laden. Etwa eine Stunde später, um 13.11 Uhr, informierte der Angeklagte B den Angeklagten A: „Das sollte dann auf jeden Fall klappen, irgendwie, ja, dass du irgendwie schon mal drauf eingestellt bist. Und ich meld”. A: „Sehen wir uns heut, sehn wir uns heut Abend, ja?”. B: „Ja. Und ich meld mich dann aber noch mal, ja.” A: „Okay. Bis dann. Ciao.” B: „Und wegen der Details. Ja. Ciao.” Am Nachmittag um 16.45 Uhr telefonierte der Angeklagte B mit dem Angeklagten A und teilte mit: „Dann kommst du dann um 11 zu mir, ja? Da ist dann alles bestens.”, worauf dieser erwiderte „Ja, oder ein bissjen früher... so viertel vor halb vielleicht.” B: „Okay, juti!” A: „Damit wir dann, ganz in Ruhe. Bis denn.” Eine Minute später, um 16.46 Uhr, rief der Angeklagte B bei dem Angeklagten A noch einmal an und erklärte: „Dass keen Kommunikationsproblem entsteht, äh, du musst aber nicht vorher irgendwo was abholen, ja?”, was der Angeklagte A beantwortete mit „Ne, ich komm dann einfach zu dir”. B: „Genau!” A: „Alles klar. Bis dann. Tschüss.”

Nach den glaubhaften Bekundungen der für die Telefonüberwachung eingesetzten Beamten des Bundeskriminalamtes, der Zeugin KHK’in Alles und des Zeugen KHK Stolzenfels, wurden die Angeklagten aufgrund sprachlich zweifelsfreier Zuordnung eindeutig als die Gesprächsteilnehmer identifiziert.

Dieses Beweisergebnis steht im Einklang damit, dass bei dem Angeklagten C in dem Brustbeutel, den er bei der Festnahme bei sich trug, der Abholschein für die Reparatur sichergestellt wurde. Danach wurde der Reparaturauftrag für den Opel Astra am 30. Juli 2007 um 9.12 Uhr erteilt. Der vom Angeklagten C unterschriebene Mietvertrag für den Ersatzwagen Renault Clio wurde im Handschuhfach des Fahrzeugs gefunden. Daraus ergibt sich, dass der Angeklagte das Fahrzeug am 30. Juli 2007 um 15.00 Uhr mietete und als Rückgabetermin den folgenden Tag bis 12.00 Uhr vereinbarte.

Außerdem deckt sich dieses Ergebnis mit den weiteren Ergebnissen der Observation in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007, so bereits mit dem Umstand, dass der Angeklagte A sich verabredungsgemäß in der Wohnung des Angeklagten B einfand.

Der Senat hat den Telefongesprächen entnommen, dass in einer „kritischen” Phase, als wegen der Autopanne zumindest eine Verzögerung des geplanten Anschlages drohte, es der Angeklagte B war, der eine gewisse Führungsrolle übernahm, indem er darauf drängte, einen Ersatzwagen zu beschaffen, damit die Aktion gemäß dem Zeitplan durchgeführt werden könnte.

bb) Observationsmaßnahmen am 30./31. Juli 2007

Die überwachten Telefongespräche gaben den Ermittlungsbeamten Anlass, die Angeklagten in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007 intensiv zu beobachten. Sie hielten es für möglich, dass die Angeklagten sich in dieser Nacht mit anderen Personen aus der militanten Szene treffen oder eine Ausspähfahrt unternehmen wollten, konnten aber auch einen geplanten Anschlag nicht ausschließen. Die Observation der Angeklagten bis zu ihrer Festnahme erfolgte aufgrund richterlicher Anordnung.

Die Observation führten die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten KOK Alevisos, PK Bendt, KHK Gerhardt, PK Gottschalk, PHM’in Konta, PHM Kroll, PK Schoetzau, KK’in Steinmetz und KOK Weiß durch. Nach ihren Angaben fanden sich am 30. Juli 2007 der Angeklagte A um 22:40 Uhr und der Angeklagte C um 23:4 1 Uhr in der Wohnung des Angeklagten B ein. Den Beamten lagen Fotos der Angeklagten B und A vor, so dass sie die beiden bereits zu diesem Zeitpunkt identifizieren konnten. Alle drei Angeklagten verließen kurz nach dem Eintreffen des Angeklagten C die Wohnung und liefen etwa 20 Minuten durch die Straßen in der Nachbarschaft. Anschließend gingen die Angeklagten B und A in die Wohnung zurück, während der Angeklagte C in dem geparkten Renault Clio mit dem Kennzeichen M-IP 1758 in der Lynarstraße zwischen Tegeler Straße und Sparrstraße wartete. Die Angeklagten B und A verließen um 0.10 Uhr das Haus, wobei jeder einen dunkelfarbenen Rucksack mit sich führte, der Angeklagte B außerdem eine weiße Plastiktüte, und stiegen zu dem Angeklagten C in den Renault Clio. Die Angeklagten fuhren durch Berlin und die Ortschaften Nauen, Päwesin, Görtz, Beetzsee und Brielow nach Brandenburg an der Havel, wo der Angeklagte C das Fahrzeug auf einem Feldweg in der Nähe einer Aral-Tankstelle abstellte. Während der Fahrt wurden sie von den Beamten des Observationsteams verfolgt. Der PKW der Angeklagten geriet dabei mehrfach kurzfristig aus dem Blickfeld der ihn verfolgenden Beamten, wurde aber immer wieder eingeholt. Als das Fahrzeug auf dem Feldweg geparkt war, gelang es dem Zeugen PHM Kroll, sich ihm zu nähern und es aus einer Entfernung von etwa 5 Metern aus einem Gebüsch heraus zu beobachten. Der Zeuge PHM Kroll hat anschaulich geschildert, wie ihm die zwei aus dem Auto ausgestiegenen Personen, nämlich die Angeklagten A und B, zu Fuß entgegengekommen seien, er darauf in ein Gebüsch gesprungen sei und sich dann an das Auto heran „gerobbt” habe. Er habe den Angeklagten C im Fahrzeug sitzend gesehen; der Innenraum des Fahrzeugs sei mehrfach kurzzeitig beleuchtet gewesen, so dass er diese Person auch genau habe erkennen können. Die beiden anderen seien nach etwa 10 bis 15 Minuten lachend und feixend zurückgekehrt. Alle drei seien dann mit dem Renault Clio weggefahren. Der Zeuge, der auch an der Festnahme der Angeklagten beteiligt war, war sich sicher, dass es sich bei den drei von ihm und seinen Kollegen anschließend festgenommenen Personen, den Angeklagten, um die Personen handelte, die er aus dem Gebüsch heraus beobachtet hatte.

Die Zeugen PK Schoetzau und KHK Gerhardt übernahmen die weitere Observation der Angeklagten A und B, als diese aus dem Feldweg kamen. Sie liefen dem Zeugen PK Schoetzau, wie dieser plastisch ausgesagt hat, in einem Abstand von etwa eineinhalb Metern „fast über die Füße”. Die Angeklagten gingen, mit Rucksäcken bepackt, zum MAN-Gelände in die Straße Am Industriegelände. Sie verschwanden dann aus dem Blickfeld des dort postierten Zeugen KHK Gerhardt. Die Zeugen beobachteten auch die Rückkehr der Angeklagten aus der Straße Am Industriegelände. Bei ihrer Nachschau auf dem Gelände entdeckten sie zunächst ein an den Zaun gelehntes Gitter, mit dem man den Zaun übersteigen konnte. Sodann bemerkten sie die glühenden Becherzünder, die der Zeuge PK Schoetzau entfernte und die dann abbrannten. Wegen der Zeitverzögerung ist es wahrscheinlich, dass für die Becherzünder Kohlestifte verwendet wurden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass, wie der Zeuge PK Schoetzau zu erkennen gemeint hat, Grillkohleanzünder eingesetzt wurden. Nach dem verlesenen Behördengutachten vom 8. Januar 2008 erscheint die Verwendung eines Grillkohleanzünders möglich. Die Zeugen PK Schoetzau und KHK Gerhardt haben bekundet, dass in der Nähe des Tatorts zu dieser nächtlichen Stunde außer den beiden Angeklagten und ihnen niemand unterwegs gewesen sei. Über die Örtlichkeit und die aufgefundene Situation hinsichtlich der Brandsätze hat sich der Senat über die in Augenschein genommenen Lichtbilder ein ergänzendes Bild verschafft.

Der Zeuge KOK Alevisos bekundete schließlich, den Renault Clio nach der Abfahrt vom Feldweg mit seinem Dienstwagen bis zum Festnahmeort verfolgt zu haben, ohne dass das Fahrzeug aus dem Blickfeld geriet.

cc) Festnahme der Angeklagten

Die Angeklagten wurden dann in Radewege auf der Brielower Straße in Höhe der Nr. 9 festgenommen wie in den Feststellungen wiedergegeben. Bei dem im Festnahmebericht irrtümlich angegebenen Festnahmeort Dorfstraße 9 handelt es sich um die Verlängerung der Brielower Straße. Der Senat hat zur Festnahme alle hieran beteiligten und am Festnahmeort anwesenden Polizeibeamten als Zeugen vernommen. Die Zeugen PHM Kroll und PK Bendt nahmen den Angeklagten C fest. Der Angeklagte A wurde vom Zeugen KOK Alevisos und der Angeklagte B vom Zeugen PK Gottschalk festgenommen. Am Festnahmeort anwesend, aber nicht unmittelbar an der Festnahme beteiligt waren die Zeuginnen KK’in Steinmetz und PHM’in Konta.

Die Zeugen haben das Geschehen, wie festgestellt, detailreich und widerspruchsfrei geschildert. Zum Teil haben sie zwar unter Berufung auf ihre beamtenrechtliche Aussagegenehmigung keine Angaben zu Umständen gemacht, aus denen sich etwa Erkenntnisse über das taktische Vorgehen der Polizeibehörden bei Einsätzen der vorliegenden Art gewinnen lassen. Die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen wurde hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt.

Soweit der Angeklagte A gegenüber dem Sachverständigen Dr. Wendt bei der Exploration angegeben hatte, angeschnallt sitzend von dem ihn festnehmenden Beamten in das Gesicht geschlagen worden zu sein, ist dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Der Zeuge KOK Alevisos, gegen den sich der Vorwurf richtet, hat glaubhaft geschildert, dass er nach dem Öffnen der Beifahrertür sich bemüht habe, den Angeklagten A aus dem Fahrzeug zu ziehen, was ihm zunächst nicht gelungen sei, weil der Angeklagte angeschnallt gewesen sei. Er habe daraufhin mit dem linken Arm den Kopf des Angeklagten A fixiert, den Sicherheitsgurt gelöst und ihn aus dem Fahrzeug gezogen. Seiner Bitte, sich auf den Boden zu legen, sei der Angeklagte A nicht nachgekommen, woraufhin er ihn mit dem Fuß zu Boden gebracht habe. Anschließend habe er die Arme des Angeklagten, die dieser unter seinen Körper gehalten habe, hervorgezogen und Handfesseln angelegt. Der Zeuge Alevisos hat glaubhaft verneint, den Angeklagten A geschlagen zu haben. Der Angeklagte A, der sich, abgesehen von der oben wiedergegebenen Einlassung, zur Sache nicht geäußert hat, hat die Behauptung in der Hauptverhandlung nicht wiederholt. Auch in dem wegen Verdachts der Körperverletzung im Amt unter dem Aktenzeichen 477 UJs 588/08 geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam hat er sich nicht geäußert. Das Verfahren war von Amts wegen eingeleitet worden, nachdem in einer Berliner Tageszeitung darüber berichtet worden war, dass laut einem „Bündnis für die Einstellung des Paragraf129a-Verfahrens” der Angeklagte „angeschnallt sitzend schwer verprügelt” worden sei. Der Angeklagte A ist in dem Ermittlungsverfahren seiner Vorladung als Zeuge nicht nachgekommen und hat sich auch über seinen damaligen Rechtsanwalt nicht zu der angeblichen Körperverletzung geäußert. Das Ermittlungsverfahren ist daraufhin eingestellt worden.

dd) Weitere Beweismittel

Bereits das vorstehend dargelegte Beweisergebnis lässt keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten zu. Bestätigt, ergänzt und abgerundet wird es durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Asservate, die bei der Tatortsicherung und den Durchsuchungen angefallen sind.

(1) Der Abholschein für den ursprünglich als Transportmittel vorgesehenen Opel Astra des Angeklagten C und der Mietvertrag für das Ersatzfahrzeug, den Renault Clio, wurden anlässlich der Festnahme sichergestellt. Den Abholschein trug der Angeklagte C in seinem Brustbeutel bei sich, der Mietvertrag wurde im Renault Clio gefunden.

(2) Der durch das Abbrennen der Zünder entstandene Brandschutt und die an den Lastkraftwagen angebrachten Brandflaschen wurden am Tatort gesichert. Nach dem verlesenen kriminaltechnischen Gutachten des Bundeskriminalamts vom 8. Januar 2008 entspricht der Aufbau der verwendeten Brandsätze der in der „radikal” Nr. 158 veröffentlichten Zusammensetzung („Nobelkarossentod”) und den dort vorgeschlagenen Materialien.

(3) Passend zu diesem Befund wurde nach den Bekundungen des Zeugen KHK Heider bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten B am 31. Juli 2007 ein Kassenbon des Drogeriemarkts Schlecker über einen am 21. Juli 2007, also wenige Tage vor dem versuchten Brandanschlag erfolgten Kauf von Haushaltshandschuhen und 6-Liter-Gefrierbeuteln der Marke „Toppits” sichergestellt. Die in der „radikal” Nr. 158 veröffentlichte Bauanleitung schlägt die Verwendung von Haushaltshandschuhen und - für die Herstellung der Becherzünder - 3-Liter-Gefrierbeutel der Marke „Toppits” vor. Spuren von Kraftstoff aus den leeren Benzinkanistern, die im Keller des Angeklagten B gefunden wurden, stimmten zwar nicht mit dem Ottokraftstoff überein, der für die am Tatort sichergestellten Brandsätze verwendet wurde. Es konnten jedoch, belegt durch das verlesene kriminaltechnische Gutachten des Bundeskriminalamts vom 8. Januar 2008, an den bei der Festnahme der Angeklagten sichergestellten dunklen Rucksäcken leichtflüchtige Komponentenmuster nachgewiesen werden, die für einen Kontakt mit Ottokraftstoff sprechen.

(4) Schließlich konnten auch DNA-Spuren des Angeklagten B an den Brandflaschen nachgewiesen werden. Die zwölf am Tatort sichergestellten Kunststoffflaschen wurden nach den Angaben des im Umgang mit Tatortspuren erfahrenen Zeugen EKHK Schulz von Beamten des Polizeipräsidiums Potsdam spurenschonend in Papiertüten verpackt und zur Polizeiwache Brandenburg verbracht. Sie wurden von dem für die Spurensicherung beim Bundeskriminalamt zuständigen Zeugen KHK Klenke übernommen. Der Zeuge hat bekundet, die Flaschen dokumentiert und entleert zu haben sowie die Flaschenhälse etwas unterhalb der Schraubkappen abgetrennt zu haben. Die Flaschenhälse wurden im Bundeskriminalamt vom Sachverständigen Dr. Bastisch auf DNA-Spuren untersucht. Der Sachverständige, an dessen Erfahrung und fachlicher Kompetenz keine Zweifel bestehen, hat in der Hauptverhandlung dargelegt, dass an zwei verschiedenen Schraubkappen zweier verschiedener Flaschenpaare DNA-Anhaftungen festgestellt wurden, die in allen elf untersuchten Merkmalsystemen mit der DNA des Angeklagten B übereinstimmen und daher zweifelsfrei dem Angeklagten B zuzuordnen sind. An weiteren acht Flaschenhälsen waren einzelne oder mehrere Merkmale festzustellen, wie sie auch der Angeklagte B aufweist. Der Senat folgert hieraus, dass es der Angeklagte B war, der die Brandsätze hergestellt hat. Die Möglichkeit einer seriellen Kontamination der insgesamt zehn DNA-tragenden Flaschenhälsen ist nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Bastisch angesichts der sofortigen fachgerechten Sicherstellung, der von Anfang an spurenschonenden Behandlung der Asservate wie auch der in etwa gleich bleibenden DNA-Menge an den Asservaten sehr unwahrscheinlich. Der Senat schließt sie mit Blick auf das Gesamtergebnis der erhobenen Beweise aus.

ee) Zeitwert der Bundeswehrfahrzeuge

Über den Zeitwert der angegriffenen Fahrzeuge hat sich der Senat sachkundig gemacht durch die Vernehmung des sachverständigen Zeugen und Sachverständigen Dückershoff, der seit 1981 bei dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung tätig ist und über eine große Erfahrung bei der Bewertung des Bundeswehrfuhrparks verfügt. Die beiden Allradzugmaschinen waren im Juli 1996 bzw. Dezember 1997 erstzugelassen worden und hatten einen Beschaffungspreis von umgerechnet rund 122.000 bzw. 130.000 Euro; der im Juni 1977 erstzugelassene Allrad-LKW mit Aufbau war zu einem Preis von umgerechnet rund 92.000 Euro angeschafft worden. Der sachverständige Zeuge und Sachverständige hat dargelegt, dass die Fahrzeuge, die als militärisches Gerät ohnehin nur eine sehr geringe Laufleistung aufwiesen, alle zehn Jahre einer Generalüberholung unterzogen und dadurch technisch praktisch wieder neuwertig würden. Unter Berücksichtigung der bestehenden Erfahrungswerte über die in der Vergangenheit erzielten Preise bei einer Weiterveräußerung hat er den Zeitwert des Allrad-LKWs mit Aufbau zur Tatzeit auf netto ca. 25.000 Euro beziffert. Der Senat hat diesen Wert festgestellt. Bezüglich der beiden Zugmaschinen hat der Senat auf einen entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung als wahr unterstellt, dass bei einer Versteigerung vergleichbarer Fahrzeuge im Juli und August 2009 Erlöse von 15.100 bzw. 18.700 Euro netto erzielt wurden, und diese Werte den Feststellungen über den Verkehrswert zur Tatzeit zugrunde gelegt.

f) Verwertbarkeit der Beweismittel

Alle genannten, in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise waren ohne Einschränkung verwertbar.

Die Erkenntnisse über die unmittelbar vor dem versuchten Brandanschlag geführten Telefongespräche zwischen den Angeklagten B und A am 29. und 30. Juli 2007 beruhen auf der rechtmäßigen Überwachung ihrer Telekommunikation, die der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschlüssen vom 23. Juli 2007 (B) und 25. Juli 2007 (A) gemäß den §§100a Satz 1 Nr. 1c, Satz 2, 100b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 100 g, 100h Abs. 1, 169 Abs. 1 StPO aF angeordnet hatte. Die Observationen und daraus resultierenden Erkenntnisse in der Tatnacht hatten ihre Rechtsgrundlage in den Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. Juli 2007 und 25. Juli 2007, mit denen gemäß den §§163f, 169 Abs. 1 StPO aF die längerfristige Observation der Angeklagten A und B gestattet worden war.

Die nach der Festnahme der Angeklagten bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen sichergestellten Beweismittel, die ein entscheidendes Gewicht bei dem Nachweis ihrer Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) hatten, konnten entgegen dem Widerspruch der Verteidiger der Angeklagten ebenfalls uneingeschränkt verwertet werden.

Die seinerzeit bei der Bundesanwaltschaft zuständige Staatsanwältin Vanoni wurde am 31. Juli 2007 gegen 2.30 Uhr morgens von der Ermittlungsführerin beim Bundeskriminalamt, der Zeugin KHK’in Alles, über die Festnahme der Angeklagten in Kenntnis gesetzt und ordnete um 3.18 Uhr gemäß den §§102, 105 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Gefahr im Verzug die Durchsuchung der Wohnungen der Angeklagten an. Die Anordnung wurde unter dem Vorbehalt getroffen, dass die Durchsuchungen zeitnah durchgeführt werden; sollte sich die Durchführung wesentlich verzögern, werde die mündliche Anordnung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs eingeholt. Gegen 6.40 Uhr teilte das BKA Staatsanwältin Vanoni mit, dass Inzwischen alle Polizeikräfte auf dem Weg zu den Durchsuchungsobjekten seien. Die Staatsanwältin versuchte um 6.55 Uhr, 7.25 Uhr und 8.15 Uhr, den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang. Daraufhin wurden die Wohnungen der Angeklagten B und C durchsucht. Die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten A gestaltete sich so, dass gegen 8.05 Uhr Beamte des LKA Berlin die Wohnungstür öffneten. Nachdem gegen 8.20 Uhr zwei Durchsuchungszeugen hinzugezogen worden waren, ordnete das BKA telefonisch an, mit den weiteren Durchsuchungsmaßnahmen bis zum Eintreffen von Beamten des BKA, unter anderem die Zeugen KOK Achilles und KHK Nolte, zuzuwarten, welche gegen 10.15 Uhr an der Wohnung eintrafen und dann gemeinsam mit den Beamten des LKA die Durchsuchung durchführten.

Der Senat hat diesen Sachverhalt durch die Vernehmung der Zeugen KHK’in Alles, KOK Achilles und KHK Nolte und im Übrigen freibeweislich durch die Verlesung eines Vermerks der Staatsanwältin Vanoni vom 31. Juli 2007 festgestellt. Der darüber hinausgehenden Beweiserhebung durch Vernehmung der Staatsanwältin Vanoni und verschiedener Polizeikräfte als Zeugen, wie im Hilfsbeweisantrag des Verteidigers des Angeklagten B (Anlage 1 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 14. Oktober 2009) beantragt, bedarf es nicht. Staatsanwältin Vanoni hat sich darum bemüht, den planmäßigen Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs telefonisch zu erreichen, nicht aber auch - wie unter Beweis gestellt und wie sich dies obendrein aus dem Vermerk selbst ergibt - dessen Vertreter.

Die Durchsuchungen der Wohnungen waren rechtmäßig. Es bestand bei deren Anordnung Gefahr im Verzug, weil zu erwarten war, dass Dritte von der Festnahme der Angeklagten erfahren und belastendes Material aus den Wohnungen entfernen würden. Diese Gefahr war auch noch gegeben, als mit der Durchsuchung der Wohnungen begonnen wurde. Die anordnende Staatsanwältin erreichte bis zu diesem Zeitpunkt den zuständigen Ermittlungsrichter nicht. Nach dem Beginn der Durchsuchungen bestand keine Verpflichtung mehr, eine richterliche Anordnung einzuholen. Das gilt auch für die Wohnung des Angeklagten A. Die Durchsuchung wurde in dem Zeitpunkt begonnen, als die Polizeibeamten in die Wohnung eindrangen und damit faktisch die Möglichkeit hatten, be- und entlastendes Material zu suchen. Als die Beamten des LKA auf das Eintreffen der BKA-Dienstkräfte warteten, beendeten sie nicht etwa die Durchsuchungsmaßnahme, sondern unterbrachen sie nur vorübergehend, um sie dann fortzusetzen.

Die aus den Durchsuchungen erlangten Erkenntnisse wären auch dann verwertbar, wenn man mit der Verteidigung den Standpunkt einnehmen wollte, dass die staatsanwaltschaftliche Durchsuchungsanordnung bei Beginn der Durchsuchungen oder - im Falle der Wohnung des Angeklagten A - beim Eintreffen der Dienstkräfte des BKA nicht mehr ausgereicht hätte und es stattdessen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung bedurft hätte. Die Durchsuchungen waren materiell rechtmäßig. Es steht außer Zweifel, dass sowohl der planmäßige als auch der zur Vertretung berufene Richter die Wohnungsdurchsuchungen angeordnet hätte, da das Beweismaterial gegen die Angeklagten in Bezug auf den versuchten Brandanschlag sehr dicht war und in Bezug auf ihre Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) jedenfalls ein erheblicher Verdacht bestand. Ein allgemeiner Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, ist dem Strafverfahrensrecht fremd. Da sich der Rechtsstaat nur verwirklichen kann, wenn ausreichende Voraussetzungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden können, bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Ein Beweisverwertungsverbot wegen Mängeln der Durchsuchungsanordnung ist grundsätzlich nur dann Folge einer fehlerhaften Durchsuchung, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 -; BGHSt 51, 285; jew. m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Sofern überhaupt ein Verfahrensverstoß vorläge, wäre dieser unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Durchsuchung der Aufklärung einer gravierenden Straftat - eines Verbrechens (§306 Abs. 1 i.V.m. §§129 Abs. 1, 52 StGB) - diente, jedenfalls nicht schwerwiegend. Von einem bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstoß der anordnenden Staatsanwältin oder der Durchsuchungskräfte kann nicht die Rede sein.

[...]

IV. Rechtliche Würdigung

Die Feststellungen weisen aus, dass sich die Angeklagten der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§129 Abs. 1 StGB) und - damit zugleich im Sinne einer tateinheitlichen Begehung (§52 StGB) - der gemeinschaftlichen versuchten Brandstiftung (§§306 Abs. 1 Nr. 4, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) und gemeinschaftlichen versuchten Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel (§§305a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht haben.

Die Angeklagten setzten aufgrund eines gemeinsam gefassten Tatplans in arbeitsteiligem Zusammenwirken unmittelbar dazu an, drei Kraftfahrzeuge der Bundeswehr durch Inbrandsetzen zu zerstören. Sie handelten als Mittäter. Dies gilt auch für den Angeklagten C, der sich während des Anschlags nicht selbst auf dem Tatortgelände befand, sondern im Fluchtfahrzeug wartete. Seine bei der Brandlegung nur untergeordnete Rolle steht der Annahme der Mittäterschaft nicht entgegen, weil sein Handeln für das Gelingen der Tat funktional erforderlich war und weil er die kollektiv geplante Tat als eigene wollte.

Die Angeklagten handelten als Mitglieder der kriminellen Vereinigung militante gruppe (mg), deren Tätigkeit darauf gerichtet war, Straftaten zu begehen. Die militante gruppe (mg) war ein auf Dauer angelegter freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgten und untereinander derart in Beziehung standen, dass sie sieh als einheitlicher Verband fühlten und mithin die Voraussetzungen einer Vereinigung im Sinne des §129 StGB (vgl. BGH NStZ 2008, 146 m.w.N.) erfüllten. Den Kernbereich der Aktivitäten stellte die Begehung politisch motivierter Brandanschläge dar. Die Angeklagten setzten sich durch die eigenverantwortliche Vorbereitung und Begehung eines Anschlags aktiv für die Gruppe ein und brachten durch die Tat ihre auf Dauer ausgerichtete Teilnahme an der Tätigkeit der Organisation zum Ausdruck.

Trotz ihrer Gefährlichkeit und der zumindest zeitweiligen Nähe zu terroristischem Gedankengut - wenn etwa die Liquidation von Entscheidungsträgern diskutiert werden sollte - stellte die militante gruppe (mg) keine terroristische Vereinigung im Sinne des §129a StGB dar. Feststellungen dazu, dass ihre Aktivitäten über Wortmeldungen hinaus bereits auf besonders schwerwiegende Straftaten wie Mord oder Geiselnahme gerichtet gewesen wären (§129a Abs. 1 StGB), sind in der Hauptverhandlung nicht getroffen worden. Auch hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Vereinigung Straftaten im Sinne des §129a Abs. 2 Nr. 2 StGB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 52, 98) plante oder beging, die durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen den Staat erheblich schädigen konnten. Auch die Voraussetzungen des §109e StGB, der Sabotagehandlungen an Verteidigungsmitteln erfasst, liegen nicht vor, da die konkrete Tat objektiv nicht geeignet war, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe konkret zu gefährden, und die Gefährdung von Menschenleben weder gewollt noch für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen war.

Ein Widerstandsrecht gemäß Art. 20 Abs. 4 GG steht den Angeklagten nicht zu, denn hierauf kann sich nicht berufen, wer mit seiner Tat die demokratisch verfasste Grundordnung abschaffen will.

Der Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§123 StGB) ist zwar erfüllt, der erforderliche Strafantrag des Hausrechtsinhabers jedoch nicht gestellt worden.


V. Strafzumessung

Der Senat hat sich bei der Strafzumessung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Den anzuwendenden Strafrahmen, der sich gemäß §52 Abs. 2 Satz 1 StGB nach dem Gesetz mit der schwersten Strafandrohung bestimmt, hat der Senat aus §306 Abs 1 StGB entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsieht.

Ein minder schwerer Fall im Sinne des §306 Abs. 2 StGB liegt, auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes der §§23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB, bei keinem der Angeklagten vor.

Gegen die Annahme eines minder schweren Falls spricht bereits der Handlungsunwert der Tat. Die Angeklagten haben die Tat sorgfältig geplant und vorbereitet und damit eine erhebliche kriminelle Energie aufgewandt. Der Anschlag sollte einen großen Sachschaden anrichten. Er stand unmittelbar vor der Vollendung. Dass der Schaden letztlich nicht eintrat, war nur dem beherzten Eingreifen eines Polizeibeamten zu verdanken, der handelte, obwohl ihm selbst aus der Rettungsaktion Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit drohte.

Der Umstand, dass das Vorgehen der Angeklagten in der Tatnacht fast durchgängig von der Polizei observiert worden ist, führt ebenfalls nicht zur Annahme eines minder schweren Falls. Die geschützten Rechtsgüter waren nämlich trotz der Observation stark gefährdet, wie sich bereits daraus ergibt, dass es den Angeklagten gelungen war, auf das Gelände zu gelangen und - zu diesem Zeitpunkt unbeobachtet - die Brandsätze anzubringen.

Bei dem Angeklagten A führt auch die Berücksichtigung seiner psychischen Verfassung nicht zur Annahme eines minder schweren Falls. Seine Schuldfähigkeit war zur Tatzeit nicht erheblich eingeschränkt, weshalb der Strafrahmen für ihn im Übrigen auch nicht gemäß den §§21, 49 Abs. 1 StGB zu mindern war.

Den Umstand, dass die Tat der Angeklagten im Versuchsstadium stecken blieb, hat der Senat strafmildernd innerhalb des Regelstrafrahmens bedacht. Von der Möglichkeit der in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellten Strafrahmenverschiebung gemäß den §§23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB hat er nicht Gebrauch gemacht, weil dies aufgrund einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände der Tat und der Täterpersönlichkeiten nicht angemessen gewesen wäre. Der Senat hat nicht nur die versuchsspezifischen Umstände bedacht. Der Gesetzgeber hat die frühere Rechtslage, nach der bei Ausbleiben des Erfolges obligatorisch zu mildern war, mit der Begründung geändert, es solle „keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten, ob der Erfolg eingetreten oder aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben ist” (vgl. BT-Drs. V/4095 S. 11). Da die Strafe letztlich schuldangemessen sein muss, reicht es nicht aus, die Strafrahmen wähl allein auf versuchsspezifische Umstände zu verengen (vgl. BGHSt 17, 266, 267). Allerdings kommt bei der Gesamtschau den wesentlich versuchsbezogenen Umständen, nämlich der Nähe der Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der aufgewandten kriminellen Energie, ein besonderes Gewicht zu, weil sie die wichtigsten Merkmale für die Einstufung von Handlungs- und Erfolgsunwert einer nur versuchten Tat darstellen (vgl. BGHSt 36, 1, 18; Fischer, StGB 57. Aufl., §23 Rdn. 4 m.w.N.). Hier lag es so, dass insbesondere die Observation der Angeklagten und die daraus resultierende Verringerung der Gefähriichkeit des Versuches für die Wahl des milderen Strafrahmens sprachen. Dagegen war jedoch von ausschlaggebendem Gewicht, dass die Angeklagten die Tat sorgfältig geplant und effektive, schnell wirkende Tatmittel eingesetzt hatten. Der Schadenseintritt stand unmittelbar bevor und konnte nur durch glückliche Umstände, nämlich die schnelle Entdeckung der glimmenden Zünder und das eigengefährdende Einschreiten des Zeugen PK Schoetzau, der die verbleibende Verzögerungszeit nicht kannte, verhindert werden. Das Anbringen und Zünden der Brandvorrichtungen selbst vollzog sich außerhalb des Gesichtsfeldes der observierenden Beamten. Für das Entschärfen der Brandsätze verblieb tatsächlich nur ein sehr enger Zeitraum von wenigen Minuten nach Entdeckung.

2. Bei der Strafzumessung innerhalb des danach eröffneten Strafrahmens waren unter Einbeziehung der vorgenannten Gesichtspunkte folgende Umstände bestimmend:

Wesentlich strafmildernd hat der Senat gewertet, dass der geplante Erfolg der versuchten Brandstiftung ausgeblieben ist und die Angeklagten alles aus ihrer Sicht Erforderliche getan hatten, um eine Gefährdung von Personen auszuschließen.

Die Angeklagten sind zudem bisher unbestraft und führten ein sozial integriertes Leben. Der Senat geht davon aus, dass sie durch die erlittene Untersuchungshaft beeindruckt sind. Die Angeklagten A und C verloren infolge der Festnahme ihren Arbeitsplatz. Alle Angeklagten handelten in der Vorstellung einer vermeintlich besseren Gesellschaftsordnung und orientierten sich damit nicht an einem persönlichen Vorteil. Von strafmilderndem Gewicht war schließlich, dass ihr versuchter Brandanschlag nahezu lückenlos observiert wurde und letztlich, wenngleich auch nur aufgrund glücklicher Umstände, verhindert werden konnte.

Zu Lasten wirkte sich für die Angeklagten aus, dass sie zugleich mehrere Straftatbestände erfüllt haben.

Sie beteiligten sich an einer mehrere Jahre aktiven, gefährlichen Organisation, die insgesamt einen hohen wirtschaftlichen Schaden anrichtete und in einem Fall sogar einen Menschen gefährdete. Den Angeklagten war bewusst, in welcher Weise die Vereinigung agierte.

Bei ihrem sorgfältig geplanten Brandanschlag gingen die Angeklagten mit beträchtlicher krimineller Energie vor. Die von ihnen angegriffenen Fahrzeuge hatten einen hohen Sachwert.

Der Angeklagte B trieb in der unmittelbaren Ausführungsphase die Verwirklichung des Tatplanes an, in dem er nach dem Ausfall des ursprünglich vorgesehenen Transportmittels darauf drängte, dass der Angeklagte C ein Ersatzfahrzeug beschaffte.

Der Angeklagte C war nach den Feststellungen länger als die Mitangeklagten an der Organisation beteiligt. Zu seinen Gunsten hat der Senat berücksichtigt, dass ihn die Einziehung seines PKW (unter VI. der Urteilsgründe) auch am Vermögen trifft.

Bei dem Angeklagten A fiel strafmildernd seine krankheitsbedingte besondere Haftempfindlichkeit ins Gewicht.

Nach Abwägung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat der Senat auf Freiheitsstrafen von

drei Jahren und sechs Monaten für die Angeklagten C und B

sowie

drei Jahren für den Angeklagten A

erkannt. Diese Strafen sind schuldangemessen und ausreichend, aber auch erforderlich, um den Angeklagten das begangene Unrecht eindrücklich vor Augen zu führen und sie von weiteren Taten abzuhalten.


VI. Einziehungsentscheidung

Der Senat hat die Einziehung des PKW Opel Astra des Angeklagten C auf der Grundlage des §74 Abs. 1 StGB angeordnet. Das Fahrzeug war nach denn ursprünglichen Tatplan für die Fahrt zum Tatort vorgesehen und damit als Tatmittel zur Begehung des Brandanschlags bestimmt. Dass es wegen eines technischen Defekts letztlich nicht zum Einsatz kam, ist ohne Bedeutung.


VII. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung folgt aus §465 Abs. 1 StPO.


Hoch - Hanschke - Warnatsch - Finkel - Grabbe


(Um Persönliches gekürzte Fassung)