Gesinnung – ist das alles?!

Obwohl seit der Einführung des Paragraphen §129a im Jahr 1976 ein Dauerthema, rückt das Gesinnungsstrafrecht der BRD nur selten in den Brennpunkt des allgemeinen medialen und politischen Interesses. Umso auffälliger ist rückblickend die Intensität, mit welcher zwei der im vergangenen Jahr bekannt gewordenen Ermittlungsverfahren in Sachen „BILDUNG EINER TERRORISTISCHEN VEREINIGUNG“ öffentlich zur Kenntnis genommen wurden. Im Frühjahr 2007 sorgte die Bundesanwaltschaft (BAW) mit großangelegten Durchsuchungen im sogenannten globalisierungskritischen Lager für erste Schlagzeilen und legte im Spätsommer mit einer zweiten Aktion – diesmal in Sachen „MILITANTE GRUPPE (MG)“ – nach. Beide Vorgänge erzeugten ein enormes mediales und politisches Echo und eine Atmosphäre lagerübergreifender Empörung, wofür sich zumindest drei Gründe benennen lassen:

  1. Ein erhöhtes öffentliches Bewusstsein, bedingt durch den allgemeinen RAF-Hype in 2007.
  2. Die Leichtfertigkeit, mit der die BAW ihr Vorgehen gegen die G8-KritikerInnen nachträglich als „KLOPFEN AUF DEN BUSCH“ rechtfertigte.
  3. Die Absurdität der Vorwürfe – freier Bibliothekszugang, Gebrauch des Wortes „GENTRIFIZIERUNG“ usw. – gegen die Beschuldigten im „MG“-Verfahren.

U.a. von dieser diskursiv günstigen Atmosphäre konnte die intensive Solidaritätsarbeit verschiedener Unterstützer/-innenkreise mit Schwerpunkt in Berlin profitieren. Parallel fällte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Reihe von Urteilen mit Grundsatzcharakter, in denen das Vorgehen der Bundesanwaltschaft, namentlich die Anwendung des §129a, juristisch in Frage gestellt wurde. Im Ergebnis befindet sich keiner der Beschuldigten mehr in Haft.

Die Verfahren hingegen laufen mit ungewissem Ausgang weiter, während die mediale/öffentliche Resonanz spürbar kleiner geworden ist. Aus diesen veränderten Bedingungen ergeben sich veränderte Anforderungen an die Solidaritätsarbeit. Es besteht zudem die Chance, die bisherige Kampagne zu bilanzieren. Im Mittelpunkt der notwendigen Perspektivdiskussion sollte der §129a als Instrument der Verfolgung von politischen Gesinnungen stehen, dessen Charakter als Abschreckungs- und Präventivwaffe in der Vergangenheit wiederholt Begehrlichkeiten von Polizei, Justizbehörden und Geheimdiensten geweckt hat. Einerseits würde die Auseinandersetzung somit in den im politisch linken Spektrum eher konsensualen Bereich der Kritik an Repression und am Ausbau der Sicherheitsarchitekturen in BRD und Europa verlagert. Andererseits stünde damit der pragmatische Kern der Solidaritätsarbeit wieder im Vordergrund, der da lautet: Allein machen sie dich ein.

Hiermit laden wir zu einer INFORMATIONS- und DISKUSSIONSVERANSTALTUNG zu laufenden §129a-Verfahren ein. Auf dem Podium sitzen ANDREJ H. und ein VERTRETER DES EINSTELLUNGSBÜNDNISSES BERLIN.

DATUM: 28.04.
ZEIT: 19.00
ORT: INFOCAFÉ IM HOF DER FEINKOST,
KARL-LIEBKNECHT-STRASSE 36