BGH weist Bundesanwaltschaft zum dritten Mal in die rechtsstaatlichen Schranken
Zu der heute veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die durch die Generalbundesanwältin veranlassten bundesweiten Durchsuchungen und Beschlagnahmungen seien mangels Bundeszuständigkeit rechtswidrig gewesen, erklärt Hans-Christian Ströbele, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:
Wir begrüßen sehr, dass der BGH die bundesweiten Ermittlungsmaßnahmen gegen Globalisierungsgegner vor dem G 8-Gipfel aufgehoben und für rechtswidrig erklärt hat. Der BGH musste damit die Bundesanwaltschaft erneut in die rechtsstaatlichen Schranken weisen. Das ist mehr als eine erneute Schlappe für die Bundesanwaltschaft. Deren überharte und rechtsstaatswidrige Linie in der Anwendung der Strafvorschrift zur terroristischen Vereinigung muss grundsätzlich korrigiert werden.
Es stellt sich auch die Frage nach personellen Konsequenzen. Immerhin wurde mit den rechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen in erhebliche Grundrechte der Betroffenen eingegriffen. Nicht nur Rufschädigung war die Folge, sondern auch der Entzug wichtiger Arbeitsunterlagen. Der gesamte Widerstand gegen den G 8-Gipfel sollte in die terroristische Ecke abgedrängt werden. Dem hat der BGH einen Riegel vorgeschoben.
Daher ist es nun umso wichtiger, die zahlreichen von diesen Maßnahmen Betroffenen zu rehabilitieren, materiell zu entschädigen und unrechtmäßig ausgeforschte bzw. beschlagnahmte persönliche Daten unverzüglich zu löschen. Dass Letzteres geschieht, sollten auch die zuständigen Datenschutzbeauftragten kontrollieren.
Dass die fraglichen Maßnahmen nun vom BGH beanstandet wurden, beruht im Kern darauf, dass unter Rot-Grün 2003 eine Beschränkung des zuvor vielfach missbrauchten Straftatbestands § 129 a StGB "terroristische Vereinigung" erreicht werden konnte. Danach setzt die Strafbarkeit nun voraus, dass die von der Vereinigung begangenen oder geplanten Taten "einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen" können (Text s.u.). Sofern diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, greift dieser umfassende Straftatbestand nun nicht mehr ein, sondern die fraglichen begangenen Taten können nur nach den dafür bestehenden Spezialnormen verfolgt werden.
Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nun schon zum 3. Mal innerhalb weniger Wochen die Generalbundesanwältin zurückgepfiffen und dazu angehalten, diese Neuregelung des § 129 a StGB aus dem Jahr 2003 zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.
Am 18.10.2007 (Gz. StB 34/07) hatte der BGH den durch die Generalbundesanwältin erwirkten Haftbefehl gegen den Soziologen Andrej. H. mangels dessen Mitgliedschaft in bzw. mangels Existenz einer terroristischen Vereinigung aufgehoben.
Am 28.11.2007 beschloss der BGH (Gz. 1 BGs 519/2007), die durch die Generalbundesanwältin gegen G 8-Proteste angeordnete eigenständige Kontrolle von aus 100 Briefkästen stammenden Briefen durch 16 Bundeskriminalbeamte am 22. Mai 2007 in einem Hamburger Postverteilzentrum sei grob rechtswidrig ("Grenzen des Wortlauts überschreitende Auslegung"; komme"… nicht in Betracht").
Text § 129 a Strafgesetzbuch:
"…wenn eine der… Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann."
Hans-Christian Ströbele, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen