BdWi verurteilt "Terrorismus”-Verdächtigungen

Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verurteilt Versuche, den Staatsorganen unbequeme wissenschaftliche Forschung und ForscherInnen dadurch einzuschüchtern, dass sie willkürlich in den Verdacht des Zusammenhangs mit terroristischen Tätigkeiten bzw. der Mitgliedschaft in "terroristischen Vereinigungen” gebracht werden. Der BdWi unterstützt kritische wissenschaftliche Forschung zu allen gesellschaftsrelevanten Fragen und solidarisiert sich mit denen, die sie betreiben und vertreten.

Jüngst wurden lt. Meldungen einiger Medien mehrere Personen auf Initiative der Karlsruher Bundesanwaltschaft festgenommen. Einer der Festgenommenen ist Wissenschaftler und forscht z.B. zur Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände oder zur Frage, ob der Zuzug von Studierenden Mietsteigerungen hervorbringen könnte, wie sie nach der "Wende” in Prenzlauer Berg auftraten. Begründungen für die Bundesanwaltschafts-Aktionen: Eine "wissenschaftliche Abhandlung enthalte Schlagwörter und Phrasen, die in Texten der ‚militanten gruppe‘ ebenfalls verwendet werden”, und einer der Festgenommenen sei, weil "promovierter Politologe”, "intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der militanten gruppe (mg) zu verfassen”. Es stünden ihm "Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen”.

Einer der Verdächtigten befasst sich an der Berliner Humboldt-Universität mit "Gentrifikation”, der Aufwertung von Wohnvierteln und Verdrängung von Mietern. Ironischer Weise führte ein Gutachten eines Wissenschaftler-Kollegen zum sozialen Zerfall bestimmter Stadtteile 1999 zur Einführung des so genannten Quartiersmanagements durch den Berliner Senat.

Sollen die Verdachtsmomente, die mit der Politik des "präventiven Sicherheitsstaates” verbunden sind, nun bis auf wissenschaftliche Fragestellungen ausgeweitet werden? Sollen hier WissenschaftlerInnen eingeschüchtert werden, die sich mit den Folgen der systematischen Verarmungspolitik auseinandersetzen, die von der dominanten neoliberalen Politik- und Denkrichtung scheinbar alternativlos oktroyiert wird? Sollen - über die unmittelbar betroffenen WissenschaftlerInnen hinaus - ihre KollegInnen von ähnlich "staatsfeindlichen”, sprich: gesellschaftskritischen Themen und deren Bearbeitung abgeschreckt werden? Nicht zuletzt: Sollen auf diese Weise auch die Veröffentlichung und Kenntnisnahme kritischer wissenschaftlicher Gesellschaftsanalyse denunziert und ins Abseits gestellt und der Öffentlichkeit eine "reine” Wissenschaft vorgespiegelt werden, die sich abfindet mit unterwürfiger Herrschaftsakklamation?

Zu Recht sprechen Rechtsanwälte von Vorwürfen, die "an Absurdität kaum zu überbieten” seien. Der BdWi fügt hinzu: Wissenschaftliches Denken und wissenschaftliche Tätigkeit lassen sich nicht an die Kette des "Terrorismus”-Verdachts legen. Der BdWi unterstützt kritische Forschung und fordert alle WissenschaftlerInnen auf, sie weiterzuführen. Wissenschaft ist kritisch, oder sie ist nicht wissenschaftlich.