Urban Poor Associates gegen §129

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
c/o Ermittlungsrichter Hebenstreit
Herrenstraße 45
D-76133 Karlsruhe
Germany

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Brauerstraße 30
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Germany
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eMail: presse@generalbundesanwalt.de

Sehr geehrter Generalbundesanwalt,

meine Organisation möchte die größtmögliche Besorgnis und ihren Protest gegen die Festnahme und die Inhaftierung von Dr. Andrej Holm und drei weiteren Personen zum Ausdruck bringen, die beschuldigt werden, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Die Informationen, die wir aus der deutschen Presse und von zivilgesellschaftlichen Organisationen erhielten, zeigen, dass es keine substantiellen Beweise gegen die vier gibt. Sie wurden auf der Basis einer Verkettung von Umständen verhaftet.

Die deutsche Polizei durchsuchte am 31.7.2007 die Wohnungen und Büros von Dr. Andrej Holm und der drei anderen. Dr. Holm wurde verhaftet, im Helikopter zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe geflogen und dem Haftrichter vorgeführt. Seitdem ist er in Untersuchungshaft in Berlin. Die Anklage gegen alle vier lautet: "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB" (Absatz 7 des deutschen Strafgesetzbuches "Straftaten gegen die öffentliche Ordnung"). Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder der so genannten "militanten gruppe" zu sein. Laut Durchsuchungsbefehl läuft das Ermittlungsverfahren unter diesem Vorwurf gegen die vier bereits seit September 2006 – und sie wurden seitdem rund um die Uhr observiert.

Die Beweise für diese sehr schwerwiegende Anklage sind dünn und beruhen allein auf Indizien. Namen und Adressen tauchen in Adressbüchern auf, es wird die Verwendung von Phrasen und Schlagwörtern genannt, die üblicherweise in wissenschaftlichen Publikationen benutzt werden, wie z.B. das Wort "Gentrifizierung", das allen Studierenden der Sozialwissenschaften bekannt sein dürfte. Die verdrehende Argumentation wendet sogar Dr. Holms akademische Reputation gegen ihn, indem sie davon ausgeht, dass er der Autor der anspruchsvollen Texte der 'militanten gruppe' sei.

Eine weitere Begründung ist die Teilnahme an den Protesten gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm. Diese Begründung ist heikel und gefährlich; alle Anti-Globalisierungsaktivist/innen können nun als "Terroristen" gelten.

Mit diesen Konstrukten wird jede wissenschaftliche Tätigkeit und politische Arbeit als potentiell kriminell dargestellt. Kritische Forschung und gerade die, die mit politischem Engagement verbunden ist, wird zur ideologischen Rädelsführerschaft und "Terrorismus".

Dr. Holm und die drei anderen sind seit dem 1. August 2007 unter sehr rigiden Bedingungen in Berlin-Moabit inhaftiert: Sie sind 23 Stunden am Tag in einer Einzelzelle und haben eine Stunde Hofgang. Sie können alle 14 Tage für insgesamt eine halbe Stunde besucht werden, Kontakte sind nur mit Trennscheibe erlaubt. Auch die Anwälte können mit ihren Mandanten nur mit Trennscheibe sprechen, die Verteidigerpost wird kontrolliert.

Nach der Überwindung seiner schrecklich undemokratischen Vergangenheit gilt Deutschland inzwischen wieder als ein demokratisches Land. Die Festnahme und Inhaftierung von Herrn Holm und den anderen muss daher mit tiefster Sorge betrachtet werden und ist Ausdruck einer Rückentwicklung im Namen der Terrorbekämpfung.

Wir fordern daher, dass die Bundesanwaltschaft:

  • das Verfahren gegen alle Beteiligten sofort einstellt und Andrej Holm sowie die anderen Inhaftierten sofort aus der Haft entlässt,
  • die Überwachung von sozial engagierten Aktivist/innen und Wissenschaftler/innen, inklusive derer, die in Mieterorganisationen und in der Anti-Globalisierungsbewegung aktiv sind, beendet,
  • die Freiheit von wissenschaftlicher Forschung und politischer Arbeit respektiert und
  • die § 129, 129a und 129b abschafft.

Mit freundlichen Grüßen,

Teodoro Anana
Assistant Coordinator
Urban Poor Associates
25A Mabuhay Street, Brgy. Central, Quezon City 1100, Philippines
Tels.: (+632) 426-4119 / 426-7615
Telefax: (+632) 426-4118
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