American Sociological Association: Brief an die Bundesanwaltschaft

Wir haben soeben eine Erklärung des amtierenden Rates der American Sociological Association, die über 14.000 Soziologen in den USA und weltweit vertritt, erhalten, den wir an Sie weiterleiten. Bitte beachten Sie insbesondere die Resolution am Ende des Briefes.

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
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Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns heute an Sie im Namen des amtierenden Rates der American Sociological Association (ASA), der nationalen Vereinigung der Soziologen in den Vereinigten Staaten, die mehr als 14.000 Mitglieder, darunter Professoren, Universitätsangestellte, Forscher, Praktiker und Studierende, in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern vertritt.

Als eine wissenschaftliche Vereinigung, die sich der Weiterentwicklung der Soziologie – verstanden als einer wissenschaftlichen Disziplin und Profession zur Förderung des Gemeinwohls – verpflichtet sieht, ist die ASA vor allem auf die Freiheit der Wissenschaft und die Integrität von Soziologen und Sozialwissenschaftlern bei der Ausübung ihrer professionellen und wissenschaftlichen Tätigkeiten bedacht. Der amtierende Rat der ASA, das gewählte Führungsgremium der Vereinigung, hat sich in der Vergangenheit wiederholt in Verteidigung der Freiheit von Wissenschaft und Menschenrechten zu Wort gemeldet. Außerdem greift er regelmäßig Anliegen auf, die von Mitgliedern an ihn herangetragen werden und Fälle von Wissenschaftlern betreffen, bei denen wir davon ausgehen müssen, dass ihre akademische Freiheit durch Eingriffe von Regierungen oder deren Behörden bedroht wird.

Auf der 102. Jahresversammlung der American Sociological Association am 15. August 2007 in New York City, an der mehr als 6.000 nordamerikanische und internationale Wissenschaftler teilgenommen haben, kam uns die Situation von Dr. Andrej H. und anderen deutschen Wissenschaftlern zur Kenntnis, die von deutschen staatlichen Behörden strafrechtlich verfolgt werden bzw. unter der Androhung strafrechtlicher Verfolgung stehen.

Als amtierender Rat der ASA möchten wir Sie daher bitten, folgende Erklärung zu beachten. Die Erklärung ist Ausdruck unserer grundlegenden Überzeugungen hinsichtlich der prinzipiellen Schutzwürdigkeit akademischer Freiheit und der Integrität von wissenschaftlicher Forschung. Diese sollte von allen Regierungen respektiert werden, welche die freie Ausübung von Wissenschaft und akademisches Wissen als unentbehrlich für das Wohl und den Fortschritt offener und demokratischer Gesellschaften begreifen.

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Resolution des amtierenden Rats (2007-2008) der American Sociological Association, verabschiedet in New York City am 15. August 2007 auf der 102. Jahresversammlung:

Der Rat der American Sociological Association wendet sich grundsätzlich gegen Maßnahmen von Regierungen und deren Bevollmächtigen, welche die Überwachung, Festnahme und Inhaftierung von Sozialwissenschaftlern und Forschern mit deren wissenschaftlichen Überlegungen, Schriften und über empirische Arbeit erfolgte Kontakte begründen. Er verurteilt strafrechtliche Verdächtigungen und Verfolgungen mit Bezugnahme auf wissenschaftliche Arbeiten, Auffassungen und Forschungskontakte als grobe Verletzungen der akademischen Freiheit und der Integrität wissenschaftlicher Praxis.

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Hochachtungsvoll,

Arne Kalleberg, PhD
President, American Sociological Association

Kenan Distinguished
Professor and Director of International Programs
University of North Carolina-Chapel Hill

Sally T. Hillsman, PhD
Executive Officer, American Sociological Association

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