Information: The story must go on – im „mg3“-Verfahren gegen W. B.

Am 21.6.2010 erhielt auch ich – wie schon zuvor die 3 ehemaligen beschuldigten politischen Aktivisten der Initiative „Libertad!“ des sog. „mg1“-Verfahrens - über meinen Rechtsanwalt Stefan S. einen auf den 11.03.2010 datierten Beschluss des 3. Strafsenats des BGH, in dem dieser die Rechtswidrigkeit aller verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in meinem im letzten Jahr eingestellten Verfahren feststellt:

„Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung (d. h. weder zu Beginn noch im Verlauf des Verfahrens! d. Verf.) ein ausreichender Tatverdacht … nicht bestand.“

Die 14 BGH-Beschlüsse – der erste vom 17.09.2003, der letzte vom 17.08.2006 - bezogen sich auf die Telekommunikationsüberwachung mehrerer Anschlüsse, e-mail-accounts, Observationsmaßnahmen (auch unter Einsatz „technischer Mittel“), Observationsfotos, „Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes…“

Zur Erinnerung – eine kurzgefasste Chronologie der juristischen Eckpunkte:

- Seit dem 25.8.2003 führte der Generalbundesanwalt (GBA) gegen mich ein Ermittlungsverfahren wg. angeblicher Mitgliedschaft in der „militante(n) gruppe“ nach § 129a (terroristische VE), das – ebenso wie bei den anderen mg-Beschuldigten – ab 25.08.2008 vom GBA durch Verfügung als Verfahren nach § 129 (kriminelle VE) weitergeführt wurde.

- Am 23.12.2008 wurde mir - noch während des laufenden Verfahrens - vom GBA mitgeteilt, dass gegen die „verdeckten Ermittlungsmaßnahmen“ die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit besteht. Mein RA tat eben dies mit Schreiben vom 09.01.2009.

- Am 19.08.2009 fasste der Ermittlungsrichter beim BGH Dr. Schneider einen Beschluss, der die Rechtsmäßigkeit der getroffenen Überwachungsmaßnahmen feststellte, da der Verdacht der Mitgliedschaft in der „mg“ bestanden habe.

- Das Verfahren gegen mich wurde am 18.06.2009 eingestellt.

Um euch nicht zu verwirren jetzt noch einmal zurück zur Begründung der Rechtswidrigkeit durch die Herren Richter Schäfer, Becker und von Lienen.

Aus dem Beschluss v. 11.03.2010, der 204 Tage oder 4896 Stunden nach demjenigen vom 19.08.2009 gefällt wurde und diesen in seinem Ergebnis widerlegt:

- „Das enge Vertrauensverhältnis ... zum gesondert verfolgten … waren nicht geeignet, einen entsprechenden Tatverdacht zu begründen. … waren die Kontakte zwischen diesem und dem Beschwerdeführer vielfältiger und legaler Natur (u. a. Laufsport, Benutzung von Bäckereiräumlichkeiten), so dass sich aus den gemeinsamen Aktivitäten ein Verdacht auf eine gemeinsame Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nicht ableiten lässt.“

- Bezüglich eines anderen Verfahrens, in dem mir Unterstützungshandlungen der RZ in den 1980er Jahren unterstellt wurden: “… Weitergehende Erkenntnisse als eine linksextreme oder linksautonome Grundeinstellung des Beschwerdeführers lassen sich daraus nicht ableiten.“

- „Auch das Treffen mit Freunden und politisch Gleichgesinnten in Österreich an einem Wochenende im Oktober 2002 war nicht geeignet, einen Verdacht … hinsichtlich einer Katalogtat … zu begründen. Gegen keinen der identifizierten Teilnehmer dieses Treffens … bestand ein valider Verdacht im Hinblick auf eine Beteiligung an dieser kriminellen Vereinigung… . Die Annahme eines Zusammenhangs zwischen diesem Treffen und einer in der Folgezeit gesteigerten Häufigkeit von Brandanschlägen sowie öffentlichen Erklärungen der „militante gruppe“ stellt eine bloße Vermutung dar.“ (vermeintliche Erkenntnisse des BKA)

- „Die Tatsache, dass ein elektronisches Selbstbezichtigungsschreiben zu einem Anschlag am 27./28.4. 2003 von einem Internetcafé in der …str. … versandt wurde und der Beschwerdeführer in der …str. … wohnt, lässt … nicht den Schluss zu, dass diese E-Mail durch den Beschwerdeführer versandt wurde. Wer – so die dem Indizbeschluss zugrunde liegende Annahme – mit seiner eigenen Überwachung rechnet und deshalb potentiell inkriminierende Schreiben nicht von seiner Wohnung aus versende, wird – bei zu erwartender Rückverfolgbarkeit des Versendungsortes – nicht ein Internetcafé in unmittelbarer Nachbarschaft … wählen.“

- Auch die Bewertung der Versendung eines weiteren Bekennerschreibens aus dem Jahre 2004 „in angeblich „direkter“ Nachbarschaft des Beschuldigten als Verdachts erhärtendes Indiz hält näherer Überprüfung nicht stand… “, da sich die Internetcafés 1,3 bzw. 1,6 km vom Wohnort befänden.

- Der Senat bezieht sich in seinem Beschluss zusätzlich auf die magere Verdachtslage
gegen die drei ehemaligen „mg1“-Beschuldigten und betont ausdrücklich die Verwertbarkeit folgender vom GBA dem BGH und meinem Rechtsanwalt für die juristische „Überprüfung“ unterschlagenen Aktenbestandteile, die bereits im Rechtswidrigkeitsbeschluss im „mg1“-Verfahren verwertet werden: Textanalysen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, denen ein BKA-Gutachten in allen wesentlichen Aspekten widerspricht.

Bevor wir nun in der Aufzählung zum Schluss kommen, wollen WIR EUCH NICHT UNTERSCHLAGEN, zu welchem Ergebnis der Senat nach den 6 Jahre dauernden Überwachungsmaßnahmen kommt:

„… dass sich hinter der sog. „Kuchen- und Tortengruppe“ des Beschwerdeführers in Wahrheit ein konspirativer Kreis von Mitgliedern oder Unterstützern der „militante gruppe“ verbarg, konnte durch die Überwachungsmaßnahmen nicht ermittelt werden, zumal eine Vielzahl von Mehlbestellungen durchaus auf tatsächliche Backaktivitäten der Gruppe hindeuten.“

Welche weiteren Schritte wir – die sog. 1. Generation der mg-Beschuldigten – nach gemeinsamer Diskussion auch mit uns nahen politischen FreundInnen und AktivistInnen – unternehmen wollen und uns dann auch finanziell leisten können, gilt es in der nächsten Zeit zu entwickeln.

Welche/r von euch Ideen und Anregungen hat kann dies gerne einbringen.

The story must go on…!

Tags: mg-verfahren