Nicht alle Spitzel haben zwei Beine. Schnüffelwerkzeug und wie es verkauft wird

Sein erster Gedanke kam ihm wieder: vermutlich war sie nicht wirklich ein Mitglied der Gedankenpolizei, andererseits stellten eben gerade die Amateurspitzel die größte Gefahr von allen dar. Er wusste nicht, wie lange sie ihn schon angesehen hatte, vielleicht immerhin fünf Minuten und es war möglich, dass er sein Gesicht nicht völlig in der Gewalt gehabt hatte. Es war schrecklich gefährlich, seine Gedanken schweifen zu lassen, wenn man bei einer öffentlichen Veranstaltung oder in Reichweite eines Televisors war. Die geringste Kleinigkeit konnte einen verraten. Ein nervöses Zusammenzucken, ein unbewusster Angstblick, die Gewohnheit, vor sich hinzumurmeln – alles, was den Verdacht des Ungewöhnlichen erwecken konnte, oder dass man etwas zu verbergen habe. Einen unpassenden Ausdruck im Gesicht zu zeigen (zum Beispiel ungläubig dreinzuschauen, wenn ein Sieg verkündet wurde) war jedenfalls schon an sich ein strafbares Vergehen. Es gab sogar ein Neusprachwort dafür: Gesichtsverbrechen.
George Orwell, »1984«

Sind das eigentlich noch »Spitzel«, diese streichholzgroßen Abhörwanzen, Minikameras mit den Dimensionen eines Zuckerwürfels, die millimeterdünnen Objektive und die Richtmikrophone, die hundert Meter weit Gespräche auffangen können? Das Interesse, mit dem sie eingesetzt werden, unterscheidet sie nicht von ihren zweibeinigen Kollegen: Belauschen, Beobachten, Überwachen. Für die Betroffenen ist es im Effekt fast egal, ob ihre Privatsphäre durch menschliche oder technische Ohren und Augen verletzt wird. Nur das Gefühl beim Auffinden einer Wanze oder Kamera in der Wohnung ist sicher ein anderes als bei der Enttarnung eines Spitzels in Menschengestalt, die soziale Komponente fehlt der Technik eben. Das ist ihre Stärke, da sie quasi neutral zu jeder Zeit an vielen Orten betriebsbereit sein kann, und ihre Schwäche, da sie die für die Beurteilung von Personen wichtigen Gefühle und Stimmungen nicht aufnehmen kann. Technik wird verstärkt eingesetzt, aber wo man mit ihr nicht weiterkommt, tauchen wie eh und je Zweibeiner auf. Der Trend geht sicherlich zu bemannten Wanzen, also Spitzeln, die mit Technik bestückt werden oder sie unauffällig platzieren.

Die ARD warnt: Anti-Wirtschaftsspionage-Experten, aber auch Sendungen wie der »ARD-Ratgeber Technik«, warnen vor geschenkten, ausgetauschten und »vergessenen« Gegenständen, in denen Wanzen versteckt sein können. Beliebt seien »Werbegeschenke, Kunstgegenstände und elektronische Geräte wie PC-Tastaturen und -Mäuse, Taschenrechner oder Handyladegeräte sowie Kugelschreiber, Aschenbecher, Thermoskannen usw.«
Ausdrücklich erwähnt werden auch vorgefertigte präparier­te »Mehrfachsteckdosen, Telefonhörer oder Handy­­akkus, denn sie ermöglichen die Durch­führung illegaler Lauschangriffe durch beliebige eingeschleuste oder bestochene Hilfs­personen. Die Zweck­entfremdung vorhandener Kabel, die Nutzung überzähliger Adern oder die Neu­verlegung von Leitungen – besonders wahrschein­lich nach Renovierungs-, Umbau- und Wartungsarbeiten« würde von professionellen und staatlichen Stellen gerne genutzt. Bei solchen Lauschangriffen müsse mit der »Platzierung von winzigen Raummikrofonen in der Größe eines Streichholzkopfes und der Mitbenutzung vorhandener Mikrofone in Diktiergeräten, Anrufbeantwortern und Telefonen sowie der Zweckentfremdung von Lautsprechern in Hifi-Geräten und Radios« gerechnet werden. Telefonwanzen würden bevorzugt als handelsübliche Kondensatoren getarnt, die in Telefonen, Verlängerungskabeln, Adaptersteckern, Anschlussdosen oder Verteilern so gut wie nicht mehr aufzufinden seien. Meist würden die Telefonhörer komplett gegen baugleiche Hörer ausgetauscht, in denen Module dann nicht nur die Telefonate, sondern auch den Raum abhören. Besonders gut zum Abhören geeignet seien drahtlose Telefone. Sie können – sowieso über den Provider –, aber auch mit handelsüblichen Scannern belauscht werden. Besonders gefährlich sind manipulierte Handys. Hier werden kleine Sender eingebaut, die die Telefonate und auch den Raum abhören: »Das Opfer bekommt nicht mit, wenn der Spion sein Handy anwählt. Er hört kein Klingeln, und auch das Display zeigt keinerlei Reaktion.«

Des Spitzels Hardware: Welche Überwachungs­­me­tho­den grundsätzlich möglich sind, erschließt sich ein wenig aus den Katalogen diverser mehr oder weniger seriöser Anbieter für »Überwachungsanlagen«, »Behördentechnik« oder »Spionagebedarf«. Alles, was des Spitzels Herz höher schlagen lässt, wird dort in einem meist schlechten Deutsch angepriesen.
Eine Firma bewirbt den drahtlosen »SPYTEC-­Ohrhörer mit Induktions-Sende-Spule zur verdeckten Trageweise um den Hals«. Geeignet für verdeckt am Körper getragene Funkgeräte, aber auch für – Musikfans aufgepasst – Minidisc-Player! Er sorgt für den »diskreten Empfang von Informationen: Ideal zur verdeckten Nachrichtenübermittelung für Polizei- und Sicherheitsdienste sowie als elektronischer Souffleur bei Theater und Film.« Offenbar an den fürsorglichen V-Mannführer gerichtet wird mitgeteilt, dass »Bastelprodukte aus dem Low-Cost-Bereich für Hobby-Detektive mitunter noch in Frage kommen mögen, für den professionellen Einsatz sollten aber nur Produkte von professionellen Herstellern zum Zuge kommen. Personen, die zur Durchführung ihrer Aufgaben in den Bereichen Observation, Nahschutz, TV etc. eine Tarnfunkausrüstung tragen müssen, üben einen Beruf mit hohem Risiko aus. Dies ist kein Grund, die eigene Gesundheit bzw. die Ohren noch zusätzlich durch die Anwendung von veralteten Geräten zu belasten – ja zu gefährden. Ein Gehörschaden tritt nicht unmittelbar auf, sondern wirkt sich erst viel später aus und ist leider nicht mehr reparierbar. Auch andere Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel der ›Tinnitus‹, ein Dauergeräusch im Ohr – welches Leute fast zur Verzweiflung treiben kann – oder Gleichgewichtsstörungen können durch zu hohe Signalpegel oder Dauerrauschen ausgelöst werden.« Vor halbtauben torkelnden Polizeibeamten und Spitzeln schützt also der SPYTEC-Ohrhörer für nur 580 Euro.
Wer noch halbwegs gerade gehen oder sitzen kann, für den gibt es die »in eine Krawatte eingearbeitete getarnte TV-Kamera mit 1/3 Zoll CCD-Chip für investigative Einsätze«. Die »Spezialoptik« sorgt für eine kaum wahrnehmbare Objektivöffnung. »Im Einsatz getestet liefert sie im Bereich von 10 cm bis unendlich selbst bei starken Bewegungen eine exzellente Bildqualität. Bildauflösung ca. 300.000 Pixel. Lichtempfindlichkeit von <1 Lux.«
In Kreisen und Situationen, wo ein Krawattenträger eher auffallen würde, kann ein funktionstüchtiger Kugelschreiber zum Einsatz kommen. Im Druck­knopf befindet sich »eine komplette TV-Kamera mit lichtstarker Nadel­öhr­optik«. Mit ihr lassen sich Dokumente ebenso wie bewegte Handlungsabläufe im Raum aufzeichnen. Um das Bild aus der Krawatte oder dem Kuli an einen entfernten Videorecorder weiterzuleiten, gibt es spezielle Videosender »im praktischen Gürtelclip-Gehäuse für bis zu 8 Stunden drahtlose Bildübertragung mit einer Reichweite bis zu 1.500 Metern im freien Gelände«. Komplettlösungen für um die 1.000 Euro sind bei wirklichem Interesse und Bedarf sicherlich erschwinglich.
Stationäre Kameras werden in allen Varianten angepriesen. Das reicht von der vermutlich verbreiteten »Farb-Kamera im Rauchmelder, Aufputzversion«, mit einem Blickwinkel von 80° vertikal und 58° horizontal für 285 Euro bis zur »Schraubenkopfkamera« für 395 Euro, deren Objektiv in einer aufgebohrten Kreuzschlitzschraube versteckt ist. Der Einbau in alle möglichen Gegenstände wird angeboten. Genannt werden Wanduhren, Wecker, Spielwaren, Bilder, Lampen, Stereoanlagen, Briefkästen, Computer, Blumentöpfe, Vogelhäuschen, Skulpturen – alles, was unauffällig herumsteht und worin sich ein wenig Platz schaffen lässt. Außer einer Minikamera in der Größe einer halben Zigarette müssen dort noch Stromversorgung bzw. -anschluss und ein Videosender untergebracht werden. Der »Mini-Sender TX« mit den »Traummaßen 15x15x7 mm« für 409 Euro käme in Frage. Das dazugehörende Empfangs-Modul lässt sich an gängige Videorecorder, TV-Geräte oder Monitore anschließen.
Konventionellere Videoüberwachungssysteme, die sich auch der Nachbar leisten kann, gibt es sogar in Kaufhäusern. Für ein paar hundert Euro gibt es montagefertige Systeme aus Farbkamera(s) mit integriertem Mikrofon, Kabel, Monitor und Software. Zoomfunktion und ansteuerbare einzelne Bildausschnitte sowie integrierter Bewegungsalarm sind Standard. Der Alarmkontakt startet einen Videorecorder oder eine externe Sirene.
Sicher keine Sirene starten wollen die Käufer eines »Koffer-Video-Obser­va­tionssystems«, mit dem für 3.155 Euro (»Leasing auf Wunsch«) »nicht nur eine akustische, sondern auch eine totale optische Überwachung möglich ist«. Die Öffnungen des Mikrofons und der Optik betragen nur je ca. 2 mm. Der Sender sendet außerhalb der normalen Fernsehkanäle an einen digitalen Recorder. Eine zusätzlich eingebaute codierte Funksteuerung ermöglicht eine drahtlose Aktivierung aus der Ferne. »Bei Bedarf ist somit ohne weiteres eine totale Überwachung auf Jahre hinaus gegeben.« Kamera, Mikrofon und Sender werden nach Kunden-Spezifikation hergestellt. Geliefert, daher der Name, wird alles in einem Koffer »aus nahezu unzerstörbaren Kunststoff – absolut wasser- und staubdicht und somit ideal geeignet um Kontamination von Gegenständen (z.B. Spurenträgern) zu vermeiden oder umgekehrt, um möglicherweise kontaminierte Spuren (z.B. Anthrax) ohne Gefahr transportieren zu können. Ideal auch für die Aufbewahrung empfindlicher Ausrüstungsgegenstände – z.B. Schusswaffen.«
Für diesen Käuferkreis ist auch die »Harmonium-Wanze« interessant. Für 740 Euro wird »weltweite diskrete und gezielte Raumüberwachung« versprochen. Mit dieser einem Telefon vorgeschalteten Wanze (an die Telefonsteckdose oder direkt ins Telefon) können alle im Raum geführten Gespräche mitgehört werden. Durch einen gewählten Code wird das Klingeln unterdrückt, ansonsten klingelt und funktioniert das Telefon ganz normal. »Es ist gleich, ob Sie sich gerade in Dubai, Istanbul oder Hongkong befinden; mit der Harmonium-Wanze können Sie von jedem Ort der Welt den Raum eines anderen Fernsprechteilnehmers überwachen. Stromversorgung aus der Telefonleitung, Abmessungen: 50(L)x20(B)x10(H)mm, Gewicht: 10 gr., Mikrofon Reichweite bis zu 70 m² Umkreis.«
Ein Spitzel, der sich nicht in Dubai oder Hongkong aufhält, sondern schon in der Nachbarwohnung, wird zum »Stethoskop professionell« greifen, die »40.000fache Verstärkung (mit Rekorder-Anschlussmöglichkeit)« für 480 Euro löst dieses »Problem: Es muss ein Raum überwacht werden, aber ein Betreten dieses Raumes ist nicht möglich«. Das Gerät kann an Material und Stärke der Wand angepasst werden, soll »besonders für den professionellen Einsatz geeignet [sein] und ungeahnte Einsatzmöglichkeiten« bieten.
Wenn Spitzel nicht ins Haus kommen, könnten sie in Ausnahmefällen das mehr als zehnmal so teure und eine Ausbildung erfordernde »Laser Room Monitoring System« benutzen, das nur auf englisch vorgestellt wird: »Our Laser Room Monitoring System MR 7800 allows the operator, to carry out an undetected surveillance operation from outside the bulding. MR 7800 consists of three parts: laser transmitter – laser receiver – amplifier unit. ... Both, the transmitter and the receiver are built into standard single lens reflex cameras, allowing for perfect concealment.«
Von wegen nicht ins Haus – oder in das Fahrzeuginnere – kommen: Versuchen tun es Spitzel gerne. »Der weltbeste Elektropick – Das Öffnungssystem der Profis im Multipick-System Einsatzkoffer für 860 Euro« hilft ihnen dabei. »Das Multipick arbeitet mit ca. 44.000 Schwingungen pro Minute. Für alle modernen und komplizierten Schließzylinder mit bis zu 20 Zuhaltungen und mehreren Schließebenen, erkennbar am Bohrmuldenschlüssel, sowie einreihig hängenden oder stehenden Stiftzuhaltungen, verschiedene Bohr­mulden­zylinder, Schließzylinder mit Scheibenzuhalterungen (Auto­schlösser) und Kreuzbartschlösser bis 100 mm Einbautiefe. Auch durch Zieh­schutz­beschläge gesicherte Schließzylinder können nachgeschlossen werden. Genau das richtige für alle Schlüsseldienste, die ihren Kunden einen Top-Service bieten möchten und die das Überlisten von Schließsystemen auch als persönliche Herausforderung sehen. Die in Vibration versetzten Zuhaltungen fallen in ihre jeweiligen Schließpositionen und geben den Schließzylinderkern zur Rotation frei, genau so, als ob der Schließzylinder mit einem passenden Schlüssel aufgeschlossen worden wäre. Dabei treten keinerlei Beschädigungen am Schließzylinder auf. Das Multipick-System öffnet meistens auch dann, wenn ein Schlüssel von der anderen Seite im Schließzylinder steckt! Im Fahrzeugbereich lassen sich Schlösser vieler Fahrzeughersteller öffnen.« Wer noch Zweifel an der Einsatztauglichkeit haben sollte, wird durch eine Liste mit Referenzen eines Besseren belehrt: »Das Multipick-System wird u.a. von folgenden Anwendern erfolgreich eingesetzt: Deutsche Polizeibehörden (Sonder­einsatzkräfte), Bundesgrenzschutz und Zollbehörden, Bundeswehr intern, US Airforce in Deutschland«. Na dann!
Sollte jemand so leichtsinnig gewesen sein, seine Schlüssel einen Moment lang unbeaufsichtigt zu lassen, könnte ein Spitzel zum »Hightech Schlüsselkopier-System der nächsten Generation« für 230 Euro greifen. Hier wird unzweideutig geworben: »Spätestens seit dem Beginn des ›Großen Lauschangriffs‹ ist für die Behörden das Thema Schlüsselkopieren an vorderste Stelle gerückt, da es oftmals die einzige Möglichkeit ist, mit Hilfe eines Nachschlüssels unbemerkten Zugang zu gut gesicherten Wohnungen, Geschäftsräumen oder modernen Kraftfahrzeugen verdächtiger Personen zu erhalten. Nach langer Forschung und unzähligen Tests ist es uns gelungen, aus Hightech Kunststoff-Komponenten und speziell hergestelltem Spezial-Gießmetall ein Schlüsselkopier-System zu entwickeln, dass allerhöchsten Ansprüchen genügt und Schlüssel sämtlicher existierender Schließsysteme absolut präzise, schnell und einfach kopiert: klein und handlich, überall anwendbar, ca. 180 Sekunden für Schlüsselabdruck. Die zum Kopieren eines Schlüssels benötigten Utensilien finden bei Bedarf sogar in der Hosentasche Platz.«
Sollte ein Spitzel mal in Bedrängnis kommen, wäre er der richtige Kunde für ein »GPS Handy mit Notruftaste zur permanenten Überwachung einer Person«. Dieses Modell kommt aber nur für wichtige Spitzel in Betracht, denn kaum eine Behörde dürfte jedem dahergelaufenen Schnüffler ein Gerät für 2.390 Euro andienen. Wenn es mal eng, wird kann »über einen Knopf auf der Oberseite des Gerätes ein Notruf abgesetzt werden, oder mittels ›Totmann-Funktion‹ fragt das Handy in einem frei einstellbaren Zeitabstand den Benutzer, ob noch alles in Ordnung ist. Quittiert der Benutzer diese Meldung nicht, meldet die Zentrale eine Notsituation mit Angabe der aktuellen Handy-Position.«
Was mit Personen funktioniert, geht natürlich auch mit bereiften unfreiwilligen Wanzen, dort kann das »GPS-Observations-System ohne Zugang ins Fahrzeug Fahrzeuge und bewegte Objekte überwachen und aufspüren.« Nicht gerade billig, aber kostengünstiger als eine personalintensive Observation: 2.990 Euro kostet dieses »günstigste Satelliten-Ortungssystem«. Untergebracht in einer »Track-Box« von geringer Größe (»115 x 82 x 34 mm«) kann es magnetisch (»20 kg Tragkraft«) oder mit einem speziellen Kleber an Kunststoffteilen befestigt werden. Den Einbau in die Kunststoffstoßstange eines PKW schaffen trainierte Verwanzer in weniger als einer Minute.
Die aktuelle Position des Fahrzeugs wird auf fünf Meter genau auf detaillierten Landkarten mit Ort, Straße und Geschwindigkeit aufgezeigt. Alles wird in einer Datenbank gespeichert und »im System freigegebene Personen können per SMS eine Positionsfernabfrage starten. Sie erhalten die aktuelle Objekt-Position als SMS mit Orts- und Straßenangabe zurück auf ihr Handy.«
Wer kein Auto hat, aber dicke Absätze, einen gut gepolsterten Rucksack oder ein Fahrrad, die oder der kann auch geortet werden. Ein »High-Power-Peil- und Alarmsender mit bewegungsgesteuerter Alarmauslösung« ist zwar nicht so komfortabel für neugierige Überwacher, es werden Peilantennen zum Empfang des alle zwei Sekunden abgestrahlten Signals benötigt, aber durch Reichweiten von bis zu drei Kilometern auch ganz effektiv. Es können sowohl entsprechend verwanztes »Diebesgut geortet und wiederaufgefunden werden«, als auch andereGegenstände mit geeigneten Hohlräumen. Ohne Alarmauslösung (Bewegung) bleibt das Gerät u.U. bis zu einem Jahr betriebsbereit, im Dauereinsatz allerdings nur um die zehn Stunden. Diesen nur 11 x 16 x 24 mm großen Winzling gibt es für 530 Euro.
Um so geortete Gegenstände oder Personen auch nachts sehen zu können, kommen Geräte für die perfekte »Tier- bzw. Personenbeobachtung« zum Einsatz. 570 Euro teure Restlichverstärker, die wie ein Fernglas aussehen, aber viel mehr können: »30.000-fache Verstärkung mit optimierter Reichweite, effektive Beobachtung bis zu 200 Meter«.
Falls ein Spitzel mal ein ungestörtes Gespräch führen will, oder Sorge hat, dass sein frisch angesprochenes Gegenüber über Handy unliebsame Zeugen herbeirufen will, könnte ein »Handy-Blocker für das D + E Netz« für 847 Euro von Nutzen sein. Das Gerät sendet Signale ähnlich denen, die kontinuierlich von Funkbasisstationen erzeugt werden. »Das unterdrückt wirkungsvoll das Einloggen des Mobiltelefons. Dieses System bietet die ultimative Lösung in Bereichen, in denen Funktelefone eine Belästigung verursachen, entweder durch lautes Klingeln, das ankommende Anrufe anzeigt, oder durch die geführten Gespräche.« Als weitere mögliche Einsatzorte werden »Militärbasen, Banken, Gefängnisse, Regierungsanlagen, Botschaften sowie Versammlungs- und Konferenzräume, Museen, Krankenhäuser, Galerien, Theater, Konzerthallen, Kirchen, Restaurants, Trainingcenter oder Fabriken« genannt. Der wirksame Radius liegt je nach Einstellung zwischen acht und 200 Metern. Offiziell sind solche Geräte in Deutschland verboten. Offiziell.
Computer: Wer sitzt nicht am Computer und schreibt da Dinge, die vertraulich sein sollten? Das fragen sich Spitzel natürlich auch. Ihnen kann »Orvell Monitoring 2004« (Nomen est Omen) mit der »Aufnahme aller PC Aktivitäten« bei der Beantwortung dieser Frage helfen. »Orvell Monitoring 2004« nimmt »alle Computeraktivitäten schnell und einfach auf – jede Internetseite, jeden Chat, jede Anwendung (auch PC Spiele), jeden Tastenanschlag, jede eMail ...« Und das völlig unsichtbar, ohne die Arbeit zu stören. Wie eine Überwachungskamera macht Orvell Monitoring regelmäßig Aufnahmen des Bildschirms (z.B. alle 30 Sekunden). Die Aufnahmen werden versteckt und komprimiert auf Ihrer Festplatte abgelegt. Orvell speichert alle PC- und Internet-Aktivitäten ähnlich einem Videorekorder. Orvell Monitoring verfügt über einen leistungsstarken Keylogger zur Aufnahme aller Tastenanschläge, Sondertasten und Tastenkombinationen.«
Besonders sinnvoll für eine gezielte Überwachung ist das Einstellen frei wählbarer Schlüsselwörter: »Sobald ein Schlüsselwort erkannt wird, erhöht Orvell Monitoring automatisch die Geschwindigkeit der Bildschirmaufnahmen. Voreingestellt startet Orvell dann die Aufnahme alle 5 Sekunden für 60 Sekunden. Danach nimmt Orvell Monitoring wieder in der normalen Geschwindigkeit auf. Wenn gewünscht, sendet Orvell Monitoring umgehend eine Benachrichtigung per eMail, sobald ein Schlüsselwort erkannt wurde. Orvell Monitoring erscheint nicht in der System Tray, auf dem Desktop oder unter ›Software‹ in der Systemsteuerung.«
Ähnliche Programme nehmen mit einer optionalen Webcam den aktuellen PC-Benutzer auf, speichern das Bild und senden es per eMail an den oder die Überwacher. Das Keylogger-Tool nimmt alles auf, was über die Tastatur eingeben wird – natürlich auch die Passwörter zur Anmeldung auf einem System und die Passphrases von an sich kaum zu knackenden Verschlüsselungsprogrammen wie PGP. Jeder Tastenanschlag wird versteckt auf der Festplatte abgelegt. Ähnliche Tools werden in Form erbsengroßer Bauelemente direkt in die Tastatur eingebaut und speichern dort bis zu 500.000 Zeichen, eine entsprechende Manipulation ist praktisch nicht zu erkennen, ein Experte könnte es höchstens bei einem Vergleich mit einer baugleichen unverwanzten Tastatur auf dem Röntgenbild erkennen.
Sollte der eigene PC weggeschlossen oder aus anderen Gründen nicht zugänglich sein, können gut ausgerüstete Schnüffler die »kompromittierende Abstrahlung« von EDV-Anlagen nutzen. »Informationshaltige Emissionen, die u.a. von Computern abgestrahlt werden, können aus einer Entfernung von mehreren hundert Metern per Antenne aufgefangen und in Echtzeit reproduziert werden. Selbst kleine Zeichen einer Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation sowie CAD-Anwendungen lassen sich auf diese Weise wiedergeben.« Das, was auf dem eigenen Bildschirm zu sehen ist, kann ein Überwacher in einem Lieferwagen oder einer benachbarten Wohnung auf seinem Monitor sichtbar machen – das Verfahren kommt sehr oft bei Wirtschaftsspionage zum Einsatz. Nur speziell abgeschirmte Rechner und Monitore, die sich kein Privatmensch leisten kann, unterdrücken solche Abstrahlungen. Entgegen anderslautender Gerüchte strahlen auch Laptops oder Drucker solche Signale ab, wenn auch in geringerem Maße als normale Röhrenmonitore.
Grund zur Panik? Wenn all das, was hier aufgezählt wurde, ständig störungsfrei zur Anwendung kommen würde, sähe es wirklich düster aus. Zum Glück ist jede Technik – noch – pannenanfällig. Außerdem ist sie kostenintensiv und ihr Einsatz erfordert geschultes Personal, was nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Auch der größte Aufwand führt nicht immer zu verwertbaren Ergebnissen.

PS. Es geht in diesem Beitrag nicht um die offiziellen Überwachungstechniken, bei denen Handys wie normale Telefone abgehört werden und die Standortdaten eines eingeschalteten Handys vom Netzbetreiber erfasst und an die entsprechenden Sicherheitsorgane übermittelt werden. Diese flächendeckende Überwachungstechnik ist den allermeisten bekannt und wird kaum von den uns hier interessierenden Spitzeln vor Ort eingesetzt. Es geht auch nicht um das Anfertigen von Unterlagen, die von Spitzeln gefunden und eingesehen werden können. Wer z.B. ein Tagebuch führt, und dort für unerwünschte Mitleser Interessantes einträgt, ist selbst schuld. Für die Auswertung solcher Quellen benötigt kein Spitzel eine besondere Technik.

Klaus Viehmann

Ein notwendiger Hinweis: Dieser Artikel ist mehr als 6 Jahre alt – die technische Entwicklung ist weiter gegangen.

Ursprünglich erschienen in:
SPITZEL - Eine kleine Sozialgeschichte  
ISBN 978-3-935936-27-9 | 256 Seiten | zahlreiche Abbildungen | erschienen Mai 2004 | 18.00 €