Anwälte kritisieren anhaltende Verfolgung von G8-Gegnern

Ein Jahr nach Großrazzia noch Verfahren gegen 41 Personen
Andreas Förster

BERLIN. Ein Jahr nach den bundesweiten Razzien gegen Kritiker des G8-Gipfels laufen noch immer Ermittlungen gegen insgesamt 41 Beschuldigte. Anwälte der Betroffenen forderten gestern in Berlin die Einstellung der Verfahren, die aus ihrer Sicht einzig der Ausspähung und Einschüchterung der linken Szene in Deutschland dienen. Gleichzeitig kritisierten die Juristen die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz in den Ermittlungen gegen ihre Mandanten.

Am 9. Mai 2007 hatten rund 900 Polizisten in mehreren Bundesländern mehr als 40 Wohnungen, Büros und Kulturzentren linker Aktivisten durchsucht. Die von der Bundesanwaltschaft angeordnete Großrazzia richtete sich vornehmlich gegen Globalisierungskritiker, die im Vorfeld des G8-Gipfels im Ostseebad Heiligendamm Protestaktionen vorbereiten und koordinieren wollten. Auslöser der seit Jahrzehnten größten Polizeiaktion gegen die linke Szene vor einem Jahr waren insgesamt vier Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen die angeblich linksterroristischen Vereinigungen "militante gruppe" (mg) und "Militante Kampagne gegen den G8-Gipfel".

Aus Sicht der Berliner Anwältin Christina Clemm seien die meisten Durchsuchungen vom 9. Mai 2007 aber rechtswidrig gewesen, da es sich bei den G8-Gegnern um keine terroristische Vereinigung gehandelt habe. Das hatte auch der Bundesgerichtshof Ende Dezember festgestellt und die Bundesanwaltschaft verpflichtet, zwei der vier ursprünglichen Terrorismus-Verfahren an die örtlichen Staatsanwaltschaften in Norddeutschland abzugeben. "Die Bundesanwaltschaft hat bewusst den Terrorismusparagrafen 129a mit allen seinen Observationsmöglichkeiten missbraucht, um G8-Gegner umfassend auszuforschen", sagte Anwältin Clemm.

Die übrigen zwei Verfahren, die sich gegen mutmaßliche Mitglieder der "militanten gruppe" richten und zum Teil seit acht Jahren laufen, sind noch bei der Bundesanwaltschaft anhängig. Auch hier geht es nicht mehr um Terrorismus, sondern nur mehr um Bildung einer kriminellen Vereinigung. Laut Anwältin Clemm zögert die Bundesanwaltschaft einen Abschluss dieser Verfahren aber gezielt hinaus, um weitere Informationen über Personen aus der linken Szene zu sammeln. Insgesamt seien im Zuge der mg-Ermittlungen bereits knapp 500 Personen aus dem Umfeld der Beschuldigten aktenkundig, sagte sie.