Harte Kritik an Ermittlern
Linke werfen Behörden Rechtsübertretung vor. VON JANA SCHULZE
Ein Jahr nach den Hausdurchsuchungen bei G8-Gegnern und linken Aktivisten wird noch immer gegen vier angebliche Mitglieder der "militanten Gruppe" wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Und das obwohl der Bundesgerichtshof im Oktober 2007 entschieden hatte, dass der entsprechende Paragraph 129a bei den Beschuldigten nicht angewendet werden darf. Anwälte der Beschuldigten werfen der Staatsanwaltschaft nun ein Vorgehen "über das rechtlich zulässige Maß hinaus" vor.
Der bekannteste Fall ist der des Wissenschaftlers Andrej Holm, der im Juli 2007 inhaftiert wurde und drei Monate später nach öffentlichen Protesten frei kam. Dessen Anwältin Christina Clemm kritisierte am Donnerstag in Berlin: "Der BGH hält die Verfahren für nicht rechtszulässig, aber die Bundesstaatsanwaltschaft stellt sie nicht ein." Laut Clemm gibt es keinen Paragraphen in der Strafprozessordnung, mit dem eine Einstellung der Verfahren eingefordert werden könne.
Zu den Verdächtigen, die Clemm vertritt, gehören neben Forscher drei Berliner, deren Wohnungen während der Polizei-Großrazzia am 9. Mai 2007 - im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm - durchsucht wurden. Sie stünden bereits seit acht Jahren unter Beobachtung - ihre Telefone würden überwacht, ihre Wohnungen abgehört, ihre DNA-Spuren seien genommen worden, berichtete einer der Verdächtigen der FR. Dabei wisse er nicht einmal, wer sich hinter der "Militanten Gruppe" überhaupt verbirgt.
Attac wie auch die Linke fordern nun, dass die Verfahren auch offiziell eingestellt und der Paragraph 129a abgeschafft werden. "Er ist ein Türöffner für die Ausforschung", sagte Katja Kipping, Bundestagsabgeordnete der Linken. Attac-Mitglied Pedram Shahyar, den die Bundesanwaltschaft am Mittwoch als Zeuge nach Karlsruhe geladen hatte, weil er sein Name auf einem Zettel in Andrej Holms Wohnung gefunden worden war, sagte: "Die Akten der Verdächtigten dürfen nicht weiter benutzt werden - das ist eine Nichtachtung des BGH-Urteils." Der Paragraph 129a müsse abgeschafft werden, weil er "so oft und offensichtlich zum Missbrauch" verwendet wurde.
Gleichzeitig kritisierten Bürgerrechtsorganisationen am Donnerstag das Verhalten der Polizei beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Es habe unglaubliche Entwürdigungen der Demonstranten im Polizeigewahrsam sowie rechtswidrige Freiheitsberaubungen und Menschenrechtsverletzungen gegeben, heißt es im vorgestellten Grundrechte-Report 2008. Jurist und Autor Heinrich Hannover beklagte einen "Krieg gegen die eigene Bevölkerung".