Zypries und Schäuble einigen sich. Aber auf was?

Justizministerin Zypries scheint sich mit Innenminister Schäuble geeinigt zu haben. Die polizeilichen Ermittler sollen künftig "Computer online durchsuchen" können. Aufgrund fehlender Informationen über die konkrete Ausgestaltung dieser Einigung ist es aber schwer zu sagen, ob es hier um Gesichtswahrung geht, oder um eine mögliche Verletzung verfassungsmäßig garantierter Schutzbereiche.

Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom Februar hohe Hürden für diese neue Wunderwaffe der polizeilichen Ermittlungstätigkeit aufgebaut. Laut dem inzwischen vorliegenden Urteil ist die - "heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems (...) verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen".

Und eine heimliche Infiltration setzt eine richterliche Anordung voraus. Nur dann, wenn es lediglich um die "Inhalte und Umstände der laufenden Telekommunikation im Rechnernetz" geht, können sich die Beamten an den vorhandenen Regelungen etwa der Strafprozessordnung orientieren. Denn wie es im Urteil heißt, ist ein solcher Eingriff "an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen". Jenem Artikel des Grundgesetzes, der auch das Post- und Fernmeldegeheimnis begründet. Bei der Online-Kommunikation gelten also ähnliche Regeln wie etwa für die Überwachung der Telekommunikation eines Tatverdächtigen.

Für Schäuble und Zypries heißt das, dass Online-Durchsuchungen eine tatsächlich begründete Gefahrensituation etwa für Leib und Leben voraussetzen müssen und vermutlich wirklich nur ganz selten zum Einsatz kommen dürfen. So wie es Schäuble ohnehin mehrfach beruhigend erwähnt hatte.

Doch auch in diesen seltenen Fällen ist es eine Frage der praktischen Anwendbarkeit, wie die "heimliche Infiltration" vor sich gehen soll. In diesem Punkt herrschten bisher wohl unterschiedliche Vorstellungen zwischen den Vertretern der beiden großen Volksparteien. Schäuble war für ein Betreten der jeweiligen Wohnung, die Partei der Justizministerin eher dagegen.

Vom Sprecher des Bundesinnenministeriums heißt es, dass die entsprechenden Wohnungen nicht betreten werden müssen. Gleichzeitig heißt es in der Zeit "Die Frage des Betretens von Wohnräumen soll nach Angaben des Sprechers noch weiter beraten werden". Der Sprecher Schäubles scheint also nicht ganz sicher, was denn nun Kern der Vereinbarung ist.

Sollte die Möglichkeit des Betretens der Wohnung aber nicht vorgesehen werden, so kann man das Thema Online-Durchsuchung vermutlich ohnehin knicken. Täter, die so intelligent sind, dass es keine andere Möglichkeit als die Online-Durchsuchung gibt, um sie effizient zu überwachen, werden sich kaum durch beispielsweise eine Trojaner-Mail überrumpeln lassen.

Ist die konkrete Gefahr dagegen so greifbar, dass eine Gefährdung von Leib und Leben im Raum steht, werden die Ermittler vermutlich den Zugriff wagen und zugleich auch die Rechner konfiszieren. Dass solche Verhaftungen auch bei dürftiger Beweislage möglich sind, hatte beispielsweise die Verhaftung des Soziologen Andrej Holm (s. Wikipedia-Artikel) aufs Deutlichste gezeigt. Dessen Festplatte wurde auch aufs Genaueste untersucht, wobei sogar gelöschte Dateien wiederhergestellt wurden.

Der Haftbefehl gegen diesen angeblichen Terroristen wurde inzwischen aber vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Und die Begründung des BGH ist als schallende Ohrfeige für die Generalbundsanwältin und die Ermittler zu sehen. Ebenso, wie die Zurechtweisung durch das Bundesverfassungsgericht eine Ohrfeige für den Justizminister gewesen sein sollte. Aber Politiker sind ja bekanntlich nicht sehr empfindlich.