Die verschiedenen Gesichter der Repression

Am Mittwoch Abend wurde mit einer Veranstaltung unter der Fragestellung „Wie weiter im Kampf gegen den §129a/b?“ im Rahmen des Roten Abends der Internationalen KommunistInnen (www.interkomm.tk) die diesjährigen Berliner Aktionstage gegen staatliche Repression und politische Gefangenschaft eingeläutert.

Zu Beginn befasste sich der Berliner Rechtsanwalt Claus Förster (www.racf.de) mit dem §129b, der die Mitgliedschaft und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt. Dieser Paragraph steht auch in der linken Antipressionsarbeit noch immer im Schatten des bekannteren §129a, der vermeintliche terroristische Aktivitäten in Deutschland ins Visier nimmt. Zu Unrecht: Denn anders als der §129a wurde der §129 b nicht reformiert und ist auch kein reiner Ermittlungsparagraph, wie Förster betont. Das heißt, es kommt auch öfter zu Verfahren, bei denen die rechtsstaatlichen Grundsätze auch nach Ansicht vieler StrafverteidigerInnen bedenklich eingeschränkt werden. So berufen viele Ermittlungsergebnisse auf Geheimdienstinformationen, die nicht durch ZeugInnenbefragungen überprüft werden können. Selbst die Möglichkeit, dass Aussagen durch Folter erlangt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden. So werden auch Aussagen von in Syrien oder Pakistan Inhaftierten in die Verfahren eingeführt. In diesen Ländern wird bekanntermaßen die Folter gegen Gefangene angemeldet.

Der §129 b hat seinen Vorläufer im Paragraphen 30b des Betäubungsmittelgesetzes, in dem erstmals festgelegt wurde, dass Drogendelikte auch in Deutschland verfolgt werden können, wenn die Beschuldigten im Ausland aktiv sind. Mit einem Ratsbeschluss der EU von 1998 wurde erstmals festgeschrieben, dass „terroristische Aktivitäten“ im gesamten EU-Raum verfolgt werden können. Nach den Anschlägen vom 11.September 2001 stand dann der juristische Umgang mit den Islamisten im Vordergrund. Tatsächlich stehen Verfahren gegen verschiedene islamistische Gruppen im Vordergrund des §29b. Die Einbeziehungen der kolumbianischen Guerillagruppen EZLN und FARC in die Ermittlungen nach diesen § 129b waren von der Generalstaatsanwaltschaft angestrebt, wurden aber vom Bundesjustizministerium verweigert. Dieses Ministerium entscheidet letztlich, ob es zu Verfahren kommt oder nicht.

Als einzige nichtislamistische Gruppe geriet die linke türkische Organisation DHKP/C unter dem 129b ins Visier der deutschen Justiz.

Trotz schwerer Erkrankung in Haft

Der Hamburger Journalist Wolfgang Lettow, der für das Gefangeneninitiative arbeitet, schildert am Beispiel des türkischen Journalisten Mustafa Atalay die Folgen für die Betroffenen. Obwohl nach einer Herzoperation gesundheitlich schwer angeschlagen, wurde Ataly wegen Unterstützung der linken türkischen Organisation DHKP/C in Untersuchungshaft genommen und nach den §129b angeklagt. Zuvor saß er wegen seiner politischen Aktivitäten mehr als 20 Jahre in türkischen Gefängnissen Am 17. März soll gegen ihn und weitere Beschuldigte der Prozess beginnen. Eine Beobachtungsgruppe von MenschenrechtlerInnen könne nach Meinung von Lettow verhindern, dass von dem Verfahren nur die Version der Anklagebehörde an die Öffentlichkeit dringt.

Im Anschluss setzte sich die Politologin Detlef Georgia Schulze mit den Argumenten der Solidaritätsbewegung gegen den Repressionsschlag im Zusammenhang mit den Verfahren gegen die militante Gruppe auseinander. Stellungnahmen, die der Generalbundesanwältin Harms vorwarfen, sie würde ihrer Aufgabe nicht gerecht, seien das Gegenteil einer linken Staatskritik, die aber für eine Antipressionsarbeit notwendig sei Schulzes Beitrag stieß beim Publikum auf eine kontroverse Aufnahme. Das Referat wird in der nächsten Zeit in einer von der Autorin überarbeiteten Version demnächst auch im Internet veröffentlicht und zur Diskussion gestellt werden.

Im Anschluss lieferte Olli, einer der Betroffenen im mg-Verfahren einen „subjektiven Bericht über seine Erfahrungen seiner Festnahme in der Nacht zum 1.August 2007 in Brandenburg und seine viermonatige Untersuchungshaft in Moabit.

Im Gefängnisalltag verschwimme der Unterschied zwischen politischen und sozialen Gefangenen zunehmend.

„Alle Gefängnisinsassen, die sich renitent verhalten und gegen bestimmte Maßnahmen Widerstand leisten, sind mit besonders erschwerten Haftbedingungen konfrontiert, resümiert Olli. Während ein Großteil der Insassen durchaus solche renitente Haltungen zeige, fehle aber ein politisches Bewusstsein weitgehend, so seine Erfahrungen. Er betonte noch mal auf die Bedeutung von Solidaritätsarbeit von Außen für einen Gefangenen. Jeder Brief, jede Postkarte von Draußen sei im Knastalltag eine Unterstützung. Auch Knastkundgebungen sind eine wichtige Botschaft von Draußen nach Drinnen, selbst wenn es den Gefangenen oft nicht möglich ist, die Beiträge zu verstehen.

Diese Einschätzung bestätigt noch einmal die Bedeutung der in den nächsten Tagen in Berlin geplanten Aktionen aus Solidarität mit den Gefangenen, auf die während der Veranstaltung hingewiesen wurde.

Da wäre am Sonnabend die Demonstration „Freiheit für Andrea“, die um 15 Uhr am U-Bahnhof Eberswalderstraße beginnt und zur JVA Pankow führt und am 15.3. beginnt um 15 eine Demonstration unter dem Motto „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ am U-Bahnhof Mehringdamm. Dazwischen finden eine Reihe von Veranstaltungen. Solipartys etc. statt, die unter www.political-prisoners.net detailliert aufgeführt sind.