Einfacher als gedacht

Radikale Linke diskutierte in Berlin über Sabotageaktionen gegen Kriegsgerät. Von Markus Bernhardt

Noch vor ihrem eigentlichen Beginn hatte die Veranstaltung »Kriegsgerät interessiert uns brennend«, die am Samstag abend in Berlin-Kreuzberg stattfand, hohe Wellen geschlagen. Frank Henkel, CDU-Innenpolitiker und Mitglied des Abgeordnetenhauses, hatte in der vergangenen Woche Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) aufgefordert, gegen die Antikriegsveranstaltung vorzugehen. Körting verurteilte zwar jede Unterstützung von Leuten, die Brandanschläge verüben, als »schäbig«, sah jedoch keine juristische Handhabe, die Veranstaltung zu verbieten.

Mit einer Videosequenz, die diese Szene im Abgeordnetenhaus zeigt, eröffneten die Aktivisten des »Bündnisses für die Einstellung des §129a-Verfahrens«, das sich gegen angebliche Mitglieder der »militanten gruppe« (mg) richtet, ihre Veranstaltung, zu der 250 Menschen gekommen waren. Sie betonten, daß das einzig »Schäbige« der Einsatz der »Todesschwadrone des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr und der deutschen Besatzer in Afghanistan« sei.

Ziel der Veranstaltung war eine Verständigung über mögliche Widerstandsformen gegen die zunehmende Militarisierung der Politik. Dazu hatte das Bündnis Antimilitaristen aus dem In- und Ausland eingeladen, die über die von ihnen an Kriegsgerät verübten Aktionen berichteten. Ein irischer Friedensaktivist schilderte, wie er im Februar 2003 in das Gelände des Flughafens Shannon im Westen Irlands eingedrungen war und dort gemeinsam mit vier Mitstreitern minutenlang auf ein Flugzeug der US-Armee eingehämmert und damit einen Sachschaden von 2,5 Millionen US-Dollar verursacht hatte. Mit der Aktion wollten die fünf gegen den sich abzeichnenden Irak-Krieg protestieren. Sämtliche Aktivisten wurden übrigens in dritter Instanz von einem Geschworenengericht freigesprochen. Begründung der Jury: Die Aktion habe sich gegen den Angriffskrieg der US-Armee, also gegen Verbrechen an der Menschlichkeit gerichtet. Ein solcher Urteilsspruch dürfte in der Bundesrepublik nicht nur mangels Geschworenengerichten ausgeschlossen sein.

Eine niederländische Antimilitaristin sprach über eine Aktion am 9. Februar 2003. Sie richtete sich gegen ein im Süden Hollands gelegenes Militärgelände, auf dem seit den 1950er Jahren Atomwaffen lagern. Die Aktivistin zerstörte dort eine Satellitenstation. Damit die Maßnahme von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt blieb, hatte sie sich dabei von einem professionellen Filmemacher begleiten lassen und dafür gesorgt, daß das Material den Nachrichtenredaktionen zugespielt wurde. Dies sei notwendig gewesen, weil das Militär derartige Aktionen gern verheimliche. Erst am 10. Februar hatte eine deutsche Kriegsgegnerin einen Transportzug der Bundeswehr im schleswig-holsteinischen Ohrstedt vier Stunden lang aufgehalten, um gegen die Verlegung von 700 Soldaten und 300 Militärfahrzeugen der Bundeswehr an die polnische Grenze zu protestieren, wo ein Manöver stattfinden sollte. Die junge Frau hatte sich – inspiriert von den Aktionen gegen Atommülltransporte – an den Gleisen festgekettet.

Alle, die Erfahrung damit haben, waren sich einig, daß es leichter als erwartet war, solche Sabotageakte in die Tat umzusetzen. Um wirklich erfolgreich zu sein, müßten sie aber durch aktive Solidarität einer größeren Gruppe und gezielte Pressearbeit unterstützt werden. Der irische Antimilitarist berichtete, daß sich nach seiner Aktion selbst katholische Priester mit ihm solidarisierten.

Berlins Linke will sich dem Thema Sabotage auch weiterhin widmen. So organisiert das »Bündnis gegen Militarisierung und Krieg« am 9. März (18 Uhr) eine Veranstaltung mit dem Titel »Deutschland führt Krieg – Sabotage ist notwenig« im Kreuzberger Kulturzentrum Kato, auf der unter anderem der stellvertretende jW-Chefredakteur Rüdiger Göbel über die »medialen Geschütze des Krieges« referieren wird.

* Informationen: militarismus-jetzt-stoppen.de.vu und einstellung.so36.net/