»Auch Friedensbewegte sind militant«

Kriegsgegner diskutieren am Samstag in Berlin über verschiedene Formen antimilitaristischer Aktionen. Ein Gespräch mit Doris Bühler. Interview: Frank Brendle

Doris Bühler gehört zu den Organisatoren der Veranstaltung »Militärgerät interessiert uns brennend«.

Sie interessieren sich für brennende Bundeswehrfahrzeuge?

Uns interessiert brennend, wie antimilitaristischer Widerstand gegen die Kriegspolitik gestärkt werden kann. Ohne Tabus beim Nachdenken. Wir wollen weg aus eingefahrenen Gleisen und selbst auferlegten Blockaden.

Welche Blockaden?

In der radikalen Linken ist eine Skepsis gegenüber der eher pazifistischen Friedensbewegung verbreitet. Da wird zu schnell abgewinkt und den »bürgerlichen Pazifisten« vorgeworfen, nur systemimmanente Kritik zu äußern. Dahinter steht die Furcht, daß die eigenen Positionen verwässert werden könnten und der Widerstand gezähmt wird.

Stimmt das denn nicht?

Eben nur zum Teil. Ich kritisiere, wenn Teile der Friedensbewegung auf schroffe Distanzierung schalten, sobald Aktionen den Rahmen von Unterschriftensammlungen oder Kundgebungen verlassen. Distanzierungsrituale sind einfach schädlich. Die einen distanzieren sich von angeblicher Gewalt, die anderen wollen von angeblich lammfrommen Latschdemonstranten nichts wissen. Obwohl beide gegen Bundeswehreinsätze im Ausland sind, agieren sie noch zu selten miteinander. Und da setzen wir an, um für ein solidarisches Verhältnis zueinander zu werben.

Ihre Podiumsgäste sind ja, jedenfalls nach staatlicher Diktion, allesamt Gewalttäter. Wo sind die Friedensbewegten?

Auf dem Podium. Das ist es ja gerade: Für andere Länder funktionieren unsere Schablonen von legalistisch Friedensbewegten und militanten Linken eben nicht. Unsere Gäste aus Irland, Holland und Belgien verstehen sich allesamt als Angehörige der Friedensbewegung. Sie haben, weil sie entschieden gegen Krieg sind, Militäranlagen und Flugzeuge beschädigt, standen dafür vor Gericht, aber sie finden dort ein ganz anderes Verständnis in der Gesellschaft als militante Kriegsgegner hierzulande.

Wie macht man Kriegsgerät kaputt?

Zum Beispiel indem man mit einem Hammer in ein Militärgelände eindringt und so lange auf die Satellitenanlage einschlägt, bis sie zerbricht. So hat es eine Frau aus Holland gemacht, kurz bevor der Irak-Krieg begann. Dafür saß sie drei Monate in U-Haft, aber schließlich wurde sie nur zu einigen Arbeitsstunden verurteilt.

Fast zum gleichen Zeitpunkt sabotierten fünf irische Aktivisten eine US-Startbahn mit einem Stemmeisen, und mit einer Axt hieben sie auf ein Kriegsflugzeug ein, ich glaube eine F-16. Der Schaden betrug zweieinhalb Millionen Euro. Sie kamen erst in U-Haft, aber dann wurden sie freigesprochen. Die Geschworenen urteilten, daß sie es für legitim halten, ein Flugzeug zu zerstören, das den Auftrag hatte, im Irak Menschen zu Tode zu bomben.

Fünf Leute, eine Axt, ein kaputtes Flugzeug – dafür bekäme man es hierzulande mit einem Verfahren wegen terroristischer Aktivitäten zu tun.

So ist es ja auch den Berliner Antimilitaristen ergangen, die die Bundesgeneralanwältin im vergangenen Jahr in den Knast bringen wollte, weil sie angeblich Bundeswehrfahrzeuge in Brand setzen wollten. Wir wollen, daß dieser Terrorvorwurf von der Gesellschaft nicht mitgetragen wird.

Wie sprechen Sie das Spektrum der Friedensbewegten an?

Die Protestformen überschneiden sich ja bereits. Vor zwei Wochen hat eine Frau in Schleswig-Holstein einen Bundeswehrzug durch eine Gleisblockade für mehrere Stunden gestoppt. Das war illegal, aber effektiv, und wir halten das für legitim. Die Frau wird am Samstag kommen und berichten. Solche direkten, antimilitaristischen Aktionen müssen in Deutschland gefördert werden. In anderen Ländern kann man ja auch radikal handeln und gleichzeitig friedensbewegt sein. Und wer in der Friedensbewegung ist, kann zur radikalen, auch militanten, Linken gehören. Es wird mehr über den eigenen Tellerrand hinaus geguckt, es gibt weniger Grabenkämpfe und weniger verkrampfte Distanzierungen. Das ist jedenfalls unser Ansatz, und den wollen wir, neben den Aktionsberichten, überprüfen und hoffentlich ausbauen.

* 23. Februar, 18 Uhr, Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1, Berlin. einstellung.so36.net