Protestwelle gegen Inhaftierung eines Wissenschafters
Berlin - Gegen die Inhaftierung eines Berliner Wissenschaftlers wegen Terrorverdachts haben Forscher aus mehreren Ländern protestiert. In offenen Briefen fordern mehr als 100 Wissenschaftler die sofortige Freilassung des Soziologen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Humboldt-Universität, Andrej H., war vor rund drei Wochen mit drei anderen Verdächtigten aus Berlin festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Mitgliedschaft in der "militanten gruppe" (mg) vor, die für zahlreiche Brandanschläge verantwortlich gemacht wird.
In den offenen Briefen kritisieren die Wissenschaftler das Vorgehen und die Argumentation der Bundesanwaltschaft. "Es gibt keinen konkreten Hinweis auf eine Mitgliedschaft von Herrn H. in der "militanten gruppe"", sagte HU-Soziologie-Professor Hartmut Häußermann am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur dpa. Häußermann hat einen der beiden Briefe verfasst, der von Forscher aus Deutschland, der Schweiz und den USA unterschrieben wurde.
"Dubiose Gründe"
Ein weiterer,
englischsprachiger Brief wurde von dutzenden internationalen
Wissenschaftlern aus Australien, den Niederlanden, England und Kanada
unterzeichnet. Auch sie wehren sich gegen die "Kriminalisierung
kritischer akademischer Forschung und politischem Engagement". Die
Vorwürfe der Bundesanwaltschaft basierten auf "sehr dubiosen Gründen".
Das sehen auch die Unterzeichner des deutschsprachigen Briefes so. "Die
Art von Gewaltbefürwortung und ausübung, wie sie von der "militanten
gruppe" praktiziert wird, lehnen wir strikt ab", heißt es in dem
Schreiben. "Zugleich verwahren wir uns aber entschieden gegen die
Konstruktion der intellektuellen Täterschaft, wie sie von der
Bundesanwaltschaft vorgenommen wird."
Die Bundesanwaltschaft gehe von einer Mitgliedschaft des Berliner Soziologen in einer terroristischen Vereinigung aus, "weil er sich mit Themen beschäftigt, die sich auch in Schreiben der mg wiederfinden." Argumente wie dieses ließen jedoch jede wissenschaftliche Tätigkeit als potenziell kriminell erscheinen.
Andrej H. hat nach Angaben von Häußermann an der HU studiert und arbeitet dort bereits seit mehreren Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter. (APA/dpa)