Proteste gegen Haft eines Berliner Forschers

Ein Berliner Soziologe sitzt seit Anfang August wegen Terrorverdachts in U-Haft. Nun fordern mehr als 100 internationale Wissenschaftler in einem offenen Brief die sofortige Freilassung ihres Kollegen. Sie kritisieren das Vorgehen der Bundesanwaltschaft.

Gegen die Inhaftierung eines Berliner Wissenschaftlers wegen Terrorverdachts haben Forscher aus mehreren Ländern protestiert. In offenen Briefen an die Bundesanwaltschaft fordern mehr als 100 Wissenschaftler aus Deutschland, Kanada, Australien und den USA die sofortige Freilassung des Soziologen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Humboldt- Universität, Andrej H., war vor rund drei Wochen mit drei anderen Verdächtigten aus Berlin festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Mitgliedschaft in der „militanten gruppe“ (mg) vor, die für zahlreiche Brandanschläge verantwortlich gemacht wird.

In den offenen Briefen kritisieren die Wissenschaftler das Vorgehen und die Argumentation der Bundesanwaltschaft. "Es gibt keinen konkreten Hinweis auf eine Mitgliedschaft von Herrn H. in der "militanten gruppe„“, sagte HU-Soziologie-Professor Hartmut Häußermann. Er hat einen der beiden Briefe verfasst, der von Forscher aus Deutschland, der Schweiz und den USA unterschrieben wurde.

Ein weiterer, englischsprachiger Brief wurde von dutzenden internationalen Wissenschaftlern aus Australien, den Niederlanden, England und Kanada unterzeichnet. Auch sie wehren sich gegen die „Kriminalisierung kritischer akademischer Forschung und politischem Engagement“. Die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft basierten auf „sehr dubiosen Gründen“.

Das sehen auch die Unterzeichner des deutschsprachigen Briefes so. "Die Art von Gewaltbefürwortung und ausübung, wie sie von der 'militanten gruppe' praktiziert wird, lehnen wir strikt ab“, heißt es in dem Schreiben. "Zugleich verwahren wir uns aber entschieden gegen die Konstruktion der intellektuellen Täterschaft, wie sie von der Bundesanwaltschaft vorgenommen wird.“

Die Bundesanwaltschaft gehe von einer Mitgliedschaft des Berliner Soziologen in einer terroristischen Vereinigung aus, „weil er sich mit Themen beschäftigt, die sich auch in Schreiben der mg wiederfinden.“ Argumente wie dieses ließen jedoch jede wissenschaftliche Tätigkeit als potenziell kriminell erscheinen.

"Die Begründungen der Bundesanwaltschaft stellen eine direkte Bedrohung für alle dar, die kritische Wissenschaft, Publizistik und Kunst betreiben und für diese mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit einstehen. Kritische Forschung, auch in Verbindung mit sozialem und politischem Engagement, darf nicht zum terroristischen Tatbestand erklärt werden“, heißt es weiter.

Andrej H. hat nach Angaben von Häußermann an der HU studiert und arbeitet dort bereits seit mehreren Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

www.freeandrej.net.ms
http://einstellung.so36.net/en/openletter