Scharfe Kritik an oberster Anklägerin
Eine Erfolgsbilanz sieht wahrlich anders aus. Binnen eines Jahres wurde Generalbundesanwältin Monika Harms gleich sechsmal vom Bundesgerichtshof (BGH) für die Art und Weise ihrer Anti-Terror-Ermittlungen gerügt.
Teilweise wurden unhaltbare Verdächtigungen in die Welt gesetzt. So oft in so kurzer Zeit ist wohl noch kein Generalbundesanwalt vom Bundesgerichtshof gerüffelt worden. Dabei ist Harms erst seit Juni 2006 oberste Anklägerin. Jetzt beginnt eine Diskussion darüber, ob sie weiterhin im Amt bleiben kann.
Schon am Freitag forderte Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele "personelle Konsequenzen", ohne Harms persönlich zu nennen. Inzwischen ging Wolfgang Neskovic -- ein ehemaliger BGH-Richter, der jetzt für die Linke im Bundestag sitzt -- noch einen Schritt weiter. Er forderte Justizministerin Brigitte Zypries auf, die ihr unterstellte Generalbundesanwältin umgehend abzulösen. "Das darf nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben. Das Maß ist voll", betonte Neskovic gestern. Harms könne als politische Beamtin ohne nähere Begründung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Die Vorwürfe gegen Harms sind ernst. Statt sich in Zeiten von Al Qaida auf den echten Terrorismus zu konzentrieren, peppte die Bundesanwaltschaft auch militante linke Bewegungen und Dschihad-Sympathisanten zu "Terroristen" auf. Der Bundesgerichtshof hielt dem entgegen, dass einfache Brandstiftungen nur dann als Terrorismus eingestuft werden können, wenn der Staat dabei erheblich geschädigt werden kann. Außerdem dürfe die bloße Sympathiewerbung für Terrorgruppen noch längst kein Fall mehr für die Bundesanwaltschaft sein.
Gerügt wurde Harms vom Bundesgerichtshof außerdem, weil sie ohne gesetzliche Grundlage heimlich Computer ausspähen lassen wollte und weil sie in Hamburg Polizisten zur Postkontrolle ins Briefzentrum schickte.
Als sich der Bundesgerichtshof mit dem Wirken der Generalbundesanwältin beschäftigte, wies er nicht nur die Rechtsansichten von Harms zurück, sondern kritisierte auch die Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft. So wurde der Haftbefehl gegen den linken Berliner Soziologen Andrej Holm als rechtswidrig eingestuft. Einen Tatverdacht habe es gar nicht gegeben. Und bei den Brandanschlägen im Vorfeld des G-8-Gipfels habe Harms gegen eine Gruppe ermittelt, die es vermutlich nie gab, meinten die Richter.
Dennoch entgegnen Stimmen aus der Koalition, die Rücktrittsforderungen gegen Harms seien überzogen. Denn die Juristin habe zu lange die falschen Signale erhalten. So seien fast alle Maßnahmen, die jetzt der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beanstandete, zuvor vom BGH-Ermittlungsrichter gebilligt worden. Und auch die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Zypries habe den harten Kurs gegen militante Protestbewegungen bisher bereitwillig mitgetragen. Nachdem die Kritik aus der Opposition laut geworden war, sprachen Abgeordnete der Großen Koalition der Generalbundesanwältin umgehend ihr Vertrauen aus.