Herbe Schlappe für die Bundesanwälte

Der Bundesgerichtshof hat bei radikalen Linken erneut für Genugtuung gesorgt. Ein knappes Dreivierteljahr nach den heißen Wochen vor dem G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm wies der BGH die Bundesanwaltschaft in die Schranken. Für die Verfolgung militanter Globalisierungsgegner vor dem G8-Gipfel war Generalbundesanwältin Monika Harms nach dem BGH-Beschluss nicht zuständig. Den bundesweiten Großrazzien im Mai habe mithin die rechtliche Basis gefehlt.

Von dpa-Korrespondent Basil Wegener

Groß war die Aufregung, nachdem am 9. Mai 2007 rund 900 Beamte Dutzende Wohnungen, Büros, Buchläden und Szenetreffs der Linksautonomen in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen durchsuchten. Sie filzten Dateien, fahndeten in Computern und beschlagnahmten Unterlagen. Kritiker waren einhellig empört: Ungerechtfertigte Kriminalisierung warfen sie den Behörden vor und Panikmache. Viele Betroffene beschwerten sich. Die Behörden aber sahen die öffentliche Ordnung durch Anschläge im Zusammenhang mit Heiligendamm gefährdet. Dies hat der Bundesgerichtshof nun als überzogen bewertet.
Die Bundesanwaltschaft warf den Beschuldigten Brandstiftung an Autos und Gebäuden mit einem Schaden von 2,6 Millionen Euro vor - und sah eine terroristische Vereinigung am Werk. Der BGH ließ keine Zweifel: Es drehe sich um nicht zu verharmlosende Straftaten. Aber Terrorismus? Erneut verwiesen die Karlsruher Richter auf die enge Grenze, die der Gesetzgeber 2003 unter Rot-Grün auf EU-Vorgabe hin zog. Seit der Neufassung des Terrorismusparagrafen 129a ist eine Voraussetzung für die Aufnahme etwa von Brandstiftung in den Katalog der Terrortaten, dass der Staat dadurch erheblich geschädigt wird.
Zuletzt sorgte eine Grundsatzentscheidung im November für Schlagzeilen, nach der die linksextreme "militante gruppe" nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Schon in diesem Fall hatte man in der Bundesanwaltschaft intern eingeräumt, dass es sich beim politisch motivierten Abfackeln von Polizeiautos wohl eher um "Terrorismus light" handelt.
Der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen den Beschuldigten, der sich in Karlsruhe beschwert hat, ist nun aufgehoben. Zuständig für die Strafverfolgung seien allenfalls die Landesbehörden, so der BGH.
Die jüngsten Beschlüsse dürften aber Folgen über den Einzelfall hinaus haben. Der Terrorismusparagraf wurde in der Vergangenheit vielfach zur Einleitung von Ermittlungen genutzt, auch wenn noch keine Taten verübt worden waren. In den 90er Jahren wurde so gegen mehr als 1300 Personen wegen Terrorverdachts ermittelt - danach gab es nicht einmal 40 Urteile.