Razzia bei G8-Gegnern war rechtswidrig

Die bundesweite Großrazzia bei Gegnern des G8-Gipfels ist rechtswidrig gewesen. Das hat der Staatsschutzsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe entschieden.

Aktuelle Nachrichten - Karlsruhe/Berlin (ddp-bln). Die bundesweite Großrazzia bei Gegnern des G8-Gipfels ist rechtswidrig gewesen. Das hat der Staatsschutzsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe entschieden.

Die Bundesanwaltschaft sei für die koordinierte Aktion am 9. Mai 2007 «nicht zuständig» gewesen, weil die beschuldigten Globalisierungsgegner keine terroristische Vereinigung gebildet hätten, hieß es in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Zur Strafverfolgung seien allein die Staatsanwaltschaften der Bundesländer befugt.
Die Bundesanwaltschaft kündigte daraufhin an, dass sie das Verfahren nun an die zuständige Landes-Staatsanwaltschaft abgeben werde. «Das wird voraussichtlich Hamburg sein», sagte eine Sprecherin der Behörde. «Wir sind ab jetzt nicht mehr zuständig», betonte sie. Insgesamt gehe es um 18 Beschuldigte.

Die Bundesanwaltschaft «respektiere» die Entscheidung des Staatsschutzsenats. Die Sprecherin verwies aber auch darauf, dass der Ermittlungsrichter des BGH die Ansicht der Bundesanwaltschaft geteilt und die Durchsuchungsbeschlüsse erlassen habe. Der 3. Strafsenat des BGH in Karlsruhe gab nun aber der Beschwerde eines Beschuldigten statt und hob den ihn betreffenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss auf.
Bei der Razzia waren ingesamt 40 Objekte in sechs Bundesländern durchsucht worden, davon 23 in Berlin und Brandenburg. Die Beamten beschlagnahmten vor allem Computer und schriftliche Unterlagen. Die Aktion löste Protest-Demonstrationen von linken Gruppen in mehreren Städten aus.

Die Bundesanwaltschaft hatte dem Kläger und weiteren beschuldigten Globalisierungsgegnern vorgeworfen, sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben. Deren Ziel sei es gewesen, durch Brandanschläge auf Fahrzeuge und andere Sachbeschädigungen gewaltbereite Gesinnungsgenossen zu mobilisieren. Damit habe der Weltwirtschaftsgipfel vom Juni 2007 im Ostseebad Heiligendamm durch Gewalttaten erheblich gestört oder verhindert werden sollen. Die Bundesanwaltschaft rechnete der Vereinigung zwölf gewalttätige Aktionen mit einem Gesamtschaden von rund 2,6 Millionen Euro zu, die im Zeitraum von Juli 2005 bis März 2007 begangen wurden.

Laut BGH handelte es sich bei den Aktionen zwar «nicht um zu verharmlosende Straftaten». Es liege aber auch keine «besondere Bedeutung des Falles» vor, die eine Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft auch dann begründen könnte, wenn die Beschuldigten lediglich als kriminelle Vereinigung eingestuft würden. Der Staatsschutzsenat des BGH hat sogar «nachhaltige Zweifel», ob sich die beschuldigten Globalisierungsgegner überhaupt zu einer Vereinigung im strafrechtlichen Sinne zusammengeschlossen haben.

Der Staatsschutzsenat, dem der designierte BGH-Präsident Klaus Tolksdorf vorsitzt, hatte erst vor wenigen Wochen die Bundesanwaltschaft zurechtgewiesen und deren Einschätzung widersprochen, dass es sich bei der «militanten gruppe» (mg) um eine terroristische Vereinigung handelt.

Eine weitere Schlappe für die Bundesanwaltschaft war die Aufhebung des Haftbefehls gegen den Berliner Soziologen Andrej H. Ende Oktober 2007 durch den BGH. Dem an der Humboldt-Universität beschäftigten Wissenschaftler war vorgeworfen worden, sich an der «militanten gruppe» beteiligt zu haben. Die Karlsruher Richter hielt es aber für nicht sehr wahrscheinlich, dass der anerkannte Soziologe Mitglied einer «terroristischen Vereinigung» ist.
(AZ: StB 12/07 u. a. - Beschluss vom 20. Dezember 2007)

(ddp)