Generalbundesanwältin in der Kritik

Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) über die Rechtmäßigkeit der Ermittlungen gegen G-8-Gegner, sieht sich Generalbundesanwältin Monika Harms massiver Kritik ausgesetzt.
VON VERA GASEROW

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele forderte, nach der "erneuten Schlappe" für die Bundesanwaltschaft stelle sich "auch die Frage nach personellen Konsequenzen". Er warf den Karlsruher Chefanklägern eine "überharte und rechtswidrige Linie" bei der Anwendung der Strafvorschriften vor.

Bei den nun vom BGH als rechtswidrig eingestuften Ermittlungen vor dem Heiligendammer G-8-Gipfels seien "erhebliche Grundrechte" von Globalisierungsgegnern verletzt worden, sagte Ströbele. Dass die Betroffenen als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung verdächtigt wurden, sei nicht zuletzt "Rufschädigung", kritisierte der Grünen-Politiker und forderte eine Rehabilitierung und Entschädigung der Beschuldigten. Der Geschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, meinte: "Es wird zunehmend zu einem Problem,dass der BGH Entscheidungen der Bundesanwaltschaft kassieren muss, um Recht und Gerechtigkeit in Deutschland herzustellen."

Politiker der großen Koalition nahmen die Generalbundesanwältin gegen die Kritik in Schutz. "Ich kann nicht erkennen, dass man ihrer Behörde Fahrlässigkeit oder Scharfmacherei vorwerfen kann", sagte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der Frankfurter Rundschau. "Die Bundesanwaltschaft hatte damals gute Gründe für ihre Maßnahmen und musste eine schwierige Abwägungsentscheidung treffen." Dass der BGH nun eine andere Rechtsauffassung habe, zeige eher das Funktionieren des deutschen Rechtssystems. Auch Unionsfraktions-Vize Wolfgang Bosbach verteidigte die Karlsruher Behörde: "Die Bundesanwaltschaft hat im zeitlichen Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel die Gefahren ernst genommen. Daraus kann man ihr keinerlei Vorwurf machen." Im übrigen habe jetzt auch der BGH die Gefährdung durch militante Gipfelgegener nicht als harmlos eingestuft. Er habe lediglich die Zuständigkeit der Bundesermittler angezweifelt. "Das ist eine Kompetenzentscheidung, die da getroffen wurde", sagte Bosbach der Frankfurter Rundschau.

Mit seiner jüngsten Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung verfestigt: In der Beurteilung, ob eine Straftat einen terroristischen Hintergrund nach dem umstrittenen Paragrafen 129a hat oder nicht, legten die Bundesrichter enge Maßstäbe an. Schon die die rot-grüne Koalition hatte den Anti-Terrorparagrafen auf EU-Vorgaben hin auf den Kernbereich terroristischer Gefährdungen begrenzt. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof die linksextreme "militante gruppe" nicht mehr als terroristische Vereinigung eingestuft.

Jetzt urteilte der BGH zudem: Selbst wenn die G8-Gegner nur als "kriminelle Vereinigung" eingestuft worden wären, hätte die Bundesanwaltschaft nicht gegen sie vorgehen dürfen. Dazu habe es bei ihren G-8-Protesten an besonderen Bedeutung des Falls gefehlt. Eine solche besondere Bedeutung wäre für die Bundeszuständigkeit bei einer kriminellen Vereinigung erforderlich. Angesichts dieser rechtlichen Gründe sei es für die Entscheidung letztlich ohne Bedeutung geblieben, ob sich die Beschuldigten überhaupt zu einer Vereinigung im strafrechtlichen Sinn zusammengeschlossen haben. Daran gebe es aber "nachhaltige Zweifel". Für die Verfolgung der Taten seien deshalb die Bundesländer zuständig. Die Aktionen der Globalisierungskritiker seien allerdings "nicht zu verharmlosen", mahnte der BGH.

Die Bundesanwaltschaft hatte den Beschuldigten zwölf Gewalttaten mit einem Schaden von 2,6 Millionen Euro vorgeworfen. Betroffene und Kritiker hatten nach den Razzien von ungerechtfertigter Kriminalisierung gesprochen. Generalbundesanwältin Monika Harms verteidigte damals das Vorgehen gegen militante G-8-Gegner, auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bewertete die Razzien als richtig.