G-8-Razzia war Willkür
Die Razzien gegen Globalisierungskritiker im Mai vorigen Jahres waren rechtswidrig. Generalbundesanwältin Monika Harms (CDU) hat ohne Rechtsgrundlage agiert, als sie am 9. Mai 2007 in rund 40 Wohngemeinschaften und linke Büros einbrechen ließ. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem am Freitag veröffentlichten Beschluß.
Von Frank Brendle
An der Großrazzia waren damals 900 Polizisten beteiligt, die in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen Computer beschlagnahmten, Unterlagen mitnahmen und in einigen Fällen gar Geruchsproben von den Beschuldigten erzwangen.
Zur Begründung hatten damals sowohl Verfassungsschutz als auch Bundeskriminalamt von einer angeblichen »militanten Kampagne« gegen den G-8-Gipfel schwadroniert und vor Terror gewarnt. In den durchsuchten Häusern sollte die Kommandozentrale dieser »terroristischen Vereinigung« sein, die, so der Durchsuchungsbeschluß, »mit Brandanschlägen und anderen gewalttätigen Aktionen den bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel (G8) im Frühsommer 2007 in Heiligendamm erheblich zu stören oder zu verhindern« suchten.
Das war Propaganda. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob bereits am 20. Dezember – auf die Klage eines Betroffenen hin – den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß auf. Die Strafverfolgungsbehörden des Bundes seien »nicht zuständig« gewesen, hieß es. Die Begründung ist zwar überwiegend formal, aber auch inhaltlich eine Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft (BAW). Denn die Richter äußern »nachhaltige Zweifel«, daß sich »die beschuldigten Globalisierungsgegner tatsächlich zu einer Vereinigung im strafrechtlichen Sinne zusammengeschlossen haben«. Aber selbst wenn, könne diese »nicht als terroristische Vereinigung eingeordnet werden«. Auch die Möglichkeit, gegen eine etwaige »kriminelle Vereinigung« zu ermitteln, scheide aus, weil es an der »besonderen Bedeutung des Falles« mangele. Mit anderen Worten: Die BAW war von Anfang an nicht berechtigt, ihre Truppen in Marsch zu setzen. Legal wäre nur gewesen, ganz normal die Polizeien der Länder ermitteln zu lassen.
Doch ein »normales« Vorgehen wollten die Verfolgungsbehörden gerade nicht, sondern größtmögliche Terrorhysterie. Der Sonderparagraph 129a mußte her, um Globalisierungskritiker zu diffamieren, die Bewegung zu spalten und Einblick in linke Strukturen zu gewinnen. In Hamburg wurde die Gelegenheit genutzt, mindestens eine Wohnung zu verwanzen, in Berlin wurde kurz nach der Razzia ein Peilsender am Auto eines Aktivisten gefunden. Aufgegangen ist das Konzept nicht: Wenige Stunden nach den Razzien gingen bundesweit über 10000 Menschen auf die Straße, die Empörung über die Polizeiwillkür kam der Protestbewegung zugute.
Bereits im November hatte der BGH den Lauschangriff auf die Hamburger Wohnung beanstandet. Der Terror-Vorwurf gegen die »militante gruppe« hat sich ebenfalls in Luft aufgelöst. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte am Freitag, die Union habe »die rote Karte« für ihre »unverhältnismäßige Eskalationspolitik« bekommen. Die Innenpolitikerin der Linksfraktion Ulla Jelpke forderte, die Ermittlungsrichter müßten sich die Fälle genauer ansehen und nicht vorschnell den Forderungen der BAW nachgeben.