Mut zur Kante

von Ursula Knapp

Sozis halten ihn für ein CDU-Mitglied und Christdemokraten glauben, dass er der SPD angehört. Klaus Tolksdorf wird neuer Präsident des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, des höchsten Gerichts für Zivil- und Strafsachen. Heute wird ihn das Bundeskabinett ernennen. Der 59-jährige Strafrichter gehört keiner Partei an. Wer aber glaubt, das sei Ausdruck einer gewissen Standpunktlosigkeit, irrt sich. Der Mann mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen zeigt gern Kante.

Tolksdorf war bisher Vorsitzender des 3. Strafsenats, des Staatschutzsenats, und hat an aufsehenerregenden Entscheidungen mitgewirkt. So am Beschluss vor wenigen Wochen, dass die Militante Gruppe nicht als terroristische, sondern als kriminelle Vereinigung einzustufen ist. Im Frühjahr 2007 wurde vom selben Senat die Online-Durchsuchung untersagt, weil hierfür die gesetzliche Grundlage fehlt. Tolksdorf leitete aber auch die Revisionsverhandlung gegen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und frühere Manager des Mannesmann-Konzerns. Der 3. Strafsenat hob damals die Freisprüche für die Manager auf. Der Strafrechtler, der an der Universität Münster einen Lehrauftrag hat, gilt als strenger Verfechter rechtsstaatlicher Prinzipien. Sein Strafsenat hob auch das erste Urteil gegen den Hamburger Unterstützer der Terroranschläge vom 11. September, Mounir El Motassadeq, auf, weil die USA Zeugenaussagen im ersten Prozess gesperrt hatten. Tolksdorf wurde damals mit dem Satz bekannt: "Ein Strafprozess ist kein wilder ungeordneter Krieg."

Einen eigenen Kopf bewies Tolksdorf schon als junger Mann. Der Sohn des früheren BKA-Vizepräsidenten wurde nach dem Abitur erst Polizeibeamter und studierte dann Jura. Seine Erfahrungen als Streifenpolizist in Münster wolle er nie missen, sagt er. Noch heute pflegt er freundschaftlichen Umgang mit dem BGH-Polizeidienst. Fußball spielt er so gern wie Tennis. Nach dem Studium ging es mit der Karriere des Vaters dreier Kinder kometenhaft aufwärts. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am BGH sowie später der eher konservativen Verfassungsrichterin Karin Grasshoff. 1992 wurde er zum BGH-Bundesrichter gewählt. Vor sechs Jahren wurde er dort Vorsitzender Richter.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte Tolksdorf wegen seiner juristischen, aber auch organisatorischen Qualitäten seit längerem im Auge. Die Union reagierte zunächst reserviert, weil sie ihn trotz seiner Parteilosigkeit für "zu links" hielt. Auch Generalbundesanwältin Monika Harms, die als CDU-Mitglied die Union in Personalfragen berät, hatte Bedenken. Vor der Presse stellte sie vergangenen Freitag aber klar, dass sie mit jedem neuen BGH-Präsidenten gern zusammenarbeite. Das gelte auch für Klaus Tolksdorf.