Außer Kontrolle
Rund 4000 Menschen haben am Samstag in Hamburg gegen den Strafrechtsparagraphen 129a (Bildung bzw. Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung«), für die Einstellung aller Verfahren, gegen »Sicherheitswahn und Überwachungsstaat« demonstriert. Sie trafen auf etwa 2500 Polizisten, die Innensenator Udo Nagel (parteilos) aus ganz Norddeutschland sowie aus Berlin und von der Bundespolizei angefordert hatte. Trotz der Zusage der Demonstrationsleitung, die vom Oberverwaltungsgericht erst am Abend zuvor festgelegte Route zu akzeptieren, bildeten die Beamten ein dichtes Spalier, aus dem heraus sie die Demonstranten immer wieder mit Schlagstöcken traktierten. Die Demoleitung löste die Veranstaltung daher am Millerntor im Stadtteil St. Pauli nach etwa einem Drittel der genehmigten Wegstrecke selbst auf. Veranstaltungsleiter Bela Rogalla (Die Linke) sprach von einem »gezielten Angriff auf die kollektive Meinungsfreiheit«.
Eine Rednerin kündigte jedoch an, man müsse die Öffentlichkeit nun auf andere Weise erreichen. Und tatsächlich zogen daraufhin viele Demonstranten in größeren und kleineren Gruppen über die Reeperbahn und durch die City.
So kreativ, wie sie endete, hatte die Versammlung auch begonnen: Verkleidet als »Unschuldsengel« oder Weihnachtsmann, war am Mittag vor dem linken Zentrum »Rote Flora« zunächst »Tanzen statt Wanzen« angesagt. Unter dem Motto »Feuer und Flamme der Repression« setzte sich der Demonstrationszug gegen 14.30 Uhr in Bewegung. Doch schon zwölf Minuten später stellte sich den Teilnehmern ein dichtes Spalier behelmter und bewaffneter Polizisten entgegen. Es hieß, einige der Seitentransparente wären zu lang und würden den Auflagen nicht entsprechen. Kurz darauf monierten die Beamten, einige Personen würden das Vermummungsverbot nicht beachten. Zudem wurde das Fortkommen durch »Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten« massiv behindert.
Besser hatten es da nur jene 300 Aktivisten, die bereits zu Beginn der Veranstaltung und im Rahmen des neuen Aktionskonzepts »out of control« Protestinszenierungen auf Gehwegen und Plätzen vorbereitet hatten. Sie wollten damit die »nur scheinbare Allmacht polizeilicher Überwachung« auch optisch ad absurdum führen. Vereinzelt gelang es den Gruppen, bis in die City vorzustoßen. Und nach Auflösung der großen Demo drangen noch einmal rund 1000 Aktivisten bis zur Mönckebergstraße, Hamburgs größter Einkaufsmeile, vor. Hunderte weitere protestierten zeitgleich auf Jungfernstieg und Reeperbahn.
Im dichten Gewühl der Weihnachtsmärkte funktionierte das aus dem Märchen »Hase und Igel« bekannte Konzept hervorragend. Die Ordnungshüter hatten es erkennbar schwer, zwischen Normal- und Protestbürgern zu entscheiden. Wo es den zunehmend frustrierten Polizisten dann doch noch gelang, einzelne Protestierer zu umzingeln, kamen Hunderte weitere um die nächste Ecke. Lautstark riefen sie über Stunden Slogans wie »Wir alle sind 129a« oder »Nein zum Überwachungsstaat«. Bis tief in die Nacht dauerten die Proteste auch im Schanzenviertel.
Senator Nagel ist also mit seinem Vorhaben, jeglichen Antirepressionsprotest aus der Innenstadt fernzuhalten, grandios gescheitert. Eine Niederlage, die sich schon am Vorabend andeutete, als das Oberverwaltungsgericht zwar das City-Verbot bestätigte, zugleich aber den Valentinskamp und die Dammtorstraße freigab – Straßenzüge, die zumindest in die Nähe der Innenstadt führen. Mit Provokationen von seiten seiner Beamten wollte man offenbar einen Grund finden, die Demo auseinanderzujagen oder ihre Teilne