"Keine staatsgefährdenden Ziele"
"militante gruppe" laut BGH keine terroristische Vereinigung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Haftbefehle gegen drei mutmaßliche Mitglieder der "militanten gruppe" (mg) außer Vollzug gesetzt. Der Staatsschutzsenat des BGH sieht die Gruppierung laut einer Entscheidung vom 28. November nicht als terroristische, sondern nur als kriminelle Vereinigung an. Er begründete dies damit, dass die ihr zugeschriebenen Taten keine staatsgefährdenden Ziele verfolgten und den Staat nicht erheblich schädigten.
Die Beschuldigten seien allerdings der Zugehörigkeit zu der Organisation "dringend verdächtig", stellte das Gericht in Karlsruhe weiter fest. Die drei Männer sollen in der Nacht des 31. Juli 2007 versucht haben, in Brandenburg/Havel drei Lkw der Bundeswehr in Brand zu setzen. Sie wurden am 1. August in unmittelbarer Tatortnähe festgenommen. Gegen die Haftbefehle legten die Beschuldigten Beschwerde ein, über die der BGH jetzt entschied. Sie seien "gegen eine Kaution in Höhe von 30 000 Euro und weitere Auflagen bis auf weiteres außer Vollzug gesetzt" worden, teilte ein Sprecher des Generalbundesanwalts mit.
Obwohl die Betätigung der "mg" darauf ausgerichtet sei, Brandanschläge gegen Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Organisationen sowie privatwirtschaftlicher Unternehmen und sonstiger Einrichtungen zu begehen, "kann die Gruppierung nicht als terroristische Vereinigung eingestuft werden", erklärte der BGH. Dies wäre nach einer Neufassung der Vorschrift aus dem Jahr 2003 nur noch dann der Fall, wenn die Straftaten dazu bestimmt seien, "im Einzelnen aufgezählte staatsgefährdende Ziele zu erreichen und darüber hinaus durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich zu schädigen", so der Gerichtshof.
Der zuständige BGH-Senat habe aber entschieden, dass es sich bei den Brandanschlägen um ein "Staatsschutzdelikt von besonderem Gewicht" handele und der Generalbundesanwalt die Ermittlungen "zu Recht führt", erklärte dazu ein Sprecher des Generalbundesanwalts. Die Verfolgung der Straftaten der "mg" bleibe deshalb in dessen Zuständigkeit.
Der BGH-Senat hatte bereits am 24. Oktober den Haftbefehl gegen den Berliner Soziologen Andrej H. aufgehoben. Dem an der Humboldt-Universität beschäftigten Wissenschaftler war ebenfalls vorgeworfen worden, sich an der "militanten gruppe" beteiligt zu haben. Der BGH hielt es aber schon damals für nicht sehr wahrscheinlich, dass Andrej H. Mitglied einer "terroristischen Vereinigung" ist.
Jelpke: Entscheidung beendet "inflationären Gebrauch der Terrorismuskeule"
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, begrüßte die BGH-Entscheidung. Der Bundesgerichtshof habe "dem inflationären Gebrauch der Terrorismuskeule durch die Bundesanwaltschaft" eine Schranke vorgesetzt.
"Der Terrorparagraph 129a hat sich einmal mehr als reines Ermittlungs- und politisches Einschüchterungsinstrument entpuppt, dessen Anwendung einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand hält", so Jelpke. "Die Paragraphen 129, 129a und 129b gehören endlich abgeschafft und nicht ausgeweitet."
Vier Monate lang seien die drei Beschuldigten Axel H., Florian L. und Olli R. einzig aufgrund des Terrorismusparagraphen 129a inhaftiert worden. "Sie wurden von ihren Familien und Freunden getrennt, konnten sich nicht um pflegebedürftige Angehörige kümmern, wurden aus ihrem Berufsleben gerissen, einer von ihnen hat seine Arbeitsstelle aufgrund der Haft verloren. Für die aufgrund der Untersuchungshaft erlittenen Schäden müssen sie entschädigt werden", fordert die Politikerin.
Mit dem §129a sei die Überwachung und nur ausgesetzte Inhaftierung des Berliner Sozialwissenschaftlers Andrej H. sowie die Überwachung weiterer Wissenschaftler und politischer Aktivisten gerechtfertigt worden. "Diese Bespitzelung von engagierten Linken muss sofort beendet werden", fordert Jelpke.