Ankläger ausgebremst:
Die von der Bundesanwaltschaft (BAW) besonders im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm geschürte Terroristenhysterie hat einen deutlichen Dämpfer verpaßt bekommen.
Von Rainer Balcerowiak
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Mittwoch in Karlsruhe, daß die »militante gruppe« (mg) keine terroristische Vereinigung sei. Eine derartige Einstufung könne nur erfolgen, »wenn die Taten dazu bestimmt sind, staatsgefährdende Ziele zu erreichen und darüber hinaus durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können«, heißt es in der Begründung. Mit dem Beschluß entließ der BGH drei mutmaßliche Mitglieder der »mg« unter Auflagen aus der Untersuchungshaft. Die Begründung für die außer Vollzug gesetzten Haftbefehle änderte das Gericht zugleich auf den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und der versuchten Brandstiftung ab.
Die drei Männer waren Anfang August bei dem Versuch festgenommen worden, in Brandenburg mehrere Lastwagen der Bundeswehr in Brand zu stecken. Sie saßen seitdem in Untersuchungshaft. Die Richter gingen bei ihrer Entscheidung davon aus, daß bei der Neufassung des Paragraphen 129a vom Herbst 2003 bewußt eine klare Trennlinie zwischen krimineller und terroristischer Vereinigung gezogen worden war. Das Bestreben der BAW war es dagegen, diese Trennlinie zu verwischen. In ihrer Haftbegründung wird die »mg« als terroristische Vereinigung eingestuft, die »durch militante Aktionen die staatlichen Strukturen zerstören und an ihrer Stelle eine kommunistische Weltordnung errichten« wolle. Der Gruppe werden unter anderem Brandanschläge auf das Sozialgericht Berlin-Moabit im Mai 2006 und auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin im November 2006 zur Last gelegt. Weitere Anschläge richteten sich demnach gegen öffentliche Einrichtungen wie Bezirks-, Finanz-, Arbeits- und Sozialämter sowie Polizei- und Justizdienststellen im Raum Berlin. Für diese Aktionen liegen Bekennerschreiben vor, die von den Ermittlungsbehörden als authentisch eingestuft werden. Allerdings fehlen bisher Erkenntnisse über die Tatbeteiligten. Mittels des Konstrukts einer »terroristischen Vereinigung« hätte man jedes Mitglied der Gruppe für alle in deren Namen begangenen Aktionen verurteilen können.
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, begrüßte am Mittwoch die Aussetzung der Haftbefehle. Mit dieser überfälligen Entscheidung habe der Bundesgerichtshof »dem inflationären Gebrauch der Terrorismuskeule durch die Bundesanwaltschaft« Einhalt geboten, so Jelpke in einer Erklärung. Der »Terrorparagraph« 129a habe sich einmal mehr als politisches Einschüchterungsinstrument entpuppt, dessen Anwendung einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalte.
Ein Sprecher der BAW erklärte nach der Entscheidung, daß seine Behörde wegen der »besonderen Bedeutung des Falles« weiterhin für die Ermittlungen zuständig sei. Auch der BGH habe bestätigt, daß die Gruppe seit Jahren »Umsturzziele« verfolge, den »bewaffneten Kampf« diskutiere und der dringende Verdacht bestehe, daß sie »Staatsschutzdelikte mit besonderem Gewicht« begangen habe. Der Rechtsbruch geht also weiter, denn die BAW ist in der Regel nur für die Ermittlungen gegen terroristische, nicht aber gegen kriminelle Vereinigungen zuständig.