Urteil zur "militanten Gruppe": Die Terrorjagd war illegal
Die "militante gruppe" ist - trotz Brandanschlägen - keine terroristische Vereinigung. Sagt der Bundesgerichtshof und hebt Haftbefehle gegen drei mutmaßliche Mitglieder auf. VON CHRISTIAN RATH
Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch die Freilassung von drei mutmaßlichen Mitgliedern der "militanten gruppe" (mg) aus der Untersuchungshaft angeordnet. Die mg sei nicht als "terroristische", sondern nur als "kriminelle Vereinigung" einzustufen. Florian L. (35), Oliver R. (35) und Axel H. (46) können in Freiheit auf ihren Prozess warten.
Ende Juli waren die drei Berliner auf frischer Tat ertappt worden. Sie hatten in der Stadt Brandenburg versucht, drei Bundeswehrlaster anzuzünden. Die Brandsätze waren schon angezündet, konnten von der Polizei aber noch rechtzeitig entfernt werden. Offensichtlich waren die drei Militanten zuvor observiert worden.
Festgenommen wurden damals nicht nur sie, sondern auch der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm, dem vorgeworfen wurde, eine Art intellektueller Hintermann derartiger Anschläge zu sein. Da kein dringender Tatverdacht gegen ihn besteht, hob der Bundesgerichtshof schon im Oktober den Haftbefehl gegen ihn als rechtswidrig auf. Das war die erste Schlappe der Bundesanwaltschaft in diesem Verfahren.
Die zweite folgte mit dem Beschluss vom Mittwoch. Der BGH ordnete auch die Freilassung der drei übrigen Verhafteten an. Entgegen der Annahme von Generalbundesanwältin Monika Harms handele es sich bei der mg um keine terroristische Vereinigung. Denn die von der "mlitanten gruppe" begangenen und geplanten Brandanschläge seien, so der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf, "nicht geeignet, die Bundesrepublik Deutschland erheblich zu schädigen".
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Das Gericht beruft sich auf eine vor vier Jahren erfolgte Neuformulierung des Paragrafen 129 a Strafgesetzbuch, der die Mitgliedschaft und Unterstützung von terroristischen Vereinigungen verbietet. Damals wurde die Vorschrift Vorgaben der EU entsprechend umgestaltet. So wurden in den Katalog der Straftaten, die eine Vereinigung zu einer "terroristischen" Vereinigung machen. auch leichtere Straftaten aufgenommen. Zum Ausgleich fügte die rot-grüne Bundesregierung einen Passus ein, dass eine Gruppe bestimmte terroristische Absichten haben muss und vor allem, dass sie ein gewisses Mindestmaß an Gefährlichkeit erreicht.
Gestern entschied der BGH nun, dass dem Staat erst dann eine "erhebliche" Schädigung droht, "wenn die Straftaten geeignet sind, die Bevölkerung in erheblichem Maße einzuschüchtern", eine Behörde zu "nötigen" oder die "Grundstrukturen des Staates erheblich zu beeinträchtigen". All dies sei bei den Brandanschlägen der mg nicht zu befürchten gewesen. Über den Gesamtschaden von rund einer Million Euro hinaus hätten die Taten "einen eher nur propagandistischen Effekt mit potenzieller Mobilisierungswirkung bei Gleichgesinnten gehabt".
Damit können auch ähnliche Gruppierungen - etwa die ominöse Vereinigung militanter G-8-Gegner, gegen die seit einigen Monaten ermittelt wird - künftig nicht mehr als "terroristische Vereinigung" eingestuft werden. In diesem Verfahren hat es bisher allerdings keine Haftbefehle gegeben.
Allerdings hätte der Beschluss für die Bundesanwaltschaft noch unangenehmer ausfallen können: Immerhin bleibt sie für das Verfahren gegen die "militante gruppe" zuständig, was der BGH mit der "besonderen Bedeutung des Falles" begründete. In bestimmten Fällen kann die Bildung einer kriminellen Vereinigung eine Sache für die Bundesermittler sein. Zudem gingen die Richter davon aus, dass die drei Verdächtigen tatsächlich mg-Mitglieder sind. Ihre Anwälte bestreiten dies.