„Brandsatzwerfen ist noch nicht Terrorismus”

Es ist eine höchstrichterliche Schlusspointe zum ablaufenden RAF-Gedenkjahr: Am Mittwoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) über die Haftbefehle gegen drei mutmaßliche Linksterroristen entschieden - und dabei festgestellt, dass die große Münze Terrorismus auf notorische Brandsatzwerfer nicht passt.

Seit dem Ende von RAF und Revolutionären Zellen war der Linksterrorismus nahezu von der Bildfläche verschwunden. Von den nächtlichen Brandanschlägen der seit rund sechs Jahren im Raum Berlin agierenden "militanten gruppe" (mg) oder diverser linksradikaler "no-name"-Gruppierungen nahm die Öffentlichkeit - in Sachen Terrorismus inzwischen an ganz andere Erregungslevels gewöhnt - nur wenig Kenntnis. Dennoch hegte die Bundesanwaltschaft keinen Zweifel: Das politisch motivierte Abfackeln von Polizeiautos ist Terrorismus -wenn auch, wie man intern einräumte, eher aus der Kategorie "Terrorismus light".
Der BGH hat die Ermittlungsbehörde nun eines Besseren belehrt. Zwar sind die Anschläge der Gruppe auf Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Institutionen gerichtet. Auch folgen regelmäßig seitenlange Bekennerschreiben mit linksradikaler Rhetorik, in denen wahlweise gegen den "neuen deutschen Imperialismus", die "G8-Schweine" oder die "kapitalistische Barbarei" polemisiert wird. Dennoch kann sie laut BGH nicht mehr als terroristische, sondern nur noch als kriminelle Vereinigung eingestuft werden - was die Höchststrafe von zehn auf fünf Jahre halbiert.

Grund für den Schwenk in der Rechtsprechung ist eine vor vier Jahren vorgenommene Neufassung des gut 30 Jahre alten Terrorismusparagrafen 129 a Strafgesetzbuch. Die rot-grüne Regierung hatte damals einen EU-Rahmenbeschluss umgesetzt, um den Paragrafen auf den "Kernbereich terroristischer Gefährdungen" zu begrenzen. Zwar gehören nach wie vor auch mittlere Delikte wie Brandstiftung und die "Störung öffentlicher Betriebe" zum Katalog der Terrortaten. Voraussetzung ist aber nun, dass ein Staat dadurch "erheblich" geschädigt werden kann. Damit habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift "bewusst deutlich eingeschränkt", merkte der BGH an - auch wenn die Vorschrift jetzt nicht sonderlich konkret sei.

Unmittelbare Konsequenzen für die laufenden Ermittlungen hat die Entscheidung vorerst nicht. Zwar muss die Bundesanwaltschaft - anders als beim Terrorismus - zur Verfolgung einer kriminellen Vereinigung die "besondere Bedeutung" des Falles begründen. Bei der "militanten gruppe" sieht der BGH allerdings kein Problem: Zweifel am Staatsschutzcharakter der Ermittlungen bestünden nicht.

Dennoch wird der Beschluss nicht folgenlos bleiben. Oft genug wird der Terrorismusparagraf nur als Vehikel zur Einleitung von Ermittlungen genutzt, wenn noch kein Verdacht auf andere konkrete Straftaten vorliegt. Gegen mehr als 1300 Personen wurde in den 90er Jahren wegen Terrorverdachts ermittelt - im selben Zeitraum gab es nicht einmal 40 Urteile aufgrund der Vorschrift.

Was es bedeutet, wenn die Karlsruher Bundesanwaltschaft unter dem Segel des "129 a" ermittelt, war im Frühjahr vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm zu besichtigen. In einer Großrazzia durchsuchten fast 900 Beamte bundesweit rund 40 Wohnungen und Büros, um Erkenntnisse über linksterroristische Aktivitäten vor dem Wirtschaftsgipfel zu gewinnen. Die linke Szene reagierte mit empörten Demonstrationen und warf der Behörde vor, Globalisierungskritiker zu kriminalisieren.

Die rot-grünen Korrekturen am Terrorismusparagrafen haben den BGH damit bereits zum zweiten Mal zu einer restriktiveren Lesart der Vorschrift veranlasst. Weil die bloße Werbung für eine terroristische Vereinigung, die zu RAF-Zeiten die "Sympathisanten" ins Visier der Ermittler gebracht hatte, aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden war, stellte der BGH in einer Grundsatzentscheidung klar: Nur noch das "konkrete" Werben um Unterstützer für eine bestimmte Gruppierung kann strafrechtlich geahndet werden. Folge: Der lediglich allgemeine Aufruf zum Dschihad ("Heiliger Krieg") gilt seither nicht mehr als Werbung für eine Terrorgruppe. (dpa)