Schweres Geschütz aus dunklen Zeiten
Der umstrittene Anti-Terror-Paragraf 129a wird gegen G8-Gegner und Linksextremisten in Stellung gebracht
VON STEFFEN HEBESTREIT
Berlin. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist eine vorsichtige Politikerin, insbesondere wenn sich die Ressortchefin Justiz äußern soll zu Fragen, die die - ihr nachgeordnete - Bundesanwaltschaft betrifft. Die Unabhängigkeit der Justiz gebietet es, zu laufenden Verfahren grundsätzlich keine Stellung zu nehmen.
Umso bemerkenswerter sind deshalb die Worte, mit denen sich Zypries jüngst im Nachrichtenmagazin Spiegel zitieren ließ. Mit der Reform des Paragrafen 129a Strafgesetzbuch, der die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bestraft, habe Rot-Grün im Jahr 2003 "die Latte höher gelegt" - und "das war absolut sinnvoll". Der Paragraf sollte künftig nur bei großen Terrorfällen angewandt werden. Nachrangige Taten wie Brandanschläge sollten nur dann noch unter dem 129a verfolgt werden, wenn durch sie "die Grundstrukturen des Staates" beseitigt oder erheblich beeinträchtigen werden könnten.
Es sollte wohl ein vorsichtiger Fingerzeig aus Berlin an die Adresse von Generalbundesanwältin Monika Harms sein, die in den 18 Monaten seit ihrem Amtsantritt in Karlsruhe sehr rege Gebrauch macht von jenem Paragrafen 129a, der einst im Jahr 1976 geschaffen worden war, um gegen die linksextremistische Rote Armee Fraktion (RAF) juristisch vorgehen zu können. Mit Freiheitsstrafe "von einem Jahr bis zu zehn Jahren" bedroht der 129a, wer eine terroristische Vereinigung gründet oder ihr angehört.
Relikt der 70er Jahre
Der Gesetzgeber schaffte damit die Möglichkeit, die mutmaßlichen Terroristen zu verurteilen, ohne sie einzeln einer Tat überführen zu müssen. Wer nach Meinung des Gerichts Mitglied einer Gruppe war, konnte für alle Taten dieser Gruppe bestraft werden. Ein schweres Geschütz also aus den dunklen Zeiten der 70er Jahre, das in jüngerer Zeiten vor allem beim Kampf gegen islamistische Terroristen in Stellung gebracht worden ist. Sowohl gegen die so genannten Kofferbomber, die im Juli 2006 Regionalzüge im Rheinland in die Luft sprengen wollten, als auch gegen jene Männer, die im September 2007 im Sauerland festgenommen wurden, wird auf Grundlage des 129a ermittelt und Anklage vorbereitet.
Die neue Generalbundesanwältin Harms, der große Nähe zur Union nachgesagt wird, erinnerte sich des 129a aber auch beim Umgang mit mutmaßlich militanten G8-Gegnern sowie im Kampf gegen die "militante gruppe" (mg), die für Brandanschläge auf Luxuslimousinen und Bundeswehrfahrzeuge verantwortlich gemacht wird - und den Ermittlern seit Jahren ein Schnippchen schlägt.
Die Hürden für die Anwendung des Paragrafen 129a sind eigentlich hoch, schließlich besteht eine Vereinigung juristisch gesehen aus mindestens drei Mitgliedern. Die Gruppe muss klare hierarchische Strukturen besitzen. Und die Taten müssen angetan sein, die gesellschaftliche Ordnung in ihren Grundfesten zu erschüttern.
Sonst handelt es sich aus strafrechtlicher Sicht nicht um eine terroristische, sondern "nur" um eine kriminelle Vereinigung. Die Krux aus Sicht von Harms:Sie könnte dann die Zuständigkeit für den Fall einbüßen.