Militante Gruppe: Sind das wirklich Terroristen?

Vor sechs Jahren wurde die "Militante Gruppe" als terroristische Vereinigung eingestuft. Seither ermitteln Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt gegen die vor allem in Berlin aktive Truppe. Doch die Erfolge sind bescheiden. Dazu droht den Ermittlern nun auch noch eine weitere peinliche Pleite. Von Hans H. Nibbrig

Wann immer in Berlin spektakuläre Brandanschläge mit einem erkennbaren politischen Hintergrund verübt werden, fällt der Name „Militante Gruppe“ (MG). Die ominöse Gruppierung, über die bis heute nur wenig bekannt ist, beschäftigt schon seit Jahren die Sicherheitsbehörden. 2001 wurde die MG als terroristische Vereinigung eingestuft, seither ermitteln Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA) gegen die vor allem in Berlin aktive Truppe. Die Erfolge der Ermittler sind bislang allerdings eher bescheiden.

In den vergangenen Jahren hatte sich die Gruppe zu einer Reihe von Anschlägen bekannt. Ziele waren unter anderem eine Polizeidienststelle, Streifenwagen in Spandau, das Sozialgericht, die italienische Handelskammer, ein Job-Center und Firmenfahrzeuge bekannter deutscher Autohersteller und von Siemens. Die MG betrachtet derartige Anschläge als legitimes Mittel in ihrem „revolutionären Kampf“. Wer genau sich hinter dem Namen „MG“ verbirgt, ist bis heute unklar. Im August schien es für die Ermittler allerdings einen ersten Erfolg zu geben. In Brandenburg (Havel) wurden drei Berliner bei dem Versuch, Bundeswehrfahrzeuge zu entzünden, überwältigt. Gleichzeitig wurde auch der Berliner Soziologe Andrej H. (36) festgenommen. Den Vorwurf, Mitglied der MG zu sein, begründeten die Ermittler damit, dass H. in seinen Publikationen Formulierungen benutzt haben soll, die auch in Bekennerschreiben der MG auftauchten.

Fall wird zur Peinlichkeit

Der Fall Andrej H. geriet für die Bundesanwälte allerdings zur Peinlichkeit. Vor drei Wochen hob der Bundesgerichtshof (BGH) den gegen H. erlassenen Haftbefehl auf. Die Richter äußerten erhebliche Zweifel an einer MG-Mitgliedschaft des Soziologen. Demnächst könnte für die Fahnder eine weitere Pleite folgen. Denn beim BGH stehen noch Entscheidungen über die Haftbeschwerden der in Brandenburg festgenommenen mutmaßlichen MG-Mitglieder aus.

Sollten die Richter auch in diesen Fällen erhebliche Zweifel an einer Mitgliedschaft der Inhaftierten hegen und die Haftbefehle aufheben, müssten Bundesanwaltschaft und BKA erneut auf die Suche nach Mitgliedern des „Phantoms MG“ gehen. Falls die Richter aber von einer MG-Mitgliedschaft des Trios ausgehen, könnte es für die Bundesbehörden noch schlimmer kommen. Dann wäre zu klären, ob die MG tatsächlich eine terroristische Vereinigung ist. Und die Richter des 3. Strafsenats haben schon mal durchblicken lassen, dass sie das nicht zwingend so sehen. Denn die entsprechende gesetzliche Bestimmung schreibt unter anderem vor, dass die verübten Taten unter anderem geeignet sein müssen, einen Staat erheblich zu schädigen.

„Natürlich sind das Verbrecher, aber ob brennende Autos den Bestand der Bundesrepublik gefährden, ist doch fraglich“, sagte am Dienstag ein Berliner Staatsschützer. Dessen Behörde könnte demnächst mit der MG zu tun bekommen. Denn wenn der BGH den Terrorismusverdacht kippt, bliebe „nur“ noch Brandstiftung. Damit wäre die Bundesanwaltschaft nicht mehr zuständig.