Professoren contra Bundesanwälte

Die Verhaftung des unter Terrorverdacht stehenden Wissenschaftlers Andrej H. sorgt nun auch international für Wirbel. Auf der Jahrestagung der Vereinigung US-amerikanischer Soziologen forderten Teilnehmer per Resolution die sofortige Freilassung des Berliners. Es sei "unerhört", aus bloßer wissenschaftlicher Arbeit auf die Mittäterschaft in einer Terrorgruppe zu schließen. In einem offenen Brief an die Bundesanwaltschaft setzten sich zugleich 60 internationale Professoren für H. ein. Der Verdacht gegen ihn basiere auf "abenteuerlichen Analogieschlüssen". VON JÖRG SCHINDLER

Der Soziologe H., der an der Humboldt-Universität arbeitet, war Ende Juli festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft. Ihm, wie auch drei zeitgleich verhafteten Männern, wirft die Bundesanwaltschaft vor, Mitglied der "militanten gruppe" (mg) zu sein. Diese soll mehr als zwei Dutzend Brandanschläge auf Fahrzeuge und Gebäude verübt haben. Die vier Verhaftungen waren die ersten seit Beginn der Ermittlungen vor sechs Jahren.

Der Verdacht gegen H. stützt sich im wesentlichen auf zwei "konspirative" Treffen mit einem der anderen Festgenommenen. Zudem, so der Haftbefehl, verfüge er als Wissenschaftler über die intellektuellen Voraussetzungen, die nötig seien, um die komplexen Schreiben der "militanten gruppe" zu verfassen. Auch die Vizechefin der Linksfraktion, Petra Pau, hält diese Konstruktion für waghalsig: "Wenn solcherlei Vorwürfe künftig hinreichend für ein Ermittlungsverfahren gemäß Paragraph 129a sein sollten, dann gute Nacht Rechtsstaat."

Unterdessen meldeten sich drei weitere Beschuldigte, die sich noch auf freiem Fuß befinden, über ihren Anwalt zu Wort. Für sie - offenkundig zwei Wissenschaftler und ein Journalist - gelte dasselbe wie für Andrej H.: Auch in ihrem Fall stütze sich der Terrorvorwurf auf wissenschaftliche Publikationen, die eine Nähe zu mg-Texten aufwiesen. Zudem verfügten alle drei über "vielfältige Kontakte in die linksextremistische Szene". Das allein reiche den staatlichen Ermittlern offenbar, um sie seit fast einem Jahr akribisch zu überwachen. Mit zum Teil "verheerenden Folgen" für ihr Privatleben. "Diese Art Gesinnungsschnüffelei hat in Deutschland eine lange Geschichte", so die drei Beschuldigten.

Die Bundesanwaltschaft wollte auch am Mittwoch keine neuen Details zu den Verfahren bekannt geben.