Wohnung eines G8-Gegners verwanzt

Ströbele: BKA ist außer Rand und Band geraten

Sigrid Averesch

BERLIN. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Hans-Christian Ströbele, hat den großen Lauschangriff bei einem Gegner des G8-Gipfels scharf kritisiert. "Der große Lauschangriff ist völlig unverhältnismäßig und zeigt, dass das Bundeskriminalamt außer Rand und Band geraten ist", sagte Ströbele der Berliner Zeitung. "G8-Gegner wurden als Schwerstkriminelle behandelt", beanstandete der Politiker. Er kündigte an, dass sich der Bundestag mit dem Thema befassen werde. "Fast jede Woche bekommen wir neue Erkenntnisse darüber, wie bei den Ermittlungen gegen G8-Gegner vorgegangen wurde", sagte Ströbele. Er verwies auf die Razzien vor dem Heiligendammer G8-Gipfel und das Abhören von Journalisten.

Offenbar hat das Bundeskriminalamt im Mai dieses Jahres die Razzien gegen Gegner des G8-Gipfels genutzt, um Wanzen zu installieren. "Definitiv wissen wir zurzeit von einer Person, die dem großen Lauschangriff ausgesetzt war", sagte die Hamburger Rechtsanwältin Britta Eder der Berliner Tageszeitung taz. Die Wohnung ihres Mandaten sei vom 9. Mai bis 8. Juni dieses Jahres verwanzt gewesen. Die Bundesanwaltschaft habe dies vor wenigen Tagen mitgeteilt. Die Anwältin geht davon aus, dass noch mehrere andere G8-Gegner von den Sicherheitsbehörden belauscht wurden. Im Mai hatten rund 900 Polizisten bei einer bundesweiten Razzia 40 Wohnungen durchsucht. In Hamburg wurde auch das Stadtteilzentrum Rote Flora durchsucht, in Berlin das linke Kulturzentrum Mehringhof, ein Buchladen und das Umbruch-Bildarchiv.

Ströbele kritisierte die Sicherheitsbehörden auch wegen der Ermittlungen gegen die Militante Gruppe, die nach etlichen Brandanschlägen auf Fahrzeuge vom Bundeskriminalamt als terroristische Vereinigung eingestuft wird. "Die Voraussetzungen für die Einstufung als terroristische Vereinigung ist bei der Militanten Gruppe nicht erfüllt", sagte der Grünen-Politiker. Er verwies darauf, dass die frühere rot-grüne Koalition den Paragrafen 129a Strafgesetzbuch geändert hat. "Wir wollten, dass nur schwere Fälle darunter fallen, die den Staat erschüttern", unterstrich Ströbele. Das sei bei der Militanten Gruppe nicht der Fall.

Massen-Verfassungsbeschwerde

Unterdessen wird der Protest gegen die zunehmenden Überwachungsbefugnisse der Behörden stärker. Über 13 000 Personen wollen inzwischen gegen die vom Bundestag beschlossene sechsmonatige Speicherung von Verbindungsdaten von Festnetz- und Handygesprächen sowie von Internetdaten vor dem Bundesverfassungsgericht kippen. Damit habe sich die Zahl der Beschwerdeführer seit dem Gesetzesbeschluss am vergangenen Freitag fast verdoppelt, teilte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung mit. Dieses Bündnis aus Bürgerrechtlern bereitet die Massen-Verfassungsbeschwerde vor. Sie soll eingereicht werden, sobald das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Noch bis zum 24. Dezember können sich Kritiker der Beschwerde anschließen.